Europa schützt die Steuerzahler“, lautete die Schlagzeile einer großen überregionalen Zeitung, „EU-Banken müssen sich künftig selbst retten“ eine andere, „Wie die EU den Bankensprengsatz entschärft“ eine dritte. Der Grund für die Euphorie? EU-Kommission, EU-Parlament und Mitgliedstaaten haben sich Mitte März in einer Marathonsitzung auf einen Banken- abwicklungsmechanismus geeinigt. Der Wahrheitsgehalt der Behauptungen lässt sich leicht prüfen. Wenn sich die jüngere Vergangenheit
wiederholen sollte – wenn die Liquiditätsschwemme der Notenbanken also neue Blasen an den Märkten aufblähen sollte, die irgendwann platzen – sind wir als Steuerzahler dann gegen neue Multi-Milliardenlasten gefeit?
Die Politiker versprechen es uns – schließlich wird es für solche Fälle bald einen Abwicklungsfonds geben, den die Banken selbst füllen. Und gleichzeitig wachen nicht mehr die Nationalstaaten über die großen Banken , sondern die Europäische Zentralbank (EZB) zusammen mit den nationalen Notenbanken.
Nehmen wir großzügig an, ein neuer Flächenbrand würde erst in acht Jahren passieren – wenn der Fonds für Pleitebanken gefüllt ist. Dann stehen 55 Milliarden Euro zur Verfügung, in heutiger Kaufkraft vielleicht 45 Milliarden. In der letzten Krise haben die Staaten 1,6 Billionen Euro in die Banken gepumpt. Bei einer künftigen Krise dieser Größenordnung können also nur stolze drei Prozent der nötigen Rettungsmittel aus dem Bankenfonds gedeckt werden.
Bevor die Steuerzahler dran glauben müssen, sollen erst die Aktionäre und Gläubiger der Banken haften. Für acht Prozent der Schulden! Denkt man an das Grundprinzip der Marktwirtschaft, wonach mit der Gewinnchance aus dem Eigentum und der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt auch die Gefahr einhergehen sollte, sein Eigentum zu verlieren, dann wirkt die Gläubiger- und Eigentümerbeteiligung in dieser mickrigen Form eher wie eine Regelung zur Begrenzung der Gläubiger- und Eigentümerbeteiligung.
Bekämen wir noch einmal den Schaden vom letzten Mal, und die Banken müssten wegen ihrer Systemrelevanz gerettet werden, so wären abzüglich des Bankenrettungsfonds noch 97 Prozent des Schadens abzudecken und von diesen 97 Prozent hätte 92 Prozent der Steuerzahler zu übernehmen. Das sind knapp neun Zehntel.
Man kann den Vergleich auch anders aufziehen. Die 55 Milliarden des Rettungsfonds, die für ganz Europa reichen sollen, entsprechen dem Doppelten dessen, was allein die Rettung der spanischen Bankia, gekostet hat. Und solche Fälle gab es viele in Europa, auch noch weit teurere.
Aber wird eine neuerliche Krise nicht unwahrscheinlicher, wenn die EZB die Banken überwacht? Nein. Denn es war dieselbe EZB, die vor der Krise anstandslos die Kreditexzesse der Banken finanziert hat. Und die große Mehrheit der nationalen Zentralbanken war bereits vor der letzten Krise für die Bankaufsicht mitzuständig – und hat dabei versagt. Wir haben von den Zentralbanken fast nichts darüber gehört, wie sie den nächsten Kreditboom rechtzeitig beenden wollen.
Schließlich soll künftig supranational entschieden werden, welche Pleitebank nach welchen Kriterien abgewickelt oder gerettet wird. Schaut man sich die in Brüssel gelobte Vorgehensweise in den USA an, wo viele Banken geschlossen wurden, so braucht man kein Hellseher zu sein, um vorauszusagen, dass in einer Bankenkrise die kleineren Banken geschlossen und die großen, systemrelevanten Zockerbanken gerettet werden.
All das nährt den Verdacht, dass es vor allem darum geht, bei der nächsten Bankenkrise in die tieferen Taschen des europäischen Steuerzahlers greifen zu können. Denn trotz der lächerlichen Beträge des gemeinschaftlichen Abwicklungsfonds wurde – und das ist das Wichtige an der Einigung – ein Grundsatz etabliert: Rettungsmilliarden für Banken bringt Europa künftig gemeinsam auf, wahrscheinlich über den Rettungsschirm ESM. Und zwar nicht erst in acht Jahren, sondern schon bald nach der Europawahl.
Aber vielleicht ist das ja ein unvermeidlicher Preis für den Euro. So jedenfalls sieht es EZB-Chef Mario Draghi. Im Oktober in einer Rede an der Harvard Universität hat dieser erläutert, dass die Bankenunion unentbehrlicher Bestandteil der Vervollkommnung der Währungsunion sei.
Denn, so die bemerkenswerte Einräumung Draghis, nur ein kleiner Bruchteil des Geldes werde von der Zentralbank geschaffen. Das meiste sei dagegen Geschäftsbankengeld. Daraus folgert der EZB-Chef: „Damit Geld innerhalb einer Währungsunion wirklich einheitlich ist, müssen seine verschiedenen Formen voll austauschbar sein.“ Ein Euro-Bankguthaben in einen Euro-Land müsse jederzeit austauschbar sein gegen ein Guthaben in einem anderen Euro-Land. „Der einzige Weg, das zu erreichen bestehe darin, Unterschiede im Bankensystem zu beseitigen, die Fragmentierung entlang von Staatengrenzen hervorrufen können“. Dass dies der einzige Weg sei, ist die Behauptung, die aus seinen bis dahin richtigen Ausführungen eine Propagandalüge zugunsten seiner Bankenschützlinge macht.
Denn es ist weder der einzige Weg, noch der Beste, noch überhaupt ein wirkungsvoller Weg. Dann damit alle Formen des Geldes austauschbar sind, müssen Bankeinlagen nicht nur untereinander austauschbar sein, sondern auch jederzeit mit Bargeld austauschbar sein. Letzteres ist nur der Fall, wenn Staat und Notenbank jederzeit garantieren, dass die Banken auch immer alle Kunden-Guthaben in Bargeld umtauschen können, auch wenn sehr viele Kunden gleichzeitig dies verlangen. Da es sehr viel mehr Bankeinlagen gibt, als die Banken Zugriff auf Bargeld haben, können sie das ohne staatliche Hilfe nicht garantieren.
Wenn Staat und Zentralbank ohnehin für alles Geld haften müssen, auch für das Bankengeld, dann ist die offensichtliche Lösung, die Haftung und Kontrolle zusammenbringt, dass der Staat die Geldbereitstellung in eigener Regie erledigt. Dann wäre die Einheitlichkeit des Geldes garantiert, ohne dass Verluste der Banken per Bankenunion europaweit sozialisiert werden, während die Gewinne privat bleiben. Eine einfache Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, dass unsere Giroguthaben bei den Banken unser Eigentum bleiben, so wie ein Anteil an einem Fonds, anstatt zu einem unfreiwilligen Kredit an die Bank zu werden.
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