Der britische Ökonomieprofessor Mark Blyth, Erfolgsautor von „Wie Europa sich kaputtspart“, hat von der Friedrich Ebert Stiftung den Hans-Matthöfer-Preises für Wirtschaftspublizistik verliehen bekommen. Er nutzte die Preisverleihung, um den vielen anwesenden Sozialdemokraten ins Gewissen zu reden, weil sie sich in Sachen Europapolitik gebärden wie eine neoliberale Partei zum Schutz von Gläubigerrechten. Hier eine
Übersetzung interessanter Passagen (am Ende kommt noch ein bisschen Martin Sonneborn, zur Ergänzung):
„Was wir in den letzten 30 Jahren getan haben, war, ein Gläubigerparadies zu errichten, mit positiven Realzinsen, niedriger Inflation, offenen Märkten, klein-gemachten Gewerkschaften und einem Staat auf dem Rückzug – alles überwacht von nicht-gewählten Technokraten in Zentralbank und anderen ungewählten Institutionen, die nur ein Ziel haben: dieses Gläubigerparadies weiterexistieren zu lassen. Warum würden man, als durchschnittlicher Arbeiter, in so einer Welt jemals eine Lohnerhöhung bekommen? Ist es denn ein Wunder, dass die Ungleichheit überall ein Thema ist? In Europa spielt sich das auf nationaler Ebene ab und auf der internationalen Ebene zwischen Gläubigerstaaten (gut) und Schuldnerstaaten (schlecht), wobei jeweils das Recht des Gläubigers geschützt und das Mantra ‚Schulden müssen beglichen werden‘ respektiert werden muss… Es ist eine tiefe Ironie, dass die europäischen Sozialdemokraten sich zu Recht große Sorgen machen, wegen des Investorenschutzes im geplanten transatlantischen Investitionsvertrag mit den USA, und gleichzeitig ohne mit der Wimper zu zucken die Durchsetzung genau des gleichen Gläubigerschutzes gegenüber ihren europäischen Partnern verlangen – für das Geld, das sie ihnen ‚geliehen‘ haben, um das eigene Bankensystem vor den Folgen seiner falschen Kreditentscheidungen zu bewahren… Etwas läuft furchtbar schief, wenn die Sozialdemokratie denkt, das sei in Ordnung. Es ist nicht in Ordnung. Denn es stellt sich die Grundsatzfrage: ‚Wofür bist du, wenn du für dieses bist?‘ Die deutschen Sozialdemokraten… stehen heute da, als die Mitvollstrecker eines Gläubigerparadieses. Ist es wirklich das, was Ihr sein wollt? Die jüngere europäische Geschichte hat schon oft aufgrund der Entscheidungen der SPD eine Wendung genommen. Dies ist einer dieser Momente… Es kommt darauf an, dass Ihr Eure Stimme wiederfindet, nicht nur Eure geschichtliche Erinnerung. Eure Stimmenprozente gehen nicht nach unten, weil Ihr die CDU nicht genug nachahmt. Sie gehen nach unten, weil es keinen Grund gibt, Euch zu wählen, wenn Ihr das tut.“
Wie versprochen, noch ein bisschen Martin Sonneborn hinterher, aus einem sehr lesenswerten Interview mit der Schweizer Sonntagszeitung.
„Die Vision eines friedlichen Europas wurde vorgeschoben. Aber niemand kritisiert den Widerspruch zwischen den europäischen Idealen und der konkreten Politik, die Brüssel macht. Nicht einmal die SPD hat hierzu einen Position. Es wird eine Politik für die Wirtschaft betrieben. An der ungleichen Verteilung des Wohlstands ändert sich nichts. Das ist das Wesen des Euro.“
Auch über den europäischen Obersozi, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, auch „Mister Tacheles“ genannt, der sich gegenüber Griechenland als besonders robuster Vollstrecker der Gläubigerinteressen profilieren wollte, hat er Interessantes zu sagen:
„Es ist spaßig, dass ein Mann die EU organisiert, dessen größte politische Leistung es war, seiner Heimatstadt Würselen ein Spaßbad zu spendieren, das die Stadt dann praktisch ruiniert. Aber da ich ja keine Ausländer in europäischen Führungspositionen will, begrüße ich, dass Schulz es ist.“