Atlantic Council wird von eigenem Autor als diffamierende Propagandaschleuder entlarvt

Die einflussreiche, regierungs- und konzernnahe US-Lobbyorganisation Atlantic Council, hat den Bericht eines Wissenschaftlers über die angeblichen „Trojanischen Pferde des Kremls“ in Deutschland nachträglich manipuliert. Das sorgte für Aufruhr unter den Transatlantikern. Jetzt wurde die Manipulation teilweise rückgängig gemacht, mit recht kuriosen Folgen.

Im November 2016 hatte ich folgendes über den Bericht „The Kremlin’s Trojan Horses“ geschrieben, genauer: zu dem von Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik verfassten Teil zu Deutschland:

Man könnte meinen, der deutsche Autor dieses Kapitels, Stefan Meister, habe bös geschludert. Wolfgang Gehrcke wird fälschlicherweise zum stellv. Fraktionschef der LINKEN befördert, Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht dafür zum einfachen Mitglied des Bundestags (MdB) degradiert, MdB Andrej Hunko wird in der Tabelle zum einfachen Parteimitglied heruntergestuft. Plausibler scheint, dass Wagenknecht, und wohl die ganze Tabelle, in einer Spätphase in Washington eingefügt wurden. Im Text Meisters wird Wagenknecht nämlich gar nicht genannt. Aber irgendjemand meinte wohl, sie gehört da mit rein. Nur mit Gehrcke und Hunko, die keiner kennt, wäre auch in der Tat schwer zu rechtfertigen gewesen, dass man die Linkspartei in der Europakarte der Putin-Freunde so prominent berücksichtigt.

Der Text avancierte zu einem der meistgelesenen auf meinem Blog. Es ging um eine Tabelle in dem Deutschland-Teil, die übersichtsartig alle deutschen Trojanischen Pferde des Kremls und den Grund für ihre Aufnahme auflistete. Meine Vermutung hat sich nun bestätigt. Folgendes ist in einem aktuellen Aufsatz der Bundeszentrale für politische Bildung über den „Informationskrieg in Deutschland? Zur Gefahr russischer Desinformation im Bundestagswahljahr“ zu lesen:

Für Aufsehen und viel Kritik sorgte vor allem eine Tabelle, die einem Artikel von Stefan Meister über die russischen Verbindungen nach Deutschland hinzugefügt worden war. In dieser wurden angebliche „Trojanische Pferde“ aufgelistet, also vermeintliche pro-russische Schlüsselakteure des Kremls in Deutschland, die sehr pauschal gleichermaßen in der AfD, in der SPD und im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ausgemacht wurden. In einem Interview mit der Deutschen Welle distanzierte sich Meister von der Überschrift und der Tabelle, die dann auf sein Bitten hin nachträglich entfernt wurde.

In der hier verlinkten neuen Fassung ist die Tabelle nicht mehr drin. Einen Änderungshinweis konnte ich nicht finden. Das wäre dem Council, der laut Bundeszentrale „In den vergangenen Jahren in mehreren europäischen Ländern Konferenzen mit dem Schwerpunkt ‚Russische Propaganda‘ organisierte und finanzierte“, dann vielleicht doch zu peinlich gewesen. Meister hatte guten Grund, sich von der Überschrift des Reports zu distanzieren, der seinem Text eine Schärfe gibt, die er für sich genommen nicht hat. Verstärkt wurde das noch durch das Vorwort, das für die in diesem Bericht behandelten Politiker und Manager auch noch die alternative Kennzeichnung als russische Einflussagenten und ähnliche Schmähungen einführt. Auch das ist in Meisters Text zu Deutschland nur diffus impliziert, aber bei weitem nicht so krass und explizit diffamierend hingeschrieben.

Wagenknecht ist raus, Gabriel bleibt drin

Sahra Wagenknecht zählt nun nicht mehr unter die russischen Einflussagenten in Deutschland, Sigmar Gabriel und – mit Einschränkungen – Frank-Walter Steinmeier aber sehr wohl. Nicht herausgenommen wurde die ebenfalls sehr eigenwilige Landkarte mit den kremlhörigen Parteien in Europa. Dass die Karte bleib, liegt wohl daran, dass sie nicht im Deutschlandteil steht. Für Deutschland sind in diese Karte nur DIE LINKE und die AfD eingezeichnet, was nicht ganz zum Text von Meister passen mag. Denn der verwendet auf die in der Karte nicht aufgeführte SPD drei lange Absätze, auf DIE LINKE nur einen eher kurzen. (Absatz am 24.5. korrigiert, N.H.)

