Gute Antideutsche, böse Antideutsche: Eine gänzlich ausgewogene Einführung für Schüler und Lehrer

Von den wenigen, die nicht regelmäßig diesen Blog lesen, wissen viele gar nicht, was Antideutsche sind. Die Bundeszentrale für politische Bildung will diese Wissenslücke beseitigen. Ein langjähriger Linksextremistenverfolger des Verfassungsschutzes klärt Schüler und Lehrer auf über gute Antideutsche und böse Antideutsche.

Politisch wirkungsmächtig werden die Antideutschen vor allem durch ihren beträchtlichen einschüchternden Einfluss innerhalb der Linkspartei und innerhalb der Grünen. Dort bezeichnen sie Redner bei Friedensdemonstrationen und Mahnwachen in sozialen Meiden hartnäckig als „rechtsoffen“ oder gar antisemitisch, oder als Antiamerikaner. Zunehmend unterwandern und durchsetzen sie auch politisch stärker auf ein Thema fokussierte Gruppen wie die Veganer und Tierschützer oder die Gender-Queer-Aktivisten um deren Vertreter von der Beteiligung an Veranstaltungen abzuhalten, die sie als antiamerikanisch, antisemitisch oder rechtsoffen klassifiziert haben.

Die Bundeszentrale für politische Bildung ist eine Behörde des Innenministeriums. Sie soll unter anderem Schüler und Lehrer staatstragend politisch bilden. Es gibt viele gute Texte auf ihrer Website. Manche davon durfte ich selber schreiben, etwa zu Ceta und TTIP oder zur Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank. Diese stehen jeweils im Format „Debatte“. Es gibt also eine Gegenposition. Das vorherrschende Format der Bundeszentrale ist jedoch der ausgewogen informierende Text. In diesem Standardformat klärt Rudolf von Hüllen über Antideutsche Strömungen im deutschen Linksextremismus auf. Der ehemalige Leiter des Referats Linksextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz definiert zwei Wurzeln der Bewegung. Die erste ist ein starkes Anti-Nazi-Sentiment:

„Als 1989/90 die deutsche Einheit auf der politischen Agenda erschien, bildeten sich ‚antideutsche‘ bzw. ‚antinationale‘ Gruppen, die ein ‚IV. Reich‘ befürchteten. Sie unterstellten, dass einem Streben der Deutschen nach Wiedervereinigung zwangsläufig ein imperialistischer Ausgriff und ein Vernichtungskrieg gegen fremde Ethnien folgen müsse.“

Die bösen Antideutschen

Mit dem, was aus dieser rechtsfeindlichen, im engeren Sinne antideutschen Wurzel spross, ist er schnell fertig:

„Jahre später hatte die ‚antideutsch‘ akzentuierte Agitation paranoide und bisweilen groteske Züge angenommen. ‚Antideutsche‘ Autonome agitierten beispielsweise bei Gedenktagen zur Bombardierung Dresdens im Frühjahr 1945 mit Parolen wie ‚Keine Träne für Dresden‘ und ‚Deutsche Täter sind keine Opfer‘. Zynisch forderten sie mit Blick auf den alliierten Protagonisten der Flächenbombardements im zweiten Weltkrieg: ‚Bomber-Harris – do it again!‘“

Lauter Durchgeknallte also. Kleines Apercú dazu: Eine Vertreterin der überwiegend vom Staat finanzierten Amadeu-Antonio-Stiftung der früheren Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane sorgte jüngst für Aufruhr (ausführlich und ausgewogen bei Meedia nachzulesen), weil sie einen Bomber-Harris-Spruch twitterte: „Sauerkraut, Kartoffelbrei, Bomber Harris, Feuer frei!“ Auch ihren Gefühlen der Abneigung gegen manche Politiker ließ sie ungewöhnlich freien Lauf („verlogenes Arschloch“, „anspucken“). Von der Mitautorin einer staatlich geförderten Broschüre gegen Hassrede im Netz kommend, wurde das weithin als problematisch empfunden. Wir erfuhren im Nachgang jedoch, dass es sich nicht um Hassreden handelt, wenn man den Einwohnern einer ansonsten nicht diskriminierten Stadt wie Dresden den Tod wünscht. Hassrede gibt es nach antideutschem Verständnis immer nur gegen Minderheiten und Diskriminierte. Die Bundesregierung sah sich trotzdem zu einer wenigstens verbalen Distanzierung genötigt.

Die guten Antideutschen

Aus der zweiten geistigen Heimat der Antideutschen ist dagegen nach Ansicht van Hüllens überwiegend Gutes gesprossen. Das ist die Zuneigung zu Israel:

„Eine zweite Wurzel der ‚antideutschen‘ Position lag im Entsetzen über die Gleichgültigkeit linksextremistischer ‚Friedensdemonstranten‘ gegenüber irakischen Raketenangriffen auf Israel während des Golfkrieges im Winter 1991. Ein Teil des zerfallenden ‚Kommunistischen Bundes‘ und die linksextremistische Monatszeitschrift ‚Konkret‘ schwenkten auf einen ‚bellizistischen‘ Kurs: Sie befürworteten nunmehr die Militäraktion der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak aus einer pro-israelischen und damit glaubwürdig antifaschistischen Position heraus. Den herkömmlichen ‚Antiimperialismus‘ mit seiner ‚antizionistischen‘ und latent antisemitischen Fassade lehnten sie ab.“

