3. 01. 2021 | Das Geschäftsmodell der großen Datensammler hat mit freien Märkten wenig zu tun. Es unterminiert den marktwirtschaftlichen Austausch auf breiter Basis, argumentiert Katharina Pistor in diesem Gastbeitrag. Die Preisfindungsfunktion des Marktes spiele dabei fast keine Rolle.
Katharina Pistor.* Wenn vom Handel mit Daten die Rede ist, dann ruft das die Assoziation eines Marktes hervor. Diese Assoziation ist falsch, weil der Preisfindungsmechanismus des Marktes allenfalls für kleine Teile der Datenökonomie eine Rolle spielt.
Das Sammeln von Daten erfolgt ohne Austausch; es ist eine einseitige Aktion, die (von personenbezogenen Daten abgesehen) nicht der Zustimmung des Datenproduzenten bedarf. Während bei gewöhnlichen Gütern eine Aneignung ohne Zustimmung leicht als Diebstahl qualifiziert werden kann, verletzt der Datensammler nicht die physische Kontrolle über ein Gut.
Die Auferlegung von Zustimmungsanforderungen für personenbezogene Daten ist ein Versuch des Gesetzgebers, ein Austauschelement in den Erhebungsprozess einzuführen. Aber solange das Sammeln ohne Einwilligung nicht aktiv überwacht und sanktioniert werden kann und die Einwilligung selbst nur ein automatischer Klick ist, bleibt es eine Pseudo-Einwilligung.
Es gibt nicht nur keine Markttransaktion an der Quelle, das heißt zwischen den Datenproduzenten und den Datensammlern, auch die Beziehung zwischen Datenkontrolleuren und ihren Klienten kann man kaum als Markt bezeichnen. Diese Kontrolleure realisieren den wirtschaftlichen Wert von Daten nicht dadurch, dass sie die aggregierten Daten zu einem höheren Preis weiterverkaufen, sondern, indem sie die Vorhersagekraft der Daten verkaufen.
Ihre Klienten kaufen diese Vorhersagekraft von Monopolisten und haben in der Regel keine Möglichkeit, einen Preisvergleich zu machen. Jede Datenanwendung ist einzigartig und erlaubt es dem Verkäufer, Preise ohne Markttest festzulegen.
Und schließlich wird in der Beziehung zwischen den Klienten der Datensammler und den Abnehmern von deren Waren und Dienstleistungen die Rolle des Marktes entscheidend geschwächt. Denn wenn die Verkäufer Vorhersagen über das Verhaltensmuster der Kunden erworben haben, werden die Waren und Dienstleistungen nicht mehr durch den Mechanismus von Angebot und Nachfrage verkauft, sondern an die Kunden, deren künftiges Verhalten für den Verkäufer am vorhersehbarsten und damit am besten kommerziell ausbeutbar geworden ist.
Da sich der Wert von Daten durch die Verarbeitungs- und Analysekapazität des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen bestimmt, wohnt der Datenökonomie die Tendenz zur Monopolisierung inne. Denn diese Kapazität hängt sehr stark von der Menge der bereits erfassten Daten und der Kontrolle über den Zugang zu den Daten ab. Wer hier einen großen Vorsprung hat, muss kaum noch Konkurrenz fürchten.
Kurz gesagt: Beim Geschäft mit Daten geht es in erster Linie um Kontrolle, denn nur die Kontrolle über riesige Datenmengen kann gewinnbringend ausgebeutet werden. Beim Geschäft mit Daten geht es nicht um Märkte. Es geht um Hierarchie.
*Katharina Pistor ist Rechtsprofessorin an der Columbia-Universität in New York.
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