Offenbar hat die Diskussion um das üble Propagandapamphlet, das die Atlantic-Council-Zentrale in Washington aus den bereits recht russophob aufgesetzen Texten von Meister und Anderen gemacht hat, für einigen Wirbel in der transatlantischen Gemeinde gesorgt. Jedenfalls fällt die Distanzierung Meisters deutlicher aus, als man dies in Kenntnis seiner Auftragsarbeit für den Atlantic Council erwarten sollte. Folgendermaßen wird das Dementi im Bericht der Bundeszentrale zitiert bzw. beschrieben:

‚Der Atlantic Council verfällt immer wieder in eine Kalte-Kriegs-Rhetorik und fährt auf der Schiene freie Welt gegen russische Geheimdienste‘, sagt Meister heute über die Organisation, die er für ideologisch getrieben hält. Tatsächlich gehe das Vorgehen des Councils ‚an der Realität deutsch-russischer Beziehungen völlig vorbei‘, da es Washington an Verständnis für den eigenen Charakter dieser Beziehungen fehle.

Immerhin sind in den Gremien des Atlantic Council auch Deutsche wie Wolfgang Ischinger und Thomas Enders (Airbus). Ich kann mir vorstellen, dass sie sich (ebenso wie Meister) wenig begeisterte Kommentare von den deutschen Wirtschaftsgrößen anhören mussten, die wegen ihrer Aktivitäten im Ostausschuss als Einflussagenten Moskaus gebrandmarkt wurden, von Gabriel und Steinmeier ganz zu schweigen, oder von Gerhard Schröder, der mit Balken über den Augen neben Marine Le Pen das Cover des Berichts ziert.

Wer sich die Mühe machen will und sich nicht zu leicht ekelt, ist eingeladen, die „Studie“ des Atlantic Council zu lesen. Man wird feststellen, dass Meisters Text zu Deutschland auch ohne die Manipulation durch die hinzugefügte Tabelle sehr tendenziös im Sinne der Auftraggeber ist. Er ergibt nur Sinn in einem implizit transportierten Weltbild, das Russland als Feindesland betrachtet, mit dem man keine Kontakte haben darf, ohne sich schuldig oder zumindest verdächtig zu machen. Für mich mutet es daher sehr seltsam an, wenn es im Text der Bundeszentrale heißt: „Meister warnt davor, durch die US-amerikanische Brille auf Russland zu blicken.“

Ich danke Uwe Krüger und Paul Schreyer für den Hinweis auf den Text der Bundeszentrale und auf die deutschen Organmitglieder des Atlantic Council.

Britischer Kläger offenbar außergerichtlich erfolgreich

P.S. (24.5.) Der britische Geschäftsmann und Sponsor der Brexit-Kampagne, Arron Banks, hat sich gegen die Diffamierung durch den Atlantic Council im Februar  durch Einleitung einer Klage gewehrt. In der neuen Fassung von „The Kremlin’s Trojan Horses“ ist eine Tabelle nicht mehr enthalten, in der er als pro-russischer Schlüsselakteur aufgeführt war. Änderungshinweis: soweit ich sehen kann Fehlanzeige. Einziger Hinweis: „3rd Edition“, also dritte Ausgabe, steht vorne, allerdings mit unverändertem Datum „November 2016“, was erstaunt, da Banks erst im Februar 2017 die Klage angedroht hat.

Änderungshinweis (24.5.): In der ersten Fassung dieses Beitrags hatte ich irrtümlich geschrieben, nur DIE LINKE sei in der Europakarte der pro-russischen Parteien für Deutschland eingezeichnet. Tatsächlich wird dort auch die AfD genannt.

Link zur ersten Ausgabe von „The Kremlin’s Trojan Horses“ vom 15.11.2016. Leider nicht sehr lesefreundlich.

Auch zum Thema:

Trojanische Pferde des Kremls: Atlantic Council bläst zur Hatz auf Gabriel, Wagenknecht und Gauland

McCarthy reloaded: Washington Post enttarnt einflussreiche Medien als russische Propagandaorgane

Das Einmaleins des Pharisäertums: Anwendbar auf Putin, Orban, Erdogan, Griechen etc.

[23.5.2017]

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