Das Gericht schreibt in seinem Beschluss vom 23.2. Aktenzeichen: (4 L 210/22.DA):
„Der Antragsteller wurde am 7. September 2021 mit dem Impfarzneimittel COVID-19 Vaccine Janssen (…) geimpft. Er erhielt infolgedessen vom Robert Koch-Institut ein entsprechendes digitales COVID-Impfzertifikat ausgestellt. Bis zur Veröffentlichung auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts (www.pei.de/impfstoffe/covid-19) vom 15. Januar 2022 war unter den dort dargestellten „Anforderungen für den vollständigen Impfschutz mit einem Impfstoff“ für das „COVID-19 Vaccine Janssen (…) die „Anzahl Impfdosen für die vollständige Impfung“ mit „1“ ausgewiesen. Ab dem 15. Januar wird für den entsprechenden Impfstoff die „Anzahl Impfdosen für die vollständige Impfung“ mit „2“ angegeben. Der (…) Antragsteller verlor damit durch die neuerlichen Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts vom 15. Januar 2022 am selben Tage seinen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nr. 3 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung [im Folgenden mit SchAusnahmV abgekürzt]).
Nach derzeit geltender Rechtslage in den Bundesländern ist der Impfnachweis (neben dem Genesenennachweis) aber Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen und sozialen Leben in vielen Bereichen.“
Zunächst sieht es gut aus für Norbert Häring:
„Das Gericht ist zunächst im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens der Auffassung, dass § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 voraussichtlich unwirksam ist, da die darin enthaltene dynamische Verweisung (…) an das Paul-Ehrlich-Institut – im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut – hinsichtlich der Bestimmung, wann ein Impfnachweis im Sinne der SchAusnahmV vorliegt, die gesetzgeberische Ermächtigung der Bundesregierung zum Verordnungserlass aus § 28c Satz 1 IfSG überschreitet und damit gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verstößt. (…) Darüber hinaus – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – teilt das erkennende Gericht die Bedenken des Verwaltungsgerichts Hamburg und des Verwaltungsgerichts Ansbach (VG Ansbach, Beschl. v. 11.2.2022 – AN 18 S 22.234 -, BeckRS 2022, 1734) gegen die Wirksamkeit des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot sowie die Bedenken des Verwaltungsgerichts Hamburg gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis.
Nach alledem erweist sich § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 als unwirksam. Damit sind zugleich die Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts vom 15. Januar 2022 hinsichtlich des Erfordernisses einer zweiten Impfung mit dem
verfahrensgegenständlichen Impfstoff für einen Impfnachweis im Sinne der SchAusnahmV unwirksam.“
Aber dann:
„Aus den gleichen Gründen, die zur Unwirksamkeit des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 führen, ist jedoch ebenso § 2 Nr. 3 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 unwirksam, sodass der Antragsteller sein Begehren auch hierauf nicht mit Erfolg stützen kann. (…)
Infolge der Unwirksamkeit des § 2 Nr. 3 SchAusnahmV sowohl in der Fassung vom 14. Januar 2022 als auch in der Fassung vom 8. Mai 2021, fehlt es an einer gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Bestimmung darüber, wann im Sinne des § 28c Satz 1 IfSG bei einer Person infolge einer Impfung „von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist“. Denn § 28c IfSG selbst trifft dazu, ebenso wie die übrigen Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, keine inhaltlichen Vorgaben, sondern überträgt deren Ausgestaltung vielmehr der Bundesregierung als Verordnungsgeberin. Der Antragsteller kann seinen Anordnungsanspruch auch nicht auf eine sonstige gesetzliche oder verordnungsrechtliche Rechtsgrundlage stützen. Eine solche ist nicht ersichtlich.
Ist eine wirksame Rechtsgrundlage nicht vorhanden, ist es dem Gericht aus Gründen der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) verwehrt, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Nach § 28c Satz 1 IfSG hat der Gesetzgeber die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können, Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten nach dem fünften Abschnitt des IfSG oder von aufgrund der Vorschriften im fünften Abschnitt des IfSG erlassenen Geboten und Verboten zu regeln. Erweisen sich die verordnungsrechtlichen Bestimmungen – wie hier – als unwirksam, kann das Gericht diese nicht einfach ersetzen. Das Gericht ist dahingehend nach Art. 20 Abs. 3 GG schlicht nicht befugt, eigene Kriterien für die Bestimmung eines Impfnachweises, wie etwa die erforderliche Anzahl von Impfdosen für eine Immunisierung eines bestimmten Grades oder die Gültigkeitsdauer eines Impfnachweises, aufzustellen.“
Die sich geradezu aufdrängende Möglichkeit, § 28c IfSG ebenfalls für ungültig zu erklären, bis die erkennbar notwendigen Ausnahmeregelungen vom prinzipiellen Ausschluss aller Bürger vom sozialen Leben rechtsgültig vorliegen, erörtert das Gericht nicht. Stattdessen:
„Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist.
Die Anwälte des Bundesgesundheitsministeriums sind zwar mit keinem ihrer Argumente durchgekommen, aber ihre grundsätzliche Idee, hat sich durchgesetzt: durch die Delegation und Subdelegation des Grundrechtsentzugs, haben die Bürger keine Instanz mehr, der gegenüber sie ihre Grundrechte zurückfordern können, egal ob die Gesetze und Verordnungen vor Gericht Bestand haben oder nicht.
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Nachtrag 26.2. Verwaltungsgerichte Schleswig und Berlin
Auf etwas anderem Weg ist das Verwaltungsgericht Schleswig zum gleichen Ergebnis gekommen. Die Regelung sei wohl verfassungswidrig, Aber das Gericht sehe sich nicht in der Lage, selbst zu bestimmen, wie viele Impfungen mit welchem Impfstoff für den Status vollständig geimpft nötig sind. Dagegen hat das Verwaltungsgericht Berlin einer Klägerin recht gegeben und sie wieder in den Stand der Geimpften gesetzt, die die meisten ihrer Grundrechte ausüben dürfen.