Der manipulierte Filmclip am Freitag in der Heute Show, in dem eine Gegnerin der Rechtsextremen wie eine Rechtsextreme erscheint, ist kein isolierter Unfall in einer ansonsten untadeligen Sendung. Er hat vielmehr viel mit einem – wie ich finde – sehr problematischen Verständnis von Satire zu tun, das in der Heute Show gepflegt wird. Die Sendung hat gute Leute und lustige Ideen, aber sie bedient sich gern und zunehmend
unfairer Mittel, um ihre Zielpersonen schlecht aussehen zu lassen. Das stört mich um so mehr, als die Auswahl der Zielpersonen oft so wahllos ist. Es sind eben nicht nur die Einflussreichen und Mächtigen, mit denen sich Satire anlegen sollte, sondern gern auch normale Leute und Kreisklassen-Politiker, die das Pech haben, dass eine Kamera dabei war, wenn sie sich vor Publikum überfordert zeigen. Das ist nicht die Aufgabe von Satire. Man muss nicht aus einer Rede der AfD-Politikerin Frauke Petry eine Kollage mit Lippen- und Zungenbewegungen in Großaufnahme anfertigen, um sie lächerlich zu machen. Sie bietet inhaltlich genug, woran man sich reiben kann.
Mit unfairen Mittel meine ich auch, wenn zum Beispiel gezeigt wird, wie die Opfer sich vor der Kamera in Pose stellen lassen. Das ist ein Vertrauensbruch und lässt jeden blöd aussehen. Oder wenn sie unvorbereitet mit der Kamera überfallen und mit dummen Fragen traktiert werden. Das ist halbwegs okay, wenn man das mit einem Spitzenpolitiker macht, von dem man Schlagfertigkeit erwarten darf, aber mit Leuten aus der zweiten und dritten Reihe nicht. Was am letzten Freitag passiert ist, kann man auch als Folge der Satire-Kultur einer Sendung betrachten, die darauf aus ist, Leute zum Gespött zu machen.
Das Ganze hat noch eine andere problematische Dimension. Opfer war eine Politikerin der Linken. Die Heute Show nimmt sehr gern die Opposition aufs Korn, also die AfD und die Linke. Dabei nimmt sie sich heraus, zu definieren, was noch als erlaubte Kritik an der herrschenden Politik gelten darf, und wo die lächerliche Verschwörungstheorie anfängt. Das ist in meinem Verständnis weit weg von dem, was Satire tun sollte. Was hätte die Heute Show wohl getan, vor fünf Jahren, vor Snowden, wenn jemand öffentlich behauptet hätte, das was wir heute wissen in Sachen Totalüberwachung, sei Realität. Sie hätten den Betreffenden gnadenlos zum abgedrehten Vollidioten gestempelt und der Lächerlichkeit preisgegeben.
Die Reaktion der Heute Show war umgehend und professionell. „Dass ausgerechnet wir einen TV Clip so geschnitten zeigen, dass er eine junge Frau als Rechtsextreme erscheinen lässt, die sich seit Jahren gegen Rassismus engagiert, hätte nie passieren dürfen“ schreibt Moderator Oliver Welke auf der Facebook-Seite der Sendung und entschuldigt sich ausdrücklich bei dem Opfer. Das ist eine gute Reaktion, aber das „ausgerechnet wir“ darin ist doch etwas fragwürdig, wenn man es verstehen soll als ‚ausgerechnet wir mit unseren hohen Standards der Fairness‘. Zu lesen ist es aber wohl in dem Sinne ‚ausgerechnet wir, die wir uns so gern – und zwar direkt nach dem manipulierten Clip – über unsere (Medien-) Kritiker lustig machen.‘ So erklärt sich dann auch die selbstkritische Einräumung Welkes, diese Sendung sei „Wasser auf die Mühlen der Menschen, die ohnehin davon überzeugt sind, dass die Medien notorisch lügen und manipulieren.“ Hoffentlich bewirkt dieser Skandal nicht nur, dass die Macher der Heute Show künftig besser aufpassen, wenn sie harmlose Leute der Lächerlichkeit preisgeben, sondern auch, dass sie sich ein paar mehr Gedanken darüber machen, wozu politische Satire da ist, und wofür nicht. Der Kalauer rechtfertigt nicht immer die Mittel.
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