Noch ein Grund, warum die Intensivstationen in Deutschland besonders voll sind

24. 11. 2021 | Update 25.11| Eine Leserin schreibt mir einen Erfahrungsbericht von einer Covid-Infektion mit schwerem Verlauf. Es geht darum, dass man, wenn man zuhause in Quarantäne ist, praktisch nicht betreut und behandelt wird, so lange, bis man entweder von selbst wieder gesund wird, oder im Krankenhaus bzw. gleich auf der Intensivstation landet. Update: Ein Arzt führt in einem Podcast die gleiche Kritik.

„Sehr geehrter Herr Häring,

Vielleicht ist der Umstand, das schwer erkrankte Menschen, die in Quarantäne sind, nicht behandelt werden, nicht wirklich bekannt. Aktuell ist eine Freundin von mir erkrankt und hat einen schwierigen Verlauf. Sie hatte starke Grippesymptome, die sich nachdem das Fieber überstanden war, auf das Magen Darm System ausgeweitet haben. Sie hat mit Erbrechen, Durchfall, massiven und beängstigenden Schwächezuständen, Dehydrierung und Kreislaufproblemen zu kämpfen.

Nun bin ich zum Glück medizinisch nicht unbeschlagen, bin mit einer befreundeten Ärztin in Kontakt und kann mit ihr beratschlagen, was zu tun ist. Wie wir die Freundin durch ihre gesundheitliche Krise bringen, welche Medikamente besorgt werden müssen, welche Maßnahmen und Anwendungen der Ehemann machen kann. Wir haben uns an alle Quaratnäneregeln gehalten. Beratung per Telefon, Einkäufe vor der Tür stellen, ect…

Wären diese für sie günstigen Umstände nicht gegeben, sie wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit in einen Zustand gekommen, dass sie den Notarzt gerufen und der eine stationäre , evtl. sogar intensivmedizinische Betreuung für nötig befunden hätte.

Jeder weiß, dass anhaltender Durchfall und Erbrechen lebensbedrohend sein kann, der Elekrtolythaushalt gerät durcheinander, was weitgehende Folgen haben kann. Dieser Gefahr kann auch zu Hause mit einer Infusion und begleitenden Maßnahmen begegnet werden, aber es kommt ja kein Arzt! Denn der Patient ist in Quarantäne, der Patient selbst kommt schon gar nicht auf die Idee den Arzt anzurufen, denn er ist ja in Quarantäne, …. Wenn in so einem solchen Fall ein Arzt zum rechten Zeitpunkt zu Hause eine Infusion legen würde, bestünde die große Chance, dass der Patient sich wieder stabilisiert und diese Maßnahmen unnötig sind.

Ich bin sicher, solche Krankengeschichten gibt es zuhauf. Abgesehen von all den gesundheitlichen Problemen, kommt ja noch die Einsamkeit, die Angst und die soziale Kälte dazu. Aus meiner Sicht ist das „institutionalisierte unterlassene Hilfeleistung“, die neben vielen anderen Faktoren (die an anderer Stelle schon kompetent besprochen sind) ihren Teil zur Überlastung der Intensivstationen beitragen.

Die unglaubliche Verrohung in unserer Gesellschaft ist ein anhaltender Schock für mich. Wenn ein Mensch in Quarantäne von seinen Nachbarn gemaßregelt wird, weil er zur Mülltonne geht, anstatt gefragt wird, ob er Hilfe braucht, dann fürchte ich, ist Solidarität zum Fremdwort geworden.

A.K.

Update 25.11.:

In einem Indubio-Podcast vom 18.11. (ab ca. min 39) beschreibt ein Arzt, wie, und gegen welche Widerstände er positiv getestete Patienten trotz deren Quarantäne behandelt, damit sie nicht ins Krankenhaus müssen. Seine Kritik am üblichen Vorgehen ist dieselbe wie die der Leserbriefschreiberin.

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Ursachen der Krise auf den Intensivstationen in den Worten des Klinikums Karlsruhe

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