Der sehr lange Weg der großen Corona-Koalition zu Versöhnung und Aufarbeitung

10. Juli 2024 | Ein Antrag auf Rehabilitierung derer, die gegen Corona-Auflagen verstoßen haben und dafür bestraft wurden, stieß im Bundestag auf Ablehnung von den Parteien, die die Maßnahmen gegen Covid-19 verantwortet oder gestützt haben. Für die Union soll die hellsichtige Forderung von Jens Spahn vom „viel verzeihen müssen“ offenkundig nur von unten nach oben gelten, die SPD pflegt überwunden geglaubte Feindbilder.

Sollten Menschen, die aufgrund von Verstößen gegen Verhaltenspflichten zur Verhinderung der Verbreitung der Covid-19-Krankheit wegen einer Straftat verurteilt oder mit einer Ordnungsstrafe belegt wurden, rehabilitiert werden und ihre Geldbußen rückerstattet erhalten? Darüber debattierte der deutsche Bundestag auf Antrag der AfD, außerdem darüber, ob Soldaten, die der für sie geltenden Impfpflicht nicht nachkamen, rehabilitiert werden sollen. Hier der Link zum Video der Debatte. Die einzelnen Redebeiträge auf Video sind unten bei den einzelnen Rednern verlinkt.

Jens Spahn, damals Gesundheitsminister, hatte schon im April 2020, in der Frühphase der rigiden Maßnahmen gegen die sogenannte Pandemie, gesagt: „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen.“ Er sagte voraus, dass sich einige harte Entscheidungen als falsch herausstellen würden. Damit deutete er schon an, dass es ihm vor allem darum ging, dass man ihm seine Fehler später verzeihen solle. Aber das „einander“ in seinem Satz enthielt doch auch das Versprechen, auch den Gegnern der Maßnahmen zu verzeihen.

Doch Unterstützung fand die Rehabilitationsidee nur beim BSW. Für das Bündnis empfahl Andrej Hunko dem Beispiel Sloweniens zu folgen, wo eine sozialdemokratische Regierung eine nachträgliche Amnestie für die Missachtung der von einer konservativen Regierung verhängten Corona-Maßnahmen verfügt habe. Viele Maßnahmen seien überzogen und nicht wissenschaftlich begründet, manche inhuman gewesen. Wer wegen willkürlicher Maßnahmen bestraft worden sei, sollte aus seiner Sicht entschädigt und rehabilitiert werden.

Schwelgen in alten Feindbildern

Davon wollen die heute politisch Verantwortlichen so gar nichts wissen. Besonders deutlich machte das der Abschlussredner der SPD, Falko Droßmann, mit einer fast schon hasserfüllt zu nennenden Rede. Nachdem er sich darüber ereifert hatte, dass im Antrag der AfD, impfunwillige Bundeswehrsoldaten zu rehabilitieren, nicht gegendert wurde, warf er den Soldaten, die sich der experimentellen Covid-Impfung mit ihrer sehr eingeschränkten Schutzwirkung nicht unterziehen wollten, Feigheit und unsolidarisches Verhalten vor. Er legte ihnen nahe, die Bundeswehr zu verlassen. Ganz in diesem Sinne hat die Staatsanwaltschaft Aurich (Niedersachsen) dieser Tage einen Soldaten, der sich nicht impfen lassen wollte, zum Antritt einer 40-tägigen Haftstrafe einbestellt.

Ganz im Gegensatz zu seiner beim Gendern zur Schau getragenen Empörung über fehlende politische Korrektheit der AfD, schreckte Droßmann nicht davor zurück, Kollegen wegen ihrer körperlichen Erscheinung zu verhöhnen: „Adipositas ist eine viel gefährlichere Krankheit als es eine Impfung je sein kann“, sagte er unter Namensnennung an die AfD-Abgeordneten Ziegler und Brandner gerichtet. Einen Ordnungsruf gab es für diese üble Entgleisung nicht. Im Gegensatz dazu wurden Blogger für Vergleichbares auf Anzeige von Mitgliedern der Regierungsparteien von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Einem Bloger wurde zusätzlich das Konto gekündigt, weil er Ricarda Lang und das Wort „dick“ in inhaltlichem Zusammenhang erwähnte.

