Das Pentagon sucht Unternehmen, die ihm helfen, die Bevölkerungskontrolle zu perfektionieren

24. 04. 2025 | Die Behörde des US-Verteidigungsministeriums für Forschungsförderung beklagt in einer aktuellen Ausschreibung, dass das Verhalten der Bevölkerung trotz Auswertung riesiger Datenmassen noch nicht völlig vorhersehbar ist. Private Unternehmen sollen helfen.

DARPA, die Defense Advanced Research Projects Agency (Behörde für Spitzenforschungsprojekte der Verteidigung), ist die Abteilung des Pentagon, die spitzentechnologische Projekte der privaten Wirtschaft fördert, die für das Militär von Interesse sind — mit einem jährlichen Etat von mehreren Milliarden Dollar.

Eine aktuelle Einladung an Unternehmen, sich um DARPA-Förderung zu bewerben, hat es in sich. Der schöne Titel MAGICS steht für „Methodological Advancements for Generalizable Insights into Complex Systems“, auf deutsch etwa: Methodologische Fortschritte in Richtung verallgemeinerungsfähiger Einsichten in komplexe Systeme. Die am 8. April veröffentlichte Ausschreibung DARPA-EA-25-02-05 wird (wohl etwas dauerhafter) in Kurzform im Magazin Military-Aerospace Electronics beschrieben.

Die gute Nachricht für uns liegt in der einleitenden Feststellung der DARPA, dass sich die „Annahme und Hoffnung“ bisher nicht erfüllt hat, „dass die explosionsartige Zunahme digitaler Datenströme (z. B. soziale Medien, Kaufverhalten, Verkehrsdynamik usw.) in Verbindung mit leistungsfähigen Werkzeugen des Maschinenlernens es ermöglichen werde, das Verhalten einer Bevölkerung verlässlich vorherzusagen. Das Problem für die Militärs liegt darin, dass es sich bei menschlichen Gesellschaften um komplexe, dynamische, sich entwickelnde Systeme“ handelt.

Die schlechte Nachricht besteht darin, dass das Pentagon entschlossen ist, dieses Problem zu lösen. Das US-Militär strebt ausweislich dieser Ausschreibung die vollständige Vorhersagbarkeit und damit Steuerbarkeit der Bevölkerung der USA und wohl auch anderer Länder an.

Übersetzt in verständliche Sprache besteht das Hindernis darin, dass es sich bei Gesellschaften (noch) nicht um soziale Maschinen handelt, in denen das gegenseitige aufeinander Einwirken und Zusammenwirken  der Teile so reglementiert ist, dass das Ergebnis vorhersehbar ist. Stattdessen handelt es sich um organische Systeme, die sich auf prinzipiell unvorhersehbare Weise entwickeln, weil die Individuen so viele Handlungsweisen zur freien Verfügung haben, dass ihr Zusammenwirken selbst mit den leistungsfähigsten Computern und größten Datenmengen nicht auszurechnen ist.

Eine problematische Handlungsmöglichkeit der Individuen liegt darin, mit ihrem Handeln darauf zu reagieren, was diejenigen, die ihr Verhalten messen und prognostizieren wollen, anstellen. Ein anderes Problem entsteht daraus, dass die Menschen ihr Denken und Verhalten ändern können. Zusammenfassend beschreibt DARPA die Forschungsfrage so:

„Gibt es neue Methoden und Paradigmen für die Modellierung kollektiven menschlichen Verhaltens, die in der Lage sind, die Grenzen statistischer Ansätze zu überwinden, um komplexe soziale Phänomene genau vorherzusagen und die Dynamik sich entwickelnder, offener, zeitlich variierender, rekursiver, reaktiver, nicht-ergodischer Systeme zu erfassen?“

Das Militär möchte, dass die Forscher einen sehr umfasenden Ansatz verfolgen. Sie sollen theoretische und empirische Ansätze verfolgen und dabei Disziplinen wie Psychometrie, Verhaltenswissenschaft, Datenwissenschaften und Maschinenlernen integrieren. Das soll das Militär in die Lage versetzen, menschliches Verhalten mit größerer Genauigkeit und in feinerer Abstufung vorherzusagen.

Die Frustration der Militärs darüber, dass sie trotz aller Überwachungsmaßnahmen der NSA und der riesigen Datenmengen, die bei den IT-Konzernen auflaufen und ihnen zur Verfügung stehen, noch weit entfernt davon sind, die Bevölkerung kontrollieren zu können, ist ebenso verständlich wie verräterisch. Sie ist verräterisch, weil sie offenbart, was das totalitär anmutende Ziel der Militärs ist. Es geht ihm nicht darum, als Diener der Bevölkerung deren von dieser selbst definiertes kollektives Interesse zu wahren, und sie davor zu beschützen, von organisierter Gewalt  unterjocht zu werden. Stattdessen arbeitet es an dem Technokratentraum, alle Teile der Bevölkerung so in eine soziale Maschine einzupassen, dass ihr Denken, Fühlen und vor allem Handeln sich in den engen Bahnen bewegt, die für das reibungslose Funktionieren der Maschine verträglich sind.

Verständlich ist die Frustration, weil trotz der intensiven Maßnahmen zur Informationskontrolle und Verhaltensmanipulation, trotz der Tatsache, dass das Individuum weitgehend gläsern geworden ist, die Gesellschaft insgesamt erratische, nicht vorhersagbare und kontrollierbare Volten vollführt – indem sie etwa Donald Trump nach einer Pause ein zweites Mal zum Präsidenten wählt. Waren gestern noch Schulstreiks und Straßenblockaden für das Klima en vogue und schien die nach Mann und Frau getrennte Toilette vom baldigen Aussterben bedroht, feiert morgen schon transfeindliche Repression fröhliche Urständ und „Klimaschützer“ wird zum Schimpfwort. Eine Militärmacht, die sich als für den ganzen Globus zuständig betrachtet, hat es mit sehr vielen Bevölkerungen zu tun, die immer wieder mit unvorhersehbaren Gegenreaktionen auf Versuche der Verhaltens- und Gefühlslenkung reagieren.

Wie lässt sich ein Erfolg verhindern?

Schön wäre es, wenn die Militärs und die Technokraten im Silicon Valley und in den Hauptstädten von selbst einsähen, dass es der Natur des Menschen widerspricht, als im Detail gelenktes Teil einer Maschinerie bloß zu funktionieren. Über diese Unvereinbarkeit helfen den Menschen irgendwann auch noch so viel Bequemlichkeit und noch so viele mehr oder weniger nützliche Dinge nicht hinweg, die die Maschine ihnen bietet. Solange die Menschen noch Menschen sind, werden sie dagegen aufbegehren.

Leider ist es aber alles andere als gewährleistet, dass aus einem erfolgreichen Aufbegehren eine Verbesserung folgt. Noch regiert der Glaube an die Effizienz zentraler Steuerung auf sehr hoher Ebene. Die Kosten, die das in Form stark eingeschränkter autonomer Handlungsmöglichkeiten von Individuen und überschaubaren Gruppen notwendigerweise mit sich bringt, werden entweder nicht gesehen, oder den Fehlleistungen oder bösen Intentionen bestimmter Regierender zugeschrieben. Dasselbe gilt für die Konflikte und die Polarisierung, die es unvermeidlich mit sich bringt, wenn sich viele Millionen sehr unterschiedliche Menschen auf einheitliche Ziele und Maßnahmen einigen müssen. Solange der Glaube an die Effizienz zentraler Steuerung vorherrscht, besteht immer die große Gefahr, dass die gegen die Elite Revoltierenden sich hinter einem starken Mann versammeln, der ihnen explizit verspricht, die verhasste Maschine zu zerschlagen, in der Hoffnung, dass er dafür eine bessere errichten werde.

Wenn wir als Gesellschaft etwas ändern, aber diese Falle vermeiden wollen, dürfen wir uns nicht darauf konzentrieren, irgendwo an der Spitze einen Machtwechsel herbeizuführen. Wir sollten mindestens ebenso viel Energie darauf verwenden, unseren Kommunen und unseren selbstgewählten Gemeinschaften mehr Autonomie zu verschaffen und uns selbst mehr Mitwirkungsmöglichkeiten durch direkte Demokratie. Regionale und institutionelle Unterschiede, die auf unterschiedlichen Präferenzen beruhen, dürfen wir nicht länger als Problem begreifen, sondern als Bereicherung. Die Schweiz kann dabei als Vorbild dienen. Nicht von ungefähr ist die politische Polarisierung dort viel weniger ausgeprägt als in Deutschland, Österreich und den meisten anderen europäischen Ländern.

Die zunehmende Entmachtung der Nationalstaaten durch internationale Großkonzerne im Verbund mit technokratisch-globalistischen Organisationen wird zwar inzwischen weithin sehr kritisch gesehen. Die Rückbesinnung auf den Nationalstaat sollte aber nicht mehr als ein Zwischenschritt zu einer noch stärkeren Dezentralisierung der Macht sein. Denn in großen, zentralistisch regierten Nationalstaaten herrscht wegen der Bürgerferne fast notwendig die Technokratie. Im durch Kofinanzierung und zentrale Vorgaben entkernten Föderalismus wie in Deutschland ist das nicht anders. Historisch ist die nationalstaatliche Regierungsform vor allem durch unbändiges Streben der Regierenden aufgefallen, ihre Macht nach außen und nach innen zu erweitern, nicht zuletzt durch das Militär.

Wenn wir dem Pentagon und den von dort geführten Militärs der NATO zuvorkommen und ihnen die Suppe versalzen wollen, ist daher das beste Rezept, die hoheitliche Macht zu dezentralisieren und wieder unter die Kontrolle der Bürger zu bringen.

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