ID2020, die Bürgernummer und die sonderbare Dünnhäutigkeit von Digitalcourage

27. 02. 2021 | Eine Unterstützerin schrieb an Digitalcourage über ihre Sorge wegen der geplanten Bürgernummer und fragte, ob sich der Verein nicht dazu positionieren möchte. Sie schickte den Link zu einem Beitrag von mir mit. Es kam eine ausfällige Antwort von einem Vorstand und der Hinweis, Digitalcourage werde sich dazu äußern, sobald man das für richtig halte. Höfliches Nachfragen förderte eine erstaunliche Einstellung zutage.

Der Mitgründer und Vorstandsmitglied von Digitalcourage mit dem Künstlernamen Padeluun beantwortete die Anfrage der Unterstützerin in Bezug auf meinen Beitrag so:

„Was dieser Herr Häring schreibt ist ein Gemisch aus ein paar Prisen Wahrheit, Antisemitismus und Panikmache. Auch ganz ohne Verschwörungsmythen kann man so etwas kritisieren und bekämpfen. Siehe meine Laudatio bei den BigBrotherAwards 2020. Auch die Kolleg.innen von netzpolitik.org und der Bundesdatenschutzbeauftragte haben sich intensiv mit der Bürgernummer auseinandergesetzt und diese kritisiert.“

Eine seltsame Antwort, was die Tätigkeit von Digitalcourage angeht. Weil man sich schon vor über fünf Monaten, im September, zu den Plänen für eine einheitliche Bürgernummer geäußert hat, und weil andere schon Kritik geübt haben, braucht und will man offenbar nichts mehr dazu sagen, nachdem sie auf den Gesetzesweg gebracht worden ist. Aber vielleicht rechnet man sich ja eine größere Wirkung eines Protests aus, wenn das Gesetz den Bundesrat passiert hat und rechtskräftig geworden ist.

Die Unterstützerin war mit dieser Antwort nicht zufrieden, wollte noch einmal wissen, was Digitalcourage zu tun gedenke und fragte nach, wo denn in meinem Beitrag der Antisemitismus und die Verschwörungstheorie lägen. Die Antwort fiel wieder ähnlich aus:

„Der Mensch schreibt gleich im Einstieg, dass „Rockefeller und weitere“ beschlossen haben, dass alle nun eine Bürgernummer haben sollen. Diese Iteration der alten „jüdische Weltverschwörung“s-Lüge wird nicht besser dadurch, dass jemand das neu geschrieben und in anderen Worten darstellt.“

Das habe ich allerdings nicht geschrieben, was er da behauptet, jedenfalls nicht mit Bezug auf die deutsche Bürgernummer. Dass die Rockefeller-Stiftung als Startkapitalgeberin der ID2020-Allianz allerdings danach strebt, zusammen mit Microsoft, Accenture und Gavi, jedem auf der Welt eine biometrisch unterlegte ID zu geben, ist keine Verschwörungstheorie sondern offen erklärte Absicht. Dass die Bundesregierung sich eventuell von solchen Plänen beeinflussen lässt erscheint nicht ganz abseitig, wenn man weiß, dass die UN jährlich einen ID2020-Gipfel in New York veranstaltet.

Und in Bezug auf die Aktionspläne von Digitalcourage zur Bürgernummer fügte er kurz angebunden hinzu:

„Was wir in Bezug auf die Bürger-Id unternehmen, werden wir zu gegebener Zeit in unserem Newsletter und auf der Website schreiben.“

Mit Erlaubnis der Dame schrieb ich eine höfliche Mail an den Digitalcourage-Vorstand Padeluun, um ihn zu fragen, wo denn der Antisemitismus in meinem Text versteckt sei. Man will ja lernen.

„Sehr geehrter Padeluun, Frau Dr. xy hatte Ihnen einen Link zu meinem kritischen Beitrag zur Bürgernummer geschickt, in dem ich diese Gesetzesinitiative als etwas darstelle, das zur Zielsetzung des ID2020 Projekts passt.  Ich zitiere dazu aus einem Beitrag des SWR: „Die Organisation ID2020 in New York arbeitet an einer transnationalen digitalen Identität für jeden Menschen, die möglichst alle Daten umfassen soll. ID2020 ist eine Allianz von Hightech-Konzernen wie Microsoft, der Rockefeller-Stiftung, großer Hilfsorganisationen und der von Bill Gates finanzierten Impfallianz GAVI.

Diese Absicht ist unstrittig. Dass die überall beobachtbaren nationalen Bemühungen um solche einheitlichen Bürger-Datenbanken, die Umsetzung dieses Ziels fördern, sollte offensichtlich sein. Inwieweit dahinter Absicht liegt, darüber kann man sicherlich streiten und ich habe weder Belege dafür, noch behaupte ich es. Jahre nach den Enthüllungen durch Snowden ist schon verwunderlich, dass ausgerechnet eine Organisation wie Digitalcourage schon das Insinuieren der Möglichkeit, dass an einem globalen Überwachungsprogramm gearbeitet werden könnte, als völlig abseitig abtut. Richtig irritierend ist es aber, dass Sie es eine „Iteration der alten jüdischen Weltverschwörungs-Lüge“ nennen, und als „antisemitisch“ bezeichnen.

Es wird ja allerhand als „strukturell antisemitisch“ verunglimpft, was man beim besten Willen nicht antisemitisch nennen kann, aber weder geht es hier um Finanzdinge, noch sind irgendwelche Menschen jüdischen Glaubens inkriminiert. Ich bitte, mir deshalb dieses Label zu erklären. Ihre Antwort will ich gern zitieren, wenn ich darüber schreibe.“

Padeluun blieb kurz angebunden:

„der Artikel, den mir Frau xy. geschickt hatte war länger [das war er nicht; N.H.] und hatte für meinen schnelle Blick antisemitische (und nicht nur strukturell antisemitische) Konnotationen. Das habe ich Frau xy geschrieben. Aber auch Ihre Art, aus Spuren von Wahrheiten wahnhafte Verschwörungsmythen zu bauen und zu verkaufen, hält mich davon ab, mich weiter mit Ihren Elaboraten beschäftigen zu wollen“

Wir halten fest: Sieben Jahre nachdem Edward Snowden globale Überwachungsprogramme von bis dahin fast unvorstellbaren Ausmaßen enthüllt hat, erklärt ein Vorstand eines Datenschutzvereins die These, dass auf globaler Ebene an verstärkter automatisierter Überwachung der Menschen gearbeitet wird, für eine krude antijüdische Weltverschwörungstheorie. Zur einheitlichen Bürgernummer, die einen großen Schritt in diese Richtung darstellt, haben er und seine Organisation auch einen Monat nachdem diese beschlossen wurde, nichts zu sagen und reagieren auf Nachfragen dazu ausgesprochen dünnhäutig.

Das finde ich besorgniserregend. Vielleicht will sich Digitalcourage ja mit Campact zusammentun, die den Kampf gegen regierungskritische Meinungen und Informationen (Fake News und Verschwörungsmythen) als neues Aufgabengebiet entdeckt haben.

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