Die EZB erpresst die portugiesische Regierung

Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am Montag in einem Interview mit der portugiesischen Zeitung „Publico“ der dortigen linken Regierung gedroht, keine Anleihen mehr zu kaufen, wenn sie sich nicht im Sinne der Kapitalmarktanleger – letztlich also im Sinne der EZB – verhält.

Peter Praet sagte der Zeitung, die Regierung dürfe die Warnsignale des Marktes nicht ignorieren. „Portugal sollte diese Botschaft nicht vergessen: Die Marktdisziplin ist noch da“, sagte er. Die Anleiheinvestoren seien in Sorge. Der Regierung in Lissabon müsse klar sein, dass die Europäische Zentralbank nur Papiere mit vergleichsweise geringer Ausfallwahrscheinlichkeit kaufe. Es könne zwar Ausnahmeregelungen geben. Aber dazu müsse das entsprechende Land an einem Rettungsprogramm teilnehmen. „Hier gibt es keine Unklarheit“, sagte er.

Was Praet bei seinem Hohelied auf die Marktdisziplin vergaß zu sagen, war nicht nur, wie spektakulär sich vor und in der Finanzkrise gezeigt hat, wie unzuverlässig die Anleiheinvestoren als kühle Richter über die Schuldentragfähigkeit sind, sondern auch, wie sehr das Urteil der Investoren von derartigen Sprüchen der EZB abhängt. Es ist ganz einfach: Wenn die Märkte davon ausgehen, dass die EZB portugiesische Anleihen (weiter) kauft, kaufen sie auch. Gibt es Zweifel daran, verkaufen sie, und die Rendite schießt nach oben. Die internationale Verbreitung des Interviews am Montagmorgen führte dazu, dass die Rendite portugiesischer Zehnjähriger binnen Minuten um fast zwei Zehntel Punkte von 2,9 auf 3,1 Prozent nach oben schoss. Von wegen Marktdisziplin. Disziplinierung durch die EZB trifft es wesentlich besser.

Wenn die EZB Zweifel an ihrer Bereitschaft befördert, weiter portugiesische Anleihen zu kaufen, geht die Rendite nach oben. Das kostet die Regierung viel Geld, das sie nicht hat. Das verstärkt die Sorgen der Anleger und treibt die Renditen weiter nach oben, so lange, bis die Rating-Agenturen die Anleihen auf Ramschstatus herabstufen und die EZB ihre vermeintlich objektive – tatsächlich aber selbst herbeigeführte – Begründung hat, die unbotmäßige linke Regierung bei ihrem Anleihekaufprogramm zu boykottieren.

P.S. 24.5.: Ein Leser bringt mich darauf, dass es erwähnenswert ist, dass Portugal, bis vor kurzem, solange es noch konservativ regiert wurde, ein Musterbeispiel für erfolgreiche Krisenbewältigung war. Kurz nach Regierungswechsel ist nun plötzlich der von dieser Regierung hinterlassene Zustand der Staatsfinanzen besorgniserregend. Ein Schelm wer äußerst übles dabei denkt.

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