Die Heuchelei und Verlogenheit der europäischen und vor allem deutschen Politiker beim Thema Flüchtlinge hat die Grenzen dessen, was man noch unter normalen politischen Opportunismus einordnen kann, weit hinter sich gelassen. An die Spitze der unmenschlichen Zyniker setzt sich unser Innenminister. Er verunglimpft die Schwächsten, um sie opfern zu können.
Nachdem die Bundeskanzlerin alle Flüchtlinge dieser Welt und alle die sich dafür ausgeben wollen, eingeladen hat nach Deutschland zu kommen, nachdem man Sonderzüge und Busse an die Außengrenzen geschickt hat, um sie dort abzuholen, schlägt ihr nun der Volkszorn entgegen und sie muss ihre Absetzung durch die CDU oder ihre Abwahl 2017 befürchten. Und worauf verfällt ihr glückloser Innenminister. Er will Griechenland zu einem riesigen Internierungslager für Flüchtlinge umfunktionieren, indem dessen nördliche Landgrenzen auf dem Weg zur EU mit Stacheldraht und Frontex-Soldaten abgeriegelt werden. Denn Griechenland, mit seinen hunderten Inseln, oft in Sichtweite vom türkischen Festland, kann man unmöglich gegen Flüchtlinge abschotten, wenn man diese nicht ertränken will.
Allerdings sähe es ein klein bisschen unsolidarisch aus, Griechenland, das man jahrelang mit dem Flüchtlingsproblem völlig allein gelassen hat, wegen seiner ungünstigen Geographie derart rabiat gegenüber der EU abzuriegeln. Also muss das mit massiven und vielstimmigenSchuldzuweisungen gegen Griechenland vorbereitet werden, damit die Öffentlichkeit denkt, die unzuverlässigen Griechen hätten sich das mal wieder selbst eingebrockt. Der Vorwurf ist so absurd und trotzdem so vielstimmig, dass ein abgestimmter Plan dahinter unverkennbar ist.
Und so liest man denn, nicht nur bei der „Welt“ aus Brüssel:
„Die Geduld mit Griechenland ist zu Ende
In der Flüchtlingskrise wächst der Druck auf Athen. Das Land müsse beim Schutz der EU-Außengrenzen ’seine Hausaufgaben machen‘, so Bundesinnenminister de Maizière. Andernfalls drohen harte Sanktionen.“
Schwedens Innenminister Anders Ygeman assistiert und sagte mit Blick auf die angeblich mangelnde Sicherung der EU-Außengrenzen durch Athen: „Wenn ein Land seine Pflichten nicht erfüllt, müssen wir seine Verbindungen zum Schengenraum begrenzen.“ Auch Monika Hohlmeier, die CSU-Innenexpertin wird mit dem Wissen zitiert:: „Die Geduld der EU mit Griechenland ist zu Ende. Die Aussetzung von Schengen für Griechenland ist ein reales Szenario.“
Übergangslos fährt die „Welt“ mit der Beschreibung des „Rückstaus auf dem Balkan“ fort, wo 2000 Migranten in Nordgriechenland in eisiger Kälte um ihr Leben kämpfen müssten, weil sie aufgrund der Abriegelung der Nordgrenze durch Mazdonien nicht weiter kommen. Ob das jetzt auch die Schuld der Griechen sein soll, bleibt unklar. Dabei ist offenkundig, dass das eine direkte Folge der neuen EU-Politik nach de Maizières Gefallen ist. Und so macht die „Welt“ denn auch weiter mit der Feststellung:
„In Brüssel setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die EU-Außengrenze maßgeblich in Mazedonien verteidigt werden muss. Die Logik ist: Je weniger Flüchtlinge das kleine Land durchlässt, desto mehr lässt der Druck auf Staaten wie Deutschland, Schweden und Österreich nach.“
Dazu verlässt man sich auf den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, den man vorher zum antieuropäischen Unmenschen hochstilisiert hatte, weil er was gemacht hat? Seine Grenzen gesichert. Inzwischen lässt man ihn aber gänzlich in Ruhe, ja heimlich hofiert Brüssel ihn. Mehr als 10.000 Rollen Stacheldraht und rund 16.000 Betonpfeiler habe Budapest für die Abschottung Griechenlands bereits geliefert. Offenbar will die EU-Kommission willige EU-Länder auch dafür bezahlen, wenn sie Mazedonien mit Grenzbeamten aushelfen.