Van Hüllen klärt nebenher, durch klugen Einsatz von Anführungszeichen, darüber auf, dass „Friedensdemonstranten“ nicht wirklich für den Frieden sind. „Antiimperialisten“ sind nicht wirklich gegen Imperialismus. „Antizionisten“ sind in Wahrheit Antisemiten. „Bellizisten“ sind nicht wirklich Kriegstreiber. In seiner „Würdigung“ am Schluss macht van Hüllen klar, wie gut er es findet, dass die Antideutschen die „linksextreme“ Szene aufmischen. Mit „linksextrem“ meint von Hülle näherungsweise alles, was er links von der SPD verortet, einschließlich der Partei Die Linke oder dieser nahestehende „traditionsstalinistische“ Blätter wie „junge Welt“. In einem anderen Beitrag der Bundeszentrale zu linksextremen Medien stellt er klar, dass die Einstufung als „linksextrem“ mit verfassungsfeindlich gleichzusetzen ist.

Man könnte das als absurd übersteigert abqualifizieren, aber das wäre ungerecht. Der Mann hat 19 Jahre, den größten Teil seines Berufslebens für den Verfassungsschutz nach Beweisen für die Verfassungsfeindlichkeit linker Individuen und Gruppen gefahndet. Diese Aufgabe hätte er ohne eine Art inneres Vergrößerungsglas für alles was nicht ausdrücklich der freien Marktwirtschaft huldigt, unmöglich wahrnehmen können. Immerhin ließ dieser Verfassungsschutz bis 2013 die Abgeordneten der Linkspartei und ihres Vorläufers pauschal als Verfassungsfeinde einstufen und überwachen, bis das Bundesverfassungsgericht einschritt. Getreu dieser pflichtschuldig eingeübten, und vom Verfassungsgericht erst nach seinem Ausscheiden als grundgesetzwidrig bezeichneten Auslegung von „linksextrem“, würdigt van Hüllen das Wirken der Antideutschen unter den „Linksextremen“. Es sei eine Hinwendung zu einem verfassungskonformen Eintreten für die Dritte Welt und eine Abkehr von den Verirrungen des „Antiimperialismus“ und der Verherrlichung indigener Befreiungskämpfe. Und weiter:

„Der Impuls dieser Strömung konfrontiert den traditionellen Linksextremismus mit seiner realen Verbrechensgeschichte und legt zudem die dort fest verankerten doppelten Standards zu Menschenrechtsverletzungen in den Aktionsfeldern ‚Antiimperialismus‘ und ‚Antifaschismus‘ bloß. Denn schließlich ist es ein gravierender Unterschied, ob man sich wie die israel-solidarischen ‚Antideutschen‘ mit der einzigen gefestigten Demokratie im Nahen Osten oder wie die ‚Antiimperialisten‘ mit Terroristen von der PFLP bis zur Hamas solidarisiert.“

Wenn von den Antideutschen Angegriffene sich wehren, dann entlarven sie sich für van Hüllen selbst. So etwa das Neue Deutschland, als es 2014 den antideutschen Agitatoren „kriegerische Hetze“ und „Linkenhass“ vorwarf. Damit lenke die Zeitung ab davon, dass in „linksextremistischen Zusammenhängen traditioneller Antiimperialismus und antisemitisch gefärbter ‚Antizionismus‘ außenpolitische Positionen nach wie vor maßgeblich mitbestimmen können.“

Ausgewogenheit bleibt gewahrt

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Bundeszentrale 2010 zur „Ausgewogenheit und rechtsstaatlichen Distanz“ ermahnt hat, ist der Beitrag van Hüllens nicht zu beanstanden. Zugegeben: entgegen einem oben schon genannten anderen Verdikt des Bundesverfassungsgerichts stuft er pauschal eine große Partei, ihre Politiker und ihre Medien  als verfassungswidrig und linksextrem ein. Aber darum geht es ja in dem Beitrag nicht hauptsächlich. Was das Hauptthema angeht, so macht van Hüllen über weite Strecken seines Aufsatzes ausgewogen deutlich, dass der Baum „Antideutsche“ zwei unterschiedlich zu bewertende Wurzeln hat, dass neben süßen antilinken Früchten auch manch Ungenießbares, Antideutschnationales darauf wächst. Erst ganz zum Schluss lässt er ganz zart durchscheinen, dass diese Bewegung, alles in allem, das Beste ist, was aus Sicht eines anti-liberalen, linkenhassenden Verfassungsschützers seit dem Radikalenerlass passiert ist.

Offenlegung: Ich hatte einen kleinen Disput mit Vertretern antideutschen Gedankenguts, nachdem man mir wegen der Nutzung des Wortes „Ostküste“ in einem Buch Antisemitismus vorwarf. Erst in diesem unerquicklichen Zusammenhang lernte ich Begriff, Bedeutung und politische Funktion von „antideutsch“ kennen. Ich bin also keineswegs ein neutraler Beobachter. Auch muss ich bekennen, dass ich mich über die relativ fest in antideutscher Hand befindliche Antifa anlässlich einer Pro-Bargeld-Demo schon einmal in despektierlicher Weise lustig gemacht habe. Ich käme also als Autor eines ausgewogenen Artikels zu diesem Thema – anders als Herr van Hüllen – kaum in Frage.

Änderungshinweis: Im letzten Satz habe ich „extremistisch“ durch „antiliberal“ ersetzt, weil es das Gemeinte klarer macht

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