Der Plan schält sich immer klarer heraus. Für Schuldenerlasse soll Griechenland seine Inseln zu Internierungslagern umbauen. Da es am Willen der Griechen etwas hakt, wird durch Schuldzuweisungen und Abriegelung der Nordgrenze nachgeholfen. Gideon Rachman bringt diesen Plan frisch aus Davos mit und verkündet ihn in der FT.
Rachman ist ein sehr wichtiger Reporter der Financial Times. Sein Wikipedia-Eintrag etwa verrät: „At The Financial Times, Rachman writes on international politics, with a particular stress on American foreign policy, the European Union and globalisation.“ Als Reisemitbringsel vom Milliardärsstelldichein in Davos schreibt er in der FT unter dem (übersetzen Titel) „Griechische Schulden sind der Schlüssel für die Schuldenkrise“, man könne doch einfach als „kreative“ Lösung den hoffnungslos überschuldeten Griechen den ohnehin unausweichlichen Schuldenerlass unter der Bedingung gewähren, dass:
“Greece agrees to seal its northern border with EU help, stopping the flow of migrants into northern Europe. In return, Germany agrees to a massive writedown of Greek debt, as well as immediate financial aid to cope with the current crisis. Refugees arriving in Greece are then housed in EU-run camps on Greek islands in the expectation that they will return to Syria (or wherever else they are fleeing) once peace is restored.”
Zu Deutsch: Griechenland stimmt der Abriegelung seiner nördlichen Grenze zur EU zu und stoppt so den Migrantenstrom nach Nordeuropa. Im Gegenzug stimmt Deutschland einem massiven Schuldenerlass und sofortigen Finanzhilfen zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise zu. Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen werden dann in von der EU betriebenen Lagern auf griechischen Inseln untergebracht, in der Erwartung, dass sie nach Syrien (oder nach woher immer sie geflohen sind) zurückkehren, sobald der Frieden wiederhergestellt ist.
„Man geht davon aus, dass Deutschland diesen Plan unterstützt“, schreibt Rachman.
Die EU würde die Unterbringungskosten bezahlen, eine ganze Reihe arbeitslose Griechen könnten in den Lagern beschäftigt werden. Moralische oder legale Hürden lässt Rachman nicht gelten, weil die Zeiten keine Skrupel zuließen. „Es ist vordringlich, die Verbindung von zeitweisem Schutz vor Krieg und dem Angebot dauerhafter Einwanderung in die EU zu trennen. Wenn diese Trennung geschafft ist, wird sich die europäische öffentliche Meinung beruhigen.“
Dass man Griechenland dafür vom freien Grenzverkehr innerhalb der EU ausschließen muss, erwähnt er nicht explizit, aber die Vorteile für den Rest Europas sind einfach zu groß. Man kann die Syrer, Iraker und Afghanen gemäß dem US-amerikanischen Petitum nach Überprüfung ihrer Identität weiter nach Deutschland reisen lassen, und alle anderen in Griechenland interniert lassen. Dann sollte der Strom der „Wirtschaftsmigranten“ bald abebben, wie Rachman verheißt.
Offenbar sieht Athen den Deal allerdings nicht so rosig und weigert sich mitzumachen, weshalb es derzeit zum Sündenbock gestempelt und durch zwangsweise Abriegelung seiner Nordgrenze zur Kooperation gezwungen werden soll.
In einem Brief unterstützt Kommissionspräsident Juncker den Plan, die Grenze Griechenlands zu Mazedonien von Norden her abzuriegeln. Belgien hat von Athen verlangt, bei Athen ein Internierungslager für 300.000 Flüchtlinge (in anderen Darstellungen ist sogar von 400.000 die Rede) einzurichten.
Ich hatte nicht ohne Absicht erwähnt, dass dieser Vorschlag Rachmans Mitbringsel aus Davos war. Denn solche Strategien lassen sich dort viel besser abstimmen, als in den offiziellen Meetings der europäischen Innenminister, bei denen die in solchen Fragen ja nicht ganz unwichtigen Amerikaner nicht einmal mit am Tisch sitzen. Denn wie hat der Harvard-Historiker Niall Ferguson jüngst im Handelsblatt aus Davos berichtet:
„Hinter dieser Fassade findet das wirkliche Davos statt. Es besteht aus Gesprächen – unter vier Augen, in Bars, Fluren, selbst Bädern, geplant oder spontan. (…) Es geht darum, Vereinbarungen zu treffen – nicht nur für Geschäfte, sondern auch politisch. Das schönste Beispiel stammt aus dem Jahr 1992, als Nelson Mandela in Davos überzeugt wurde, vom Programm seiner Partei für die Verstaatlichung der südafrikanischen Wirtschaft Abstand zu nehmen.“
Wir dürfen also davon ausgehen, dass der europäische Plan von Internierungslagern in einem abgeriegelten Griechenland den Segen des Geldadels und der politischen Elite der USA hat.
Teil 1: Unser Innenminister, der Volksverhetzer
P.S. Aus einem Reuters-Bericht (Mi. 27.1.) zur Drohung der EU-Kommission mit Grenzschließung an Griechenland:
„Die EU-Kommission warf Griechenland in einem Bericht vor, illegal einreisende Migranten nicht wirksam zu identifizieren und zu registrieren sowie Fingerabdrücke nicht systematisch zu erfassen. Die schwerwiegenden Mängel müssten von den griechischen Behörden angegangen und beseitigt werden, forderte die Kommission. Sollte sie feststellen, dass Griechenland dem nicht nachkommt, können die EU-Staaten Grenzkontrollen – die es in Deutschland und Österreich bereits gibt – um weitere sechs Monate aufrechterhalten.“
Wie lächerlich ist das denn. Im oberkorrekten Deutschland stellt sich heraus, dass ein Selbstmordattentäter im Flüchtlingsheim wohnte und unter vielfachen Identitäten an mehreren Orten gemeldet war, Fingerabdrücke hin oder her. Bei Kontrollen wird regelmäßig Ähnliches und vielfache Ausweispapiere auf verschiedene Namen festgestellt. Beim Lageso in Berlin herrscht das schiere Chaos. Und den Griechen sollen zwangsweise die Grenzen abgeriegelt werden, angeblich nur, weil die Behörden aufgrund Troika-verordneter Massenentlassungen und dem üblichen Schlendrian nicht willens oder in der Lage sind, zuverlässig zu identifizieren. Was für eine bodenlose Heuchelei.