Nachdem die EZB 2020 angekündigt hatte, ernsthaft über die Einführung eines digitalen Euro nachzudenken, war es eine Weile ziemlich ruhig. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Denn jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die EU-Kommission hat im Frühjahr angekündigt, schon im ersten Vierteljahr 2023 einen Gesetzentwurf vorzulegen und die EZB hat am 16. September bekannt gegeben, dass sie gemeinsam mit fünf Privatunternehmen die Gebrauchstauglichkeit eines digitalen Euro testet.
Was ist ein digitaler Euro?
So etwas wie digitale Euro gibt es schon lange, wenn man unsere in Euro denominierten Giroguthaben bei Banken als „Euro“ bezeichnet, wie das üblich ist. Ganz korrekt ist es nicht, denn die Giroguthaben sind nur Schulden der Banken bei uns. Es sind Verpflichtungen, uns jederzeit auf Verlangen Bargeld auszuzahlen. Aber weil man auch direkt mit diesen Bankschuldscheinen (digital) bezahlen kann, und zwar dank staatlicher Regulierung immer zum Kurs 1 zu 1 zum Euro, werden sie ebenso Euro genannt wie Bargeld. Digitales Zentralbankgeld, im Euroraum kurz digitale Euro genannt, sind dagegen kein Geschäftsbankengeld, sondern von der EZB herausgegebenes Geld auf gleicher rechtlicher Stufe wie Bargeld – jedenfalls dann, wenn die EU sie mit einem Gesetz, an dem die EU-Kommission arbeitet, zu einem weiteren gesetzlichen Zahlungsmittel neben Euro-Bargeld erklärt.
Was wird mit wem getestet?
Die EZB hat fünf private Unternehmen und Verbände ausgewählt um erste Tests mit dem E-Euro durchzuführen und diesen alltagstauglich zu machen. Dafür passen diese ihre Benutzeroberflächen an die Technik der Digitalwährung an, um sie verarbeiten zu können. Jeder der neuen Partner bekam einen Schwerpunkt definiert. Amazon ist für den klassischen Online-Handel zuständig.
Die weiteren Partner und ihre Schwerpunkte sind die spanischen Caixa-Bank (Online-Zahlungen von Kunde zu Kunde), die französische Bezahlplattform Worldline (Offline-Zahlungen von Kunde zu Kunde), die italienische Bank Nexi (Zahlungen am Verkaufspunkt auf Inititiative des Gläubigers) und die European Payments Initiative (EPI), ein Zusammenschluss von Banken und Kreditinstituten (Zahlungen am Verkaufspunkt auf Initiative des Zahlers). (Änderungshinweis 29.9.: Die Schwerpunkte von Nexi und EPI waren in der Ursprungsversion dieses Beitrags leider vertauscht.)
Anfang 2023 will man die Tests mit den Partnern abgeschlossen haben und die Ergebnisse veröffentlichen. Weitere Testphasen mit anderen Unternehmen sollen folgen. Geplant ist die Einführung des digitalen Euro bisher für 2026.
Seit Oktober 2021 hat die EZB bereits einen 30-köpfigen Beraterstab für den digitalen Euro. Er besteht fast ausschließlich aus Vertretern von Banken und Zahlungsverkehrsdienstleistern und deren Verbänden. Verbraucherorganisationen oder Datenschützer oder Finanzexperten von außerhalb des Finanzsektors – Fehlanzeige.
Die Partner der Bank von England
Die Bank von England hat, um ihr geplantes digitales Zentralbankgeld gebrauchsfertig zu machen, ein Technologieforum und ein Engagement Forum mit privaten Partnern ins Leben gerufen. Dazu gehört ebenfalls Amazon und so ziemlich alle großen Player, mit denen das digitale Zentralbankgeld in Konkurrenz treten könnte, darunter Paypal, Visa, Mastercard, Google, JP Morgan, Barclays und viele weitere Banken und Zahlungsverkehrsdienstleister.
Konkurrenz für das Bargeld
Sowohl die EZB als auch die Bank von England betonen, dass das digitale Zentralbankgeld das Bargeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen soll. Man wolle das digitale Zentralbankgeld nur einführen, weil die Bürger das physische Zentralbankgeld, das Bargeld, immer weniger nutzten. Besonders glaubwürdig ist das nicht.
