Ich habe keine verlässlichen Informationen, was da tatsächlich gelaufen ist, zwischen den USA, FTX und der Ukraine. Ich kann dazu nur wiedergeben, was es an halbwegs plausiblen Spekulationen gibt. Dazu gehört, dass über FTX zusätzliche Militärhilfe aus dunklen Kanälen in die Ukraine geflossen sein könnte, von der niemand erfahren sollte. Und die öfter gelesene, aber für mich weniger plausible Hypothese, dass die ukrainische Regierung mit Hilfsgeldern auf FTX spekuliert hat. Oder die Hypothese, dass über den FTX-Kanal neben Spenden auch andere Geldströme abgewickelt und verschleiert worden sein könnten, die an andere Empfänger gingen. Elon Musk mit seinen 115 Mio. Twitter-Followern bezeichnete das als „eine Frage, der es sich lohnt, nachzugehen“. Der Gründer und Chef von FTX, Sam Bankman-Fried, war der zweitgrößte private Spender der US-Demokraten.
Was ich beitragen kann, ist der Hinweis auf einen gemeinsamen Partner sowohl von FTX als auch vom ukrainischen Digitalisierungsminister und stellv. Ministerpräsidenten, Mikhailo Fedorov – als ein vielleicht hilfreiches kleines Puzzlestück zur Rekonstruktion des rätselhaften Vorgangs.
Mikhailo Fedorov ist Mitglied der Klasse von 2022 der Young Global Leaders des Weltwirtschaftsforums, einem ausgesprochen einflussreichen Club der größten internationalen Konzerne der Welt.
Mit den Young Global Leaders „kultiviert“ das Weltwirtschaftsforum „kollektive und individuelle Führungsfähigkeiten um bei der Entwicklung informierter, visionärer globaler Veränderungsagenten (change-makers) zu helfen.“ Die Anzahl der miteinander vernetzten aktuellen und ehemaligen Young Global Leader, zu denen viele der einflussreichsten ehemaligen und aktuellen Regierungschefs und Minister gehören, geht in die Tausende. Angela Merkel gehört ebenso dazu, wie die derzeitigen Regierungschefs von Kanada, Justin Trudeau, und Neuseeland, Jacinda Ardern.
Den Einfluss des vom Deutschen Klaus Schwab geleiteten Weltwirtschaftsforums kann man leicht an den Dutzenden der wichtigsten Regierungschefs ablesen, die ihm jedes Jahr in Davos ihre Aufwartung machen. Auch beim derzeitigen Ostasiengipfel st Schwab zu Gange.
Das Ministerium des stolzen und mit 30 Jahren besonders jungen Global Leaders Fedorov hat im März den Deal mit FTX geschlossen. Dabei sollte FTX Krypto-Spenden in traditionelle Währungen tauschen und an die ukrainische Nationalbank überweisen.
Sam Bankman-Fried war im Mai ein Redner auf dem Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos.
Seine Firma FTX hatte beim Weltwirtschaftsforum eine Seite als „Partner“. In den Tagen seit dem Zusammenbruch von FTX und der Flucht von Bankman-Fried hat das Forum alle Erwähnungen von FTX von seinen Netzseiten gelöscht. Aber in Web-Archiven sind sie natürlich noch da.
Gut möglich, dass das Forum mal wieder seine dicken Finger mit drin hatte und einen sehr schattigen Deal eingefädelt hat.
Konkurrent Binance und die Ukraine
Interessanter Weise mischt der größte Wettbewerber von FTX, Binance, offenbar auch irgendwie mit im Ukraine-Spiel. CEO und Gründer Changpeng Zhao (cz) twitterte am 7.11., dass er sich mit Digitalisierungsminister Fedorov getroffen habe um über eine Reihe neuer Projekte zu sprechen:
„At Web Summit 2022, @cz_binance was joined by Mykhailo Fedorov, Minister of Digital Transformation in Ukraine, to discuss a range of new projects, and what we can expect in the future.“
Kurz vorher hatte Zhao öffentlich gemacht, dass Binance seine FTX-bezogenen Investments auflösen werde und gab damit FTX den finalen Stoß. Einen Tag nach dem Treffen, am 8.11. kündigte er an, FTX übernehmen zu wollen, was er am 10.11. wieder zurücknahm, weil die Probleme von FTX zu groß seien. (Änderungshinweis: Dieser Abschnitt wurde im Lauf des 15.11. ergänzt.)