Helge Peukert.* Viele Menschen fanden es fragwürdig, dass Autokonzerne dreistellige Subventionen für Kurzarbeit jüngst per Dividende an die Aktienbesitzer weitergeleitet haben. Noch viel fragwürdiger ist das grundsätzliche Geschäftsmodell dieser Konzerne, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch nicht aufgegeben haben.
Daimler gibt in seinem Nachhaltigkeitsbericht an, dass ein Pkw, wenn man die Emissionen aus Herstellung, Entsorgung und Nutzung zusammenrechnet, bei einer Lebensdauer von zehn Jahren und einer jährlichen Fahrleistung von 20.000 Kilometern rund 50 Tonnen CO2 verursacht. Weltweit produzierten die Stuttgarter 2019 rund 3,3 Millionen Fahrzeuge. Hierdurch wurden demnach der Erde in nur einem Jahr Emissionen von 165 Millionen Tonnen beschert.
Die anderen Premiumanbieter legen ähnliche Zahlen vor. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2019 insgesamt 805 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Die Emissionsvermeidung durch erneuerbare Energien von 165 Millionen Tonnen entspricht genau den Emissionen durch Daimler-Pkws.
Leider ist die E-Mobilität ein umweltpolitischer Irrweg. Der Klimavorteil von E-Autos tritt nach frühestens zehn Jahren ein, das Durchschnittsalter der deutschen Fahrzeugflotte liegt nur bei acht Jahren.
Es zeichnen sich verheerende Umweltfolgen der Lithium-Gewinnung in den peruanischen Hochanden ab. Wäre die Hälfte der hiesigen Pkw-Flotte batteriegetrieben und führe eine Stunde pro Tag, würde sich allein dadurch der tägliche Verbrauch an elektrischer Energie um 70 Prozent erhöhen. Es ist völlig unklar, woher der grüne Strom für die E-Mobilität kommen soll.
Ein desaströser Nebeneffekt der subventionierten Anschaffung von E-Autos besteht in sinkenden Preisen für Gebrauchtwagen und höheren Exporten in Länder wie Bulgarien und Nigeria. Dort werden die Katalysatoren ausgebaut und extra verkauft. Sofia hält auch dank deutscher Gebrauchtwagen den Spitzenplatz an Luftverschmutzung der Hauptstädte Europas.
Die EU betreibt mit E-Autos massiv Augenwischerei. Sie werden für die Berechnung der Flottenemissionen der Hersteller nicht nur viel zu niedrig mit null Gramm gewertet, sondern dank Supercredit gleich doppelt gezählt. So gleicht ein einziges E-Auto auf dem Papier die hohen Emissionen zweier gewinnträchtiger SUVs aus und drückt den Durchschnitt unter den Grenzwert. Durch diesen Rechentrick vermeidet man das Eingeständnis, dass Privat-Pkws nicht mit dem Pariser Klimaschutz-Abkommen vereinbar sind.
Ein Modell, auf dem sich ein alternatives Mobilitätssystem aufbauen ließe, bietet die Türkei mit dem landesweiten Dolmus-Sammeltaxisystem. Es wäre zu ergänzen durch ein geringfügiges Carsharing.
Im Fünfminuten-Takt könnten Kleinbusse, die auf Handzeichen anhalten, kostengünstig bis in die letzten Winkel der Republik fahren: Kaum Tote und Schwerverletzte, weniger Lärm und Flächenverbrauch, keine privaten Anschaffungskosten und weniger Feinstaub durch Reifenabrieb wären die Vorteile. Die Subventionen sollten für kontinuierliches Befahren ländlicher Regionen vorbehalten sein.
*Helge Peukert ist Professor für Plurale Ökonomik an der Universität Siegen.