„Digital only“ bedeutet, dass die althergebrachten Möglichkeiten zum Erhalt staatlicher Leistungen und von Beförderungsleistungen, sowie zur Erfüllung der vom Staat auferlegten Pflichten systematisch beseitigt werden, um die Menschen zu zwingen, ihre Angelegenheiten auf digitalem, automatisiert abzuwickelndem Weg zu erledigen. Das gilt denknotwendig auch für das Bezahlen, wo das Bargeld zu den abzuschaffenden analogen Lösungen gehört.
Das bedeutet nicht nur, dass die Bürger lückenlos überwachbar werden. Es bedeutet auch, dass sie sich komplett an das System anpassen müssen, das die Bürokraten zusammen mit den Technokraten erdacht und programmiert haben. Das System bietet keine Menschen als Ansprechpartner mehr auf, die dafür sorgen können, dass es sich flexibel an die Bedürfnisse der Menschen anpasst, auch an Menschen mit speziellen Bedürfnissen, an die die Programmierer nicht gedacht haben, und an solche in speziellen Situationen.
Mit anderen Worten: Die neue Regierung arbeitet intensiv an der Verwirklichung des Technokratentraums einer zentral gesteuerten Gesellschaft, aus der der Mensch als autonomer Entscheidungsträger eliminiert und stattdessen zu einem funktionierenden Rädchen in einer zentral gesteuerten sozialen Megamaschine gemacht wird.
Die verpflichtende digitale Identität, die der Koalitionsvertrag ankündigt, soll dafür sorgen, dass den Bürokraten und Technokraten alle Informationen über alle zu steuernden Bürger im verpflichtenden Bürgerkonto zur Verfügung stehen. Das Ziel, ausdrücklich formuliert von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, besteht darin, dass die digitale Identität für alle Interaktionen mit dem Staat und mit privaten Unternehmen verwendet wird. Das bedeutet dann, dass alle Informationen über das Tun jedes Bürgers über diese Bürgernummer leicht und verlässlich abrufbar werden.
Der Anspruch geht sogar dahin, so viel über die Bürger zu wissen, dass der Staat sich selbsttätig um jeden kümmern kann, der nach seinem treusorgenden Dafürhalten Unterstützung braucht und verdient, ohne dass dieser Hilfe beantragen muss. In einem ersten Schritt sollen „die verfügbaren Daten genutzt werden, um auf mögliche Leistungsansprüche hinzuweisen und die Beantragung zu vereinfachen.“ Langfristig soll die Notwendigkeit von Anträgen entfallen, weil der Staat alles schon weiß, was die Bürger traditionell in Anträgen offenbaren müssen. Im O-Ton: „Wir werden dabei zunehmend antragslos arbeiten. Etwa nach der Geburt eines Kindes sollen Eltern automatisch einen Kindergeldbescheid erhalten.“
Das autokratisch regierte Kasachstan ist mit Unterstützung der UN bereits dabei, diesen Technokratentraum zu verwirklichen. Unter dem Vorwand, so in Notlagen besser und schneller helfen zu können, beraubt der Staat dort die Familien jeglicher Privatsphäre.
Man kann es nicht anders sagen: es ist ein totalitärer Traum, an dessen Verwirklichung Union und SPD arbeiten wollen. Er wird vervollständigt durch die Ankündigung im Koalitionsvertrag, das Verbreiten von aus staatlicher Sicht „falschen“ Tatsachenbehauptungen und von „Hass“ und „Hetze“ künftig durch das zensorische Eingreifen einer „staatsfernen Medienaufsicht“ zu verhindern. Nur noch die nicht geäußerten Gedanken sollen vorläufig noch frei bleiben.