Denn bis die EU-Grenzschutzagentur Frontex in Mazedonien auflaufen kann, um Griechenland zu isolieren, dauert es noch ein bisschen. Denn bisher seien Frontex-Operation auf dem Gebiet eines Drittlandes nicht gestattet, heißt es. Aber wenn die Mitgliedsländer die Pläne der EU-Kommission für eine gemeinsame Europäische Grenz- und Küstenschutzagentur demnächst billigen, macht uns die „Welt“ Hoffung, wäre künftig auch ein Frontex-Einsatz in Mazedonien möglich.
In dem ganzen langen Artikel steht nirgends, dass jemand konkrete Vorschläge machen würde, wie denn die Hausaufgaben Griechenlands beim Schutz seiner Grenzen und damit der EU-Außengrenzen konkret aussehen sollen. Soll die griechische Küstenwache unmittelbar an den türkischen Stränden patrouillieren und so einen Krieg zwischen zwei Natostaaten heraufbeschwören? Sollen sie die Flüchtlingsboote versenken? Sollen sie Asylbewerber rechtswidrig abschieben, damit wir das nicht tun müssen?
Ach ja, im österreichischen „Standard“ von Anfang Dezember kann man unter der Überschrift „Griechenland droht Rauswurf aus der Schengen-Zone“ nachlesen, worüber die EU erbost ist, worin die mangelnde Kooperationsbereitschaft Athens besteht:
„Vor kurzem hatte die Regierung in Athen 400 Frontex-Mitarbeiter abgelehnt, die an der Grenze zu Mazedonien hätten patrouillieren sollen.“
Es geht also nicht darum, dass Griechenland verhindern soll, dass die Flüchtlinge nach Griechenland einreisen. Griechenland soll verhindern und sich beim Verhindern helfen lassen, dass sie wieder ausreisen, jedenfalls nicht in die EU. Mit anderen Worten: Griechenland ist selbst schuld daran, dass es jetzt zwangsweise in ein Internierungslager für Flüchtlinge umgewandelt werden muss, weil es sich geweigert hat, sich freiwillig zum Internierungslager für Flüchtlinge umwandeln zu lassen.
Mit solchem verantwortungslosen Tun und Reden schlägt man den Tausenden Griechen mitten ins Gesicht, die trotz der schweren Depression im eigenen Land selbstlose Hilfe leisten um Flüchtlinge zu retten und zu versorgen. Irgendwo muss die zynische Volksverdummung und Volksverhetzung doch an eine natürliche Grenze stoßen, sollte man meinen. Aber diese Grenze, wenn es sie gibt, ist offenbar völlig ungesichert und wird nach Belieben verschoben.
Dieses Europa ist unseres Einsatzes wirklich nicht mehr wert. Wer will denn ein solches Europa, in dem es keinerlei Solidarität gibt und ohne Zögern die schwächsten Mitglieder erst gemeinsam gemobbt und dann zum Abschuss freigegeben werden? ich verzichte dankend.
P.S. Bei Spiegel-Online, wo immerhin die bösartige Absurdität der Vorwürfe gegen Griechenland durchscheint, erfährt man darüber hinaus noch schockiert, die Innenminister hätten bei ihrem Treffen in Amsterdam auch einen Vorschlag der EU-Kommission beraten, die Frontex-Truppen auch gegen den Willen eines Mitgliedsstaats, also Griechenlands, auf dessen Gebiet einzusetzen. Der bisher nur für besonders misstrauische oder paranoide (je nach Sichtweise) Naturen erkennbare interne Kolonialismus der EU wird jetzt schon ganz offen zur Schau gestellt.
PPS. Prägnant bringt es auch Lost In EUrope auf den Punkt: https://lostineu.eu/griechenland-ist-schuld-schon-wieder/