Am Tag vor dem Lockdown war die 7-Tage-PCR-Inzidenz auf den deutschen Rekordwert von 272 je 100.000 Einwohner gestiegen. Heute meldete das Landratsamt einen Wert von 324. Ein Anstieg um 19 Prozent während 8 Tagen Lockdown.
Ich schreibe von PCR-Inzidenz und nicht von Infektionen, weil nach einer früheren Meldung des Landratsamts ein Drittel der Menschen mit positiven PCR-Test symptomfrei war. Dann spricht man nach gängiger Definition nicht von einer Infektion.
Was ist los im Berchtesgadener Land? Update 6.11. und vorläufige Schlussbetrachtung
Aber dass der Lockdown nichts zu bringen scheint, scheint keine Rolle zu spielen. Trotz Indizien für Untauglichkeit wurde heute von der Bundesregierung und den Ländern (ohne Beteiligung der Parlamente) ein Lockdown beschlossen, und zwar, weil die 7-Tage-PCR-Inzidenz das befiehlt.
Am gleichen Tag wird das beschlossen, an dem öffentlich wird, dass durch Laborfehler offenbar massenhaft falsch-positive Testergebnisse produziert werden, durch die viele Menschen und vielleicht ganz Landstriche unnötig in Quarantäne geschickt werden.
Das Landratsamt Berchtesgadener Land hat sich in seiner heutigen Covid-Erklärung nicht dazu geäußert, ob das kompromittierte Labor auch positive PCR-Ergebnisse in den Landkreis geliefert hat.
Ich hoffe, dass die Einwohner des Landkreises Druck machen werden