Ein Bahnkunde bat das Bahn-Management von dem Plan abzurücken, Menschen ohne Smartphone und solche, die sich der Datenkrake DB Navigator nicht anvertrauen wollen, vom Erwerb einer BahnCard auszuschließen. Dies unter Verweis darauf, dass er seit Jahrzehnten treuer Bahn- und BahnCard-Kunde ist und wie Millionen andere kein Smartphone nutzt.
Die Bahn antwortete in reinstem Marketingsprech, bei dem alles Schwierige und Negative in etwas falsch-positiv Klingendes umformuliert wird. Das Schlüsselwort Smartphone kommt darin nicht vor:
Bereits seit 2015 gibt es zusätzlich zur physischen BahnCard, die digitale BahnCard. Sie wird von mehr als der Hälfte unserer BahnCard-Kundschaft – altersübergreifend – genutzt. Mir ihr profitieren Reisende von vereinfachten Prozessen. So ist die digitale BahnCard beispielsweise sofort über alle Vertriebskanäle verfügbar. Durch die Voraussetzung eines bahn.de Kundenkontos können Nutzende zudem Ihre BahnCard bequem selbst verwalten, sowie Anpassungen an persönlichen Daten vornehmen. Ist die digitale BahnCard einmal in der App DB Navigator hochgeladen, ist sie immer und überall dabei und kann nicht mehr verloren gehen.
Wir als Deutsche Bahn möchten nun einen weiteren Schritt gehen. Seit dem 10. Dezember 2023 bieten wir die Probe BahnCard 25/50, mit ihrer kurzen Laufzeit von drei Monaten, rein digital an. Für das zweite Halbjahr 2024 planen wir, dann auch unsere Jahresprodukte BahnCard 25/50 rein digital anzubieten. Damit profitieren BahnCard-Nutzende von einem rein digitalen Produkterlebnis und reisen zukünftig ausnahmslos klimafreundlich und plastiklos.
Die Hinweise haben wir zur internen Auswertung in unserem System erfasst und den verantwortlichen Fachbereichen zur Verfügung gestellt.
Wir legen viel Wert auf die Meinungen unserer Kundinnen und Kunden. Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, uns zu schreiben.“
Was der Autor des, mit Kommafehlern und fehlenden Bindestrichen gesprenkelten Formschreibens eigentlich sagen will (und sich zu sagen verkneift), klänge in normaler, nicht marketing-verlogener Sprache so:
‚Seit neun Jahren bieten wir nun schon die digitale BahnCard auf freiwilliger Basis an, aber nur gut die Hälfte der Kunden nutzt sie. Die größere Bequemlichkeit zieht offenbar bei vielen Millionen Kunden nicht genug als Argument. Deshalb sehen wir uns gezwungen (und als Monopolist auch in der Lage), diese Kunden in die digitale Variante zu zwingen und den Verkauf der physischen BahnCard einzustellen. So können wir sie nötigen, alle Verwaltungsarbeit rund um die BahnCard selbst zu erledigen. Wenn es Sie trösten sollte: wenn Sie sich ein Smartphone angeschafft haben, um weiter Kunde bleiben zu dürfen, können Sie ihre BahnCard nicht mehr verlieren. Sie müssen nur noch aufpassen, dass Sie ihr Smartphone nicht verlieren (was uns Arbeit machen würde) und dass der Akku immer geladen ist. Und Sie dürfen zur Klimarettung beitragen, indem sie mehrere Gramm Plastik einsparen (auch wenn das Smartphone, das wir ihnen aufzwingen aus einer Vielzahl seltener und sehr umweltschädlich gewonnenen Materialien besteht und im Zug alles um Sie herum aus Plastik ist).
Ihren Brief haben wir digital gespeichert, sodass die zuständigen Fachabteilungen darauf zugreifen könnten (was sie natürlich nicht wollen). Eine Antwort bekommen Sie nur von uns, den Marketing-Nicht-Fachleuten. Leider haben wir bei der Bahn wegen der Vielzahl der Beschwerden über unser kundenfeindliches Agieren keine Zeit, uns mit Ihrem Anliegen zu beschäftigen, das uns ohnehin egal ist, wie Sie aus unserem Handeln unschwer ersehen können. Deshalb müssen Sie mit diesem Formschreiben vorliebnehmen, das nicht auf ihr Anliegen eingeht.‘
Die Bahn-Manager wissen genau, dass ihr machtmissbräuchliches Tun hochgradig unpopulär bei den Kunden ist, weshalb sie es nach Kräften verschleiern. Auf der Netzseite der Bahn ist unter Probe-BahnCard eine physische BahnCard abgebildet, gültig ab 1.1.2024. Probe-BahnCards gibt es aber seit 10. Dezember gar nicht mehr zu kaufen. Eine Abbildung der BahnCard aus der App DB Navigator wird es wohl geben, aber die Bahn täuscht lieber mit der abgeschafften physischen Version und schafft dafür sogar die Abbildung einer nicht mehr existenten aktuellen Version davon.
Letztverantwortlich für das machtmissbräuchliche, kundenverachtende Gebahren des Bahnmagements sind die Vertreter des Aktionärs Bund im Aufsichtsrat, insbesondere:
- Susanne Henckel, Staatssekretärin im FDP-geführten Bundesministerium für Digitales und Verkehr,
- Michael Sven Puschel, Leiter der Abteilung Bundesfernstraßen im FDP-geführten Bundesministerium für Digitales und Verkehr,
- Bernd Reuther, MdB (FDP),
- Anja Hajduk, Staatssekretärin im grün geführten Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz,
- Stefan Gelbhaar, MdB (Grüne),
- Dorothee Martin, MdB (SPD).
Zum Glück müssen deren Parteien sich im Herbst 2025 zur Wahl stellen und werden Umfragen zufolge deutlich weniger Mandate zu besetzen und Staatssekretärs- und Abteilungsleiterposten zu vergeben haben, als nach der letzten Wahl, im Fall der vorrangig für die Missstände verantwortlichen FDP vielleicht gar keine mehr. Das sollte ihre Aufnahmebereitschaft für Kritik beflügeln.