Fernsehkritik: Die Heute Show zieht die richtige Konsequenz

 Damit ich die Medien nicht immer nur kritisiere, sei auch das gesagt: Die Heute Show hat, gemessen an den letzten beiden Sendungen, genau den richtigen Schluss aus dem Debakel von vor drei Wochen gezogen. Damals waren die Aussagen einer linke Lokalpolitikerin so zurechtgeschnitten gesendet worden, dass die Rassismusgegnerin wie eine rechtradikale Passantin erschien. Oliver Welke entschuldigte sich umgehend bei dem

Opfer der Manipulation und zeigte in der folgenden Sendung gebührend zerknirscht das ungeschnittene Kurzinterview. Außerdem erläuterte er, wie diese „lustigen“ Filmausschnitte zustande kommen. Nämlich indem Sichter alles anschauen, was über jeglichen Fernsehsender läuft um nach solchen Ausschnitten zu suchen und sie nach Themen zu katalogisieren. In diesem Fall war das Filmchen schon mit manipulativem Schnitt archiviert worden und zudem die Lokalpolitikerin als Passantin deklariert worden.

 Die Minimalkonsequenz aus einem solchen Unfall wäre es, den Sichtern zu untersagen, manipulativ zu schneiden und mehr Sorgfalt von ihnen einzufordern, sowie bei den bereits archivierten Spots besondere Vorsicht walten zu lassen.

 Die Heute Show scheint es nicht dabei belassen zu haben. In den letzten beiden Shows gab es kaum noch Filmchen zu sehen, mit denen beliebige Menschen, die vor irgend eine Kamera gezerrt wurden, oder sich trauten vor die Kamera zu gehen, verächtlich gemacht wurden.  Vielleicht hat die Manöverkritik ja dazu geführt, dass man es nun ähnlich sieht wie Claus von Wagner und Max Uthoff von der „Anstalt“, die in einem aktuellen Interview mit Tatjana Kerschbaumer sagten:

WAGNER: Ich halte es nicht für das vordringliche Ziel von Satire, andere zu verletzen.

 UTHOFF: Und wenn, dann nur die, die zuvor andere verletzt haben.

 WAGNER: Als Satiriker überlege ich mir: Wen möchte ich mit mei­ner Satire treffen, welche Wider­sprüche möchte ich angreifen? Ich fordere meine Satirefreiheit ein, verstehe Satire aber als Kritik an den Mächtigen.

 UTHOFF: Kabarett entsteht ja auch aus eigener Verletzung, aus Mitge­fühl für andere. Wir werden zum Beispiel verletzend, wenn wir se­hen, mit welcher Herablassung und Kaltblütigkeit Deutschland und die EU in Griechenland eine erfolglose und dumme Politik mitleidlos durchexerzieren.

 Ganz kam die Heute Show allerdings auch am letzten Freitag nicht ohne solche Sequenzen aus, aber sie waren bei weitem nicht so häufig und nicht so schlimm wie früher.

 Das eine war ein griechischer Passant, der in ein Mikro sprach: „Die sollen uns doch einfach in Ruhe lassen, wir kommen schon zu Recht“. Nicht ganz der Geist von Uthoff und Wagner, wenn man bedenkt in welches griechenfeindliche Klima hinein die Heute Show so etwas sendet. Weder war dieser Passant mächtig, noch hat er jemand verächtlich gemacht. Es wurde nicht besser dadurch, dass die Heute Show genauso wie vorher Heute und Tagesschau und die Tagesthemen eine böswillige verzerrte Version dessen als Nachricht sendeten, was Finanzminister Varoufakis zuvor gesagt hatte (siehe vorherigen Beitrag). Wenn man bedenkt, dass von den vielen Milliarden „Rettungs“-Krediten fast nichts bei den Menschen in Griechenland ankam, so hat der griechische Passant auch inhaltlich nicht verdient, dass sich Welke theatralisch den Bauch hält, vor Lachen.

 Der zweite Clip war von einer Demonstration gegen Überlandstromleitungen, bei der ein Demonstrant sagt, sie seien nicht die Deppen vom Dorf, denen man die Leitungen ja zumuten könne, die man in Stadtnähe nicht haben will. Doch, sie seien Deppen, meinte Welke dazu, wieder nicht ganz im Wagner-Uthoff‘schen Geiste. Der Mann war nicht mächtig und er hatte niemanden verächtlich gemacht. Jetzt läuft er über Millionen Fernsehschirme als Depp vom Dorf. Hat er das verdient, dafür, dass er bürgerschaftliches Engagement zeigte und nicht daheim vor dem Fernseher saß, um sich über dies und das, was er dort sah, still zu empören?

 Hinzu kommt, dass auch in diesem Fall die Prämisse der Verächtlich-Machung des Demonstranten sachlich nicht stimmte. Sie lautete: 1. Die Energiewende ist gut. 2. Für die Energiewende braucht man viele große neue Leitungen. 3. Wer gegen neue Leitungen ist, ist daher gegen die Energiewende. Der zweite Teil ist falsch, wie zum Beispiel Professor Lorenz Jarass von der Hochschule Wiesbaden nicht müde wird zu zeigen und zu betonen. Die Leitungen sind zumeist nur nötig, weil trotz Ausbau der Wind- und Sonnenenergie die Kohlemeiler ungebremst weiterlaufen sollen, weil also gerade keine Energiewende stattfindet, die diesen Namen verdient. Der bayerische Ministerpräsident, den Welke gern zum Trottel stempeln darf, weil er mächtig ist, hat das besser verstanden, als Welke.

 Aber wie gesagt, es waren in den letzten beiden Wochen so wenige von diesen Ausrutschern in alte Laster, dass man die Sendungen mit Vergnügen anschauen konnte, ohne sich zu sehr fremdschämen zu müssen.

 Hoffen wir, dass dies nicht nur eine Pause ist, bis wieder ein verlässliches Archiv aufgebaut ist, sondern ein nachhaltiger Verzicht auf billigen Lacher auf Kosten der Schwachen. 

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