Den Sinn eines Rehabilitierungsgesetzes hat Droßmann nicht verstanden. Er ereiferte sich: „Was ist denn das für ein Rechtsverständnis? Wenn alles gesetzmäßig ist, wenn die Gesetze (er meint Gerichte; N.H.) sagen, dass es rechtmäßig ist, dann ändern wir einfach die Konsequenz davon. Das ist nicht Rechtsstaat, meine Damen und Herren, das ist Unsinn.“ Dabei hatte seine Kollegin von der CDU vorher erklärt, warum Rehabilitierungen manchmal angezeigt sind. Weil sich nämlich manchmal das Rechtsverständnis der Gesellschaft ändert, sodass, was vorher Recht zu sein schien, zu Unrecht wird und umgekehrt.

Gefangen im Verteidigungsmodus

Einen inhaltlichen Tiefpunkt markierte bereits die erste Rednerin, die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Sonja Eichweide. Ihr Schwerpunkt lag darauf, die Entscheidungen der Regierung unter Ungewissheit zu verteidigen, so als habe die AfD den Antrag gestellt, böswilliges Handeln der Regierung festzustellen und zu verurteilen. Einer Rehabilitierung steht ja nicht im Wege, dass falsche Anordnungen möglicherweise in bestem Willen getroffen wurden.  Dann behauptete Eichweide noch allen Ernstes, es habe sich „schnell herausgestellt, dass die Impfstoffe sicher und wirksam“ seien. Offenbar hat sie seit der Lüge ihres Parteifreundes und Gesundheitsminister Karl Lauterbach von den nebenwirkungsfreien Impfstoffen nicht mehr viel mitbekommen und glaubt immer noch an die zu Anfang verkündete 95-prozentige Wirksamkeit der Impfstoffe.

Schwer zu glauben, dass Eichweide glaubt, was sie da sagt. „Wir (die Geimpften) waren alle kleine Wellenbrecher“, sagt sie im Juli 2024, fast drei Jahre, nachdem z.B. die WHO verkündete, dass es keine Belege dafür gibt, dass die Covid-Impfungen vor Ansteckung und Weitergabe des Virus schützen. An diesem Befund hat sich seither nichts mehr geändert. Offenbar hat sie nicht mitbekommen, dass die Verantwortlichen und ihre „wissenschaftlichen“ Berater seit Monaten dabei sind zu versichern, niemand habe je (fälschlich) versprochen, dass die Impfung gegen Ansteckung und Übertragung des Virus schützt. Immer noch nennt sie diejenigen solidarisch, die sich impfen ließen und die anderen unsolidarisch, weshalb sie keine Amnestie verdient hätten. Kein Wort von den vielen Pflegekräften und Medizinern, die ihre Arbeitsstelle verloren, weil sie eine experimentelle, wenig wirksame und in vielen Fällen schädliche Impfung nicht über sich ergehen lassen wollten.

Kein Wort des Bedauerns darüber, dass viele Tausend Menschen einsam sterben mussten und bis heute Menschen, die diese Grausamkeit nicht mitmachen wollten, mit aller Härte des Gesetzes verfolgt werden. Oder Ärzte, die Maskenatteste ausstellten, weil sie von der Gesundheitsschädlichkeit der Masken überzeugt waren, bis heute teilweise härter bestraft werden als manche Schwerverbrecher.

Auch Nina Warken von der CDU versuchte die Zuhörer in ein paralleles Universum zu entführen, in dem „Schutzmaßnahmen nicht unwissenschaftlich“ waren, obwohl inzwischen fast niemand mehr – einschließlich Olaf Scholz – einen Sinn darin erkennen kann, dass es verboten war, Nachts ins Freie zu gehen, oder für Kinder Schlitten zu fahren, oder allein auf einer Parkbank ein Buch zu lesen. Vor Kurzem wurde in der renommierten Zeitschrift Science ein gutachtergeprüfter Aufsatz von Wissenschaftlern der Universität Stanford veröffentlicht, mit dem Resümee:

„Wir kommen nicht umhin festzustellen, dass starke Aussagen über die Wirkung regierungsseitiger Maßnahmen gegen Covid-19 keine empirische Basis haben.“

Das heißt wohlgemerkt nicht, dass damit bewiesen wäre, dass alle Maßnahmen gar nicht halfen. Aber wenn es keine deutlichen Nachweise gibt, dass Maßnahmen etwas Positives bewirkt haben, dann kann man ziemlich sicher schließen, dass sie nicht so wirksam, alternativlos und dringend waren, wie das damals dargestellt wurde, und dass man sie nicht rigide durchsetzen musste, um eine angebliche gesundheitliche Katastrophe zu verhindern. Da die psychischen Schäden für die Kinder und Jugendlichen, die gesellschaftlichen und die wirtschaftlichen Schäden und Kosten zweifelsfrei sehr hoch waren, ist anzunehmen, dass viele der Maßnahmen nicht angezeigt oder zumindest überzogen waren.

