Die offiziellen deutschen Goldreserven betragen rund 3367 Tonnen und sind beim heutigen Goldpreis von 1581 Euro je Feinunze gut 170 Mrd. Euro wert.
Mit 1656 Tonnen lagert knapp die Hälfte des Goldes im Ausland, davon drei Viertel in New York und ein Viertel in London. Das Auslandsgold hat derzeit einen Wert von rund 84 Mrd. Dollar.
Aber was ist es für die Bundesbank wert, Eigentümerin dieses Vermögenswertes zu sein, wenn sie ihn nicht besitzt, nicht darauf zugreifen kann, ja nicht einmal hingehen kann und kontrollieren, ob er noch da ist? Er ist nicht viel mehr als eine schöne Luftbuchung in der deutschen Vermögensbilanz.
Warum die Bundesbank nicht mehr Gold aus New York abziehen darf
Der High Court in London (entspricht grob dem Bundesgerichtshof) hat entschieden, dass die venezolanische Regierung kein Gold ausgehändigt bekommt, weil die britische Regierung statt der Regierung Maduro die von die von den USA aufgebaute und gestützte Marionetten-Gegenregierung unter dem selbsternannten „Interimspräsidenten“ Juan Guaidó anerkenne.
Der hat, um der ganzen Aktion einen winzigen Anschein von Legitimität zu geben, extra für den britischen High Court einen Gegen-Zentralbankvorstand ernannt, eine geradezu lächerliche Aktion, wenn es nicht so traurig wäre.
Nun könnte man meinen, Deutschland sei ja nicht Venezuela. Uns würden unsere Freunde in London und Washington/New York nicht so behandeln. Das wäre hochgradig naiv, aus mindestens zwei Gründen.
- Zum einen braucht man sich nur anschauen, was die US-Regierung auf das Völkerrecht gibt, wenn sie einen Bürgermeister auf Rügen mit Sanktionen und Verhaftung bedroht, wenn er ein russisches Rohr-Verlegeschiff in einen Hafen einlaufen lässt, für den er zuständig ist. Von der Bundesregierung kam keine erkennbare Gegenwehr. Solche Beispiele, bei denen die USA eigene Rechtsetzung über Völkerrecht setzen, gibt es unzählige. Es ist erklärtes Programm der USA seit langem.
- Zum anderen haben nach 2016, seit die Bundesbank aufgehört hat, Gold zu holen, nur noch homöopathische Dosen ausländischen Goldes die Lagerstätten der New Yorker Federal Reserve verlassen. In dreieinhalb Jahren insgesamt 47 Tonnen (von 7800 Tonnen). Ich vermute, dieser Auslieferungsstopp gilt auch für London. Jedenfalls hat den Presseberichten zufolge Guaidó kein Gold haben wollen, sondern will es bei der Bank von England lassen.
Was Sie über das Bundesbank-Gold in New York auch noch wissen sollten
Vermutlich war das Hauptverbrechen Maduros in diesem Fall, die informelle Ansage zu missachten, dass alles fremde Gold in New York und London eingefroren ist. Im Fall Maduros kann man dieses Eingeständnis vermeiden, indem man die Scharade mit der Gegenregierung abzieht. Als die Bundesbank, mit einem – vielleicht bestellten – Gutachten des Bundesrechnungshofs im Nacken, öffentlich Geld aus New York verlangte, ging das nicht. Deshalb mussten die USA nach langen und zähen Verhandlungen zwischen 2013 und 2016 300 Tonnen deutsche Gold herausrücken. Im Gegenzug bekamen sie von der Bundesbank das öffentliche Versprechen, genannt Lagerstellenkonzept, eine solche freche Forderung nicht noch einmal zu erheben.
Der Wert des Goldes, den die USA und Großbritannien der Kontrolle ihrer Eigentümer entziehen, ist zwar beträchtlich, aber das ist nicht das, worum es hier geht, außer in Fällen wie Venezuela, wo man einer schwachen Regierung eines armen Landes, schon beträchtlich schaden kann. In anderen Fällen, wie etwa beim vielen deutschen Gold, geht es darum, einen Großteil der weltweiten Goldbestände unter eigener Kontrolle zu haben.
Der Dollarpreis von Gold steigt ja nicht von ungefähr auf immer neue Rekorde, sondern weil immer weniger einem Dollar-Geldsystem trauen, bei dem die US-Notenbank fast grenzenlos Dollars in Umlauf bringt, um US-Staatsanleihen aufzukaufen. So viele Dollars, dass die Notenbank, und damit letztlich die US-Regierung, inzwischen die mit Abstand größte Halterin von US-Regierungsanleihen geworden ist.
Wenn man große Teile des Goldes anderer Nationen unter Kontrolle hat, kann man verhindern, dass diese Länder irgendwann auf die Idee kommen, eine eigene Währung mit Gold zu decken und als Alternative zum Dollar anzubieten. Die USA könnten sich, wenn es jemand versuchte, sogar auf eine Art Recht berufen, wenn sie solchen Ländern den Zugriff auf ihr Gold öffentlich verwehrten. Denn auf Betreiben der USA haben sich schon vor einem halben Jahrhundert alle Mitgliedsländer des Internationalen Währungsfonds auf die „Demonetarisierung“ des Goldes verpflichten lassen, also auf den Verzicht, eine Währung mit Gold zu decken.
Und wenn es ganz schlimm kommt, kann man den Dollar oder eine Nachfolgewährung mit dem Gold unterlegen, das man sich angeeignet hat. Dazu braucht man die Besitzer gar nicht offiziell enteignen. Es genügt, informell auf das Gold zugreifen zu können. Die Besitzer haben allen Grund still zu halten. Denn nur solange sie nicht zugeben, dass sie keinen Zugriff mehr auf das Gold haben, können sie es weiterhin in ihren Bilanzen und unter ihren Währungsreserven aufführen.
Das dürfte auch der Grund sein, warum die Bundesbank seit 2016 gute Miene zum bösen Spiel macht.
Dossier zum Gold und der sonderbaren Goldheimholung der Bundesbank