Geänderte Rundfunkbeitragssatzungen lassen in Ausnahmefällen Barzahlung zu

Korrigiert (7.4.) | 3. 04. 2024 | Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht hatten in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk geurteilt, dass der komplette Ausschluss der Möglichkeit, den Rundfunkbeitrag bar zu bezahlen, die Bürgerrechte von Menschen ohne Konto verletzt. Die Beitragssatzungen wurden deshalb in maximal restriktiver, möglicherweise wiederum rechtswidriger Weise angepasst.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 gilt beispielsweise in Hessen eine neue Satzung des Hessischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge. Sie wurde geändert durch die Satzung zur Änderung der Satzung des Hessischen Rundfunks … usw. vom 8. Dezember 2023, die die Hessische Staatskanzlei am 14. Dezember 2023 genehmigt hat (Staatsanzeiger für das Land Hessen 2024, S. 85).

Zu den „Zahlungen“ heißt es nun in § 10 Abs 1 und 2:

„(1) Der Beitragsschuldner hat die Rundfunkbeiträge auf seine Gefahr auf das Beitragsabwicklungskonto ARD/ZDF/Deutschlandradio bei Banken oder Sparkassen zu leisten.

(2) Der Beitragsschuldner kann die Rundfunkbeiträge nur bargeldlos mittels folgender Zahlungsformen entrichten:
1. Ermächtigung zum Einzug mittels SEPA-Basislastschrift,
2. Einzelüberweisung,
3. Dauerüberweisung.
Beitragsschuldner, die keinen Zugang zu einem Girokonto bei einem Kreditinstitut haben, können den Rundfunkbeitrag bei der für sie zuständigen Rundfunkanstalt in bar entrichten. Der fehlende Zugang zu einem Girokonto ist vorab nachzuweisen. Der Nachweis gilt insbesondere als erbracht durch Vorlage von zwei Ablehnungen ordnungsgemäßer Anträge auf Eröffnung eines Basiskontos aus den in §§  36 Abs. 1, 37 ZKG genannten Gründen. Die Ablehnungen müssen von zwei unterschiedlichen Kreditinstituten stammen und dürfen nicht älter als ein Jahr sein.“

Die anderen Bundesländer dürften ihre Rundfunkbeitragssatzungen ebenfalls geändert haben, oder im Begriff sein, das zu tun. Da diese Änderungssatzungen schwer zu finden sind, habe ich das nicht nachgeprüft.

Die in der Beitragssatzung erwähnten Ablehnungsgründe aus §36 und §37 Zahlungskontengesetz (ZKG) bestehen darin, dass der Betreffende bei der jeweiligen Bank schon ein Basiskonto berechtigt gekündigt bekommen hat, sich dieser Bank gegenüber daneben benommen hat, oder aber, dass die Bank aus Gründen der Prävention von Geldwäsche meint, kein Basiskonto eröffnen zu dürfen. Letzteres könnte daran liegen, dass die hohen Anforderungen an die Identifikation des Kunden und den Nachweis des Kontenzwecks nicht erfüllt werden, oder dass aus irgend einem Grund ein Geldwäscheverdacht gegen den Antragsteller besteht.

Mögliche Gründe für Rechtswidrigkeit

Zum Ort der Zahlung heißt es in der geänderten Satzung nur: „bei der für sie zuständigen Rundfunkanstalt“. Es kann kaum  als zumutbar betrachtet werden, wenn ein Bürger ohne Konto mit Wohnsitz in Fulda oder Kassel nach Frankfurt zum Sitz des Hessischen Rundfunks fahren muss, um seine Beitragsschuld zu begleichen.

Vermutlich verlässt sich der Rundfunk darauf, dass die Barzahlungsmöglichkeit so restriktiv gehalten ist, dass sie niemand in Anspruch nehmen kann. Sonst müsste er an jedem Ort in Hessen eine Bargeldannahmestelle einrichten. Sollte sich dennoch jemand finden, der sein Recht, bar zu zahlen, nachweisen kann, so will der Rundfunk vielleicht dieser Person entweder zumuten gegen den unzumutbaren Erfüllungsort zu klagen, oder einfach darauf verzichten, die Erfüllung der Beitragsschuld durchzusetzen. (Änderungshinweis: Diesen Absatz habe ich am 7.4. neue formuliert.)

Dem Wortlaut nach kann der Rundfunk jährlich die Vorlage zweier Ablehnuungen von Kontoeröffnungen fordern, damit ein Zwangskunde weiter bar bezahlen darf. Das könnte unverhältnismäßig sein.

Problematisch könnte auch der Grund für die Ablehnung eines Basiskontoantrags nach §36 (1) Nr. 3 ZKG sein. Dieser lautet:

„(1) Ein Verpflichteter kann den Antrag auf Abschluss eines Basiskontovertrags ablehnen, wenn der Verpflichtete die Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Aufnahme und das Unterhalten einer Geschäftsbeziehung zu diesem Berechtigten (…) nicht erfüllen kann oder bei der Begründung der Ablehnung gegen das Verbot der Informationsweitergabe nach § 47 Absatz 1 des Geldwäschegesetzes verstoßen würde.“

Bekommt jemand aus Gründen der Geldwäscheprävention (§47 GWG) kein Konto, so darf die Bank die Ablehnung nicht begründen, um Geldwäschern keine Umgehungshinweise zu geben. Vermutlich darf sie sich nicht einmal ausdrücklich auf §36 (1) Nr. 3 berufen. Dann kann sie vermutlich auch keine Bescheinigung über die Ablehnung ausstellen, wie der Rundfunk sie verlangt.

Nach allem was man hört, neigen außerdem viele Kreditinstitute dazu, Menschen ohne eigenes Einkommen abzuwimmeln. Soweit sie das rechtswidrig tun, werden sie kaum eine Bescheinigung darüber ausstellen. In der Regel dürften die Betroffenen allerdings vom Rundfunkbeitrag befreit sein. Menschen, die nicht befreit sind und abgewimmelt werden, müssten auf ein Konto oder eine Ablehnungsbescheinigung klagen, nur um den Rundfunkbeitrag bar bezahlen zu können, selbst wenn sie gar keinen Wert auf ein Konto legen. Das erscheint mir unverhältnismäßig.

Das Ergebnis wäre, dass gegen jemand ohne Konto, der die Unmöglichkeit ein Konto zu bekommen, nicht nachweist, zwangsvollstreckt wird. Dem Gerichtsvollzieher gegenüber darf und muss er die Schuld dann bar begleichen, zuzüglich aller Mahn- und Vollstreckungskosten.

Juristen, die die Neufassung der Bargeldklausel in der Beitragssatzung gelesen haben, äußern sich eher abfällig über deren handwerkliche Qualität. Denn die neuen Tatbestandsmerkmale in der Satzung haben in dieser Form weder eine Grundlage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, noch erschienen sie in der Praxis rechtssicher handhabbar. Die Prozessflut zum Geldthema zwischen der Anstalt und ihren Beitragszahlern dürfte sich so kaum beenden lassen.

Klage oder Normenkontrolle

Allerdings hat die hessische Landesregierung die Rundfunkbeitragssatzung so angepasst, dass Beitragspflichtige nur geringe Chancen haben, mit vollem Erfolg dagegen zu klagen.

Die günstigste Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung ist der Normenkontollantrag beim Verwaltungsgerichtshof gegen die neue Satzung des Hessischen Rundfunks. Gemäß § 47 Abs.2 VwGO gilt: „Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden …. stellen.“ Das muss innerhalb der ersten zwölf Monate nach Erlass einer Verordnung geschehen.

Man kann sich damit unmittelbar gegen den Rundfunk und die neue Vorschrift in der Änderungssatzung wenden und benötigt nicht erst einen zu beklagenden Verwaltungsakt oder Bank-Bescheid. Die Schwierigkeit besteht darin, dass nur Beitragspflichtige ohne Girokonto in der Lage sind, einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof zu stellen.

Korrekturhinweis: Abschnitt zum Normenkontrollantrag dahingehend korrigiert, dass jeder Betroffene den Normenkontrollantrag stellen kann. 

Kosten der Barzahlung

Weil der Rundfunk zur Verteidigung seines Bargeld- und bürgerfeindlichen Handelns vor allem ins Feld führt, die Annahme von Bargeld sei unverhältnismäßig teuer, sei festgestellt, dass das eine Falschbehauptung ist. Diese haben skandalöserweise die Gerichte aller Instanzen, bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof und zum Bundesverwaltungsgericht, ungeprüft akzeptiert, trotz unseres gegensätzlichen Vorbringens.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sogar explizit festgestellt, dass der Hessische Rundfunk seine Behauptung unzumutbar hoher Kosten nicht näher belegt oder erläutert habe, dann aber behauptet, dass dies aber auch so unmittelbar einleuchte. Dabei hatten wir, und vor dem Europäischen Gerichtshof auch die Europäische Zentralbank, wiederholt darauf hingewiesen, dass es Dienstleister gibt, die für kleines Geld die Aufgabe der Bargeldannahme übernehmen. Die Gerichte haben diese Hinweise jeweils angestrengt überhört und ignoriert.

Zum Beleg und zur Veranschaulichung will ich hier den Zahlschein von Barzahlen abbilden, den ein Leser jüngst von seinem Versicherer zusammen mit der Prämienrechnung bekommen hat. Damit kann man die Versicherungsprämie bar und datenschutzfreundlich bei großen Einzelhandelsketten begleichen. Meines Wissens kostet diese Dienstleistung den Rechnungssteller eine Gebühr im Bereich von einem Prozent. Barzahlen veröffentlicht keine Preisliste. Die Gebühr ist Verhandlungssache. Aber der Versicherer konnte und wollte sich das offenkundig leisten. Viele Versorger tun es auch.

Bild, Zahlschein
Zahlschein für Barzahlen statt Banküberweisung

Nachtrag (4.4.): Die neue Satzung des Bayerischen Rundfunks hat den gleichen Wortlaut zu Barzahlung

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Dossier zu meinem Bargeldverfahren mit Zeitstrahl, Begründung und Urteilen und Eingaben

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