Die Maskenpflicht bezeichnete Warken schönfärberisch als „für viele lästig“. Dabei hat sie Kindern, die Monate lang viele Stunden am Tag Masken tragen mussten, große gesundheitliche, psychische und kognitive Schäden zugefügt. Sie verwahrte sich gegen „Unwahrheiten“, wie die angeblich fehlende wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI, obwohl diese durch die freigeklagten RKI-Krisenstabsprotokolle inzwischen hinlänglich bewiesen ist. „RKI darf Risikobewertung nach BMG nun herunterstufen“, hieß es beispielsweise im Protokoll vom 10.7.2020.

Am Beitrag der FDP ist vor allem bemerkenswert, dass Rednerin Katrin Helling-Plahr die Tätigkeit der FDP während der Corona-Zeitspanne in der die große Koalition regierte, als „Service-Oppostion“ bezeichnete. Ihre wortreichen Bekundungen der überragenden Bedeutung der Freiheit für die FDP passte so gar nicht zum Aushebeln der bürgerlichen Grundrechte, an dem diese tätig mitwirkte. Geschichtsklitternd behauptete Helling-Plahr, die Krankenhäuser seien übergelaufen, obwohl diese damals so leer waren wie kaum je.

Ihr Vorredner Helge Limburg von den Grünen behauptete das Gleiche fälschlich von den Intensivstationen. Ansonsten gab er sich deutlich einsichtiger und gemäßigter als die Redner von Union, SPD und FDP. Jedoch unterstellte er dem Vorschlag einer Rehabilitierung, er wolle „spalten, wo Versöhnung notwendig ist“. Warum Rehabilitierung spaltet erklärte er nicht. Wenn er einen alternativen Weg zur Versöhnung kennen sollte, so hat er ihn nicht verraten.

Fazit

Die Vertreter der großen Corona-Koalition im Bundestag sehen das Ansinnen der Rehabilitierung von Maßnahmengegnern vor allem unter dem Aspekt, dass das eigene Handeln thematisiert und kritisiert werden könnte. Dass sie deshalb jeden Versuch einer ernsthaften Aufklärung sabotieren, zeigte bereits die Debatte um den Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission im April 2024. Sie verharren in alten Feindbildern, denen zufolge Menschen, die sich den weit überzogenen und schlecht begründeten Grundrechtseinschränkungen widersetzten, unsolidarische Egoisten sind, die es verdienten, beschimpft und bestraft zu werden. Sie tragen hartnäckig längst widerlegte Falschbehauptungen aus der Corona-Zeit weiter vor, um Fehler und Schlimmeres zu leugnen.

Keiner der Redner dieser ganz großen Koalition der Gegner einer Rehabilitierung skizzierte einen alternativen Weg, um zu einer Versöhnung der gespaltenen Gesellschaft zu kommen. Das ist auch kein Wunder. Denn wie sollen Menschen, die an alten Feindbildern hängen und damit beschäftigt sind, die Schimäre der eigenen moralischen Überlegenheit zu verteidigen, ein Konzept entwickeln, sich mit denen zu versöhnen, die sie wegen eben dieser Haltung beschimpft und bedrängt haben? Der Weg dieser Menschen zur Versöhnungsbereitschaft ist weit.

Aber auch bei der Gegenseite sieht es nicht viel besser aus. Hier wird weithin als Ziel der angestrebten Aufarbeitung der Corona-Zeit betrachtet, die eigene moralische Überlegenheit und die Verkommenheit der Gegenseite nachzuweisen und deren Übergriffe und Untaten zu bestrafen. Wenn beide Seiten bei dieser Haltung bleiben, wird es keine Versöhnung und keine produktive Aufarbeitung geben.

In einem Folgebeitrag will ich meine eigenen Ideen zur Frage darlegen, wie die durch die Corona-Maßnahmen tief gespaltene Gesellschaft wieder zusammenfinden kann.

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