Zum einen geht die Bargeldnutzung nicht einfach so zurück, sondern die Bargeldnutzung wird aktiv zurückgedrängt, wobei die EU-Kommission an vorderster Front der Bargeldbekämpfer steht, die EZB nicht weit dahinter. Bargeldhaltung und -nutzung werden immer mehr unter Kriminalitäts- und Geldwäscheverdacht gestellt und begrenzt. Rechtlich fragwürdige Gesetze greifen um sich, die es Händlern und Dienstleistern verbieten, ausschließlich Bargeld anzunehmen oder für digitale Zahlungen einen Aufschlag zu verlangen. Banken machen Bargeldein- und -auszahlungen kostenpflichtig und immer teurer. Die EU-Kommission hat absurd-teure Prüfvorschriften selbst für Kleinmünzen verabschiedet. Das sind nur einige Beispiele für den unerklärten Krieg der Finanzbranche und ihrer Alliierten gegen das Bargeld.
Die Interessen der Banken sollen nach den derzeitigen Plänen dadurch gewahrt werden, dass man nur eine sehr begrenzte Menge digitale Euro auf seinem Konto haben darf. Es kann dann also nicht massenhaft Geld von den unsicheren Konten bei den Banken abgezogen und bei der Zentralbank in Sicherheit gebracht werden. Das digitale Zentralbankgeld wird so konstruiert, wie es der Finanzbranche und Großkonzernen nutzt, oder zumindest nicht schadet, nicht so, wie es für Verbraucher, Selbständige und kleinere Unternehmen besonders nützlich ist.
Es wird auch nicht etwa auf Anwendungen beschränkt, für die Bargeld weniger geeignet ist, wie Käufe über das Internet. Vielmehr soll es auch ohne Online-Anbindung für das Bezahlen vor Ort zwischen Kunde und Geschäft oder zwischen zwei Bürgern genutzt werden können. Es ist nicht recht ersichtlich, wozu das gut sein soll, außer um Bargeld noch weiter zurückzudrängen und es gänzlich unnötig zu machen, Bargeld mit sich zu führen.
Grund zum Misstrauen gibt auch der Umgang der EZB mit einer Bürgerbefragung zum digitalen Euro 2021, die eine Rekordbeteiligung mit ganz überwiegend negativen Stellungsnahmen ergab. Die EZB machte daraus in kompletter Umkehrung der tatsächlichen Stoßrichtung der weitaus meisten Stellungnahmen:
„Insgesamt sind die meisten Befragungsteilnehmer bereit, einen digitalen Euro zu unterstützen, insbesondere in Anbetracht der Festlegung des Eurosystems seit Beginn seiner öffentlichen Äußerungen zu dem Thema, dass es einen digitalen Euro nicht nutzen würde, um Bargeld abzuschaffen oder die Zinsen in der Volkswirtschaft zu senken.“
Nachtrag 29.9.: Bundesbank gibt fehlenden Nutzen zu
Am 26. September sagte das zuständige Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz zum digitalen Euro:
„Einige fragen sich, wofür sie den digitalen Euro überhaupt bräuchten, weil es schon vielfältige Möglichkeiten zum Bezahlen gebe. Das ist Stand heute richtig. Doch wissen wir jetzt schon, was morgen notwendig sein wird? Der digitale Euro könnte etwa eingesetzt werden, um digitale Geschäftsprozesse optimal zu unterstützen oder digitales Bezahlen im „Internet der Dinge“ oder für Zahlungen von Maschine-zu-Maschine zu ermöglichen. So werden wir in Zukunft viele Ladestationen für die Elektromobilität benötigen und bei jedem Ladevorgang an einer der Stationen könnte direkt automatisiert ein Bezahlvorgang ausgelöst werden. Dies könnte zum Beispiel mit dem digitalen Euro erfolgen.“
Mit anderen Worten: Es könnte sein, dass es später einmal eine nützliche Anwendungsmöglichkeit gibt. Aber Balz fallen nur Möglichkeiten ein, für die man den digitalen Euro zwar benutzen kann, für die man ihn aber nicht braucht.
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