Warum Investoren-Schiedsgerichte ein übler Aprilscherz sind – auch für Deutschland

Vor kurzem schrieb ich darüber, wie der internationale Schiedsrichter George Kahale aus dem Nähkästchen plauderte. Es ging u.a. darum, welche Art von windigen bis gefälschten Belegen die Investorenanwälte den Schiedsgerichten vorlegen (dürfen). Ein Beispiel, das er erwähnte, ließ ich aus, um es erst nachzurecherchieren. Es ist kaum zu glauben, aber wahr. Eine Tragikkomödie mit besorgniserregender Verbindung zu einer Milliardenklage gegen Deutschland.

Ein ausländischer Investor klagte vor einigen Jahren gegen Venezuela vor einem Schiedsgericht auf Schadensersatz. Bei den üblichen Dreiertribunalen wird ein Schiedsrichter vom Kläger, einer vom Beklagten und einer gemeinsam bestimmt. Der Kläger beantragte den von Venezuela bestimmten Schiedsrichter wegen fehlender Unabhängigkeit abzulehnen. Hauptargument: Dieser Schiedsrichter (m/w) habe in der Vergangenheit schon zu viele Mandate von Venezuela und verbundenen Staaten – in diesem Fall Bolivien –  gehabt.

Und jetzt wird’s richtig witzig und traurig. Der Klägeranwalt (m/w) berief sich auf einen Bericht, wonach Venezuela und Bolivien, beschlossen hätten, sich zu einem Staat zusammenzuschließen. Deshalb seien die früheren Mandate des angegriffenen Schiedsrichters von Bolivien und Venezuela zusammenzuzählen. Weder die Tatsache, dass die beiden Länder ziemlich weit entfernt voneinander liegen, noch dass der entsprechende Medienbericht vom  Vorabend des 1. April stammte, veranlasste den Klägeranwalt, genauer zu lesen. In dem lesenswerten Aprilscherz stand unter anderem, dass ein Sprecher der FIFA große Möglichkeiten für das vereinte Fußballteam sehe. Er gehe davon aus, dass das neue Land Bolizuela einen geteilten Kader bilden werde. Die eine Mannschaftshälfte werde bei Turnieren im Flachland spielen, wo Venezuela stark sei. Der andere Kader könne bei Hochland-Turnieren spielen, wo Bolivien unschlagbar sei.

Besonders spaßig auch die angebliche Lösung für das Problem, wer Staatspräsident werden dürfe: Man habe sich auf wochenweise Rotation geeinigt. In der einen Woche wäre Hugo Chavez für Inneres zuständig, Evo Morales für Äußeres, zum Beispiel dafür, die US-Regierung zu beschimpfen. In der nächsten Woche kehre sich das dann um. Allerdings habe sich Chaves das Recht ausbedungen, die USA in jeder Woche beschimpfen zu dürfen.

Um das Problem der Auswahl des Nationalvogels zu umgehen, bildeten die beiden Regierungen dem Bericht zufolge eine binationale Kommission der besten Genetiker. Diese sollte eine Kreuzung der beiden Nationalvögel hervorbringen.

Und so geht das weiter. In einem späteren Brief wies der Klägeranwalt das Tribunal darauf hin, dass der zuvor angeführte Beleg für das geplante Zusammengehen von Venezuela und Bolivien falsch war. Stattdessen brachte er andere windige Belege für eine sehr enge Beziehung der beiden Länder bei. Das Tribunal war damit nicht zu überzeugen.

Das alles ist eine Weile her. Bedenklich aus deutscher Sicht ist allerdings, dass Medienberichten zufolge, eben dieser gewissenhafte Anwalt des Klägers von damals heute die Bundesregierung anwaltlich vertritt, um die Klage eines Investors auf mehrere Milliarden Euro Schadenersatz abzuwehren. Man kann nur hoffen, dass er dazugelernt hat.

Ich nenne hier nicht den Namen und verlinke nicht auf die entsprechenden Dokumente und Berichte, um die betreffende Anwaltsperson nicht unnötig in der breiten Öffentlichkeit zu desavouieren. Aber die Wichtigkeit des Themas Investoren-Schiedsgerichte und die Höhe der Klagen, auch gegen Deutschland, die von solchen Mickymaus-Gerichten  ohne vernününftige Revisionsmöglichkeit verhandelt werden, lässt es mir geboten erscheinen, diese Farce zu schildern.

Schiedsverfahren für Investoren: Ein führender Schiedsrichter plaudert aus dem Nähkästchen

[30.7.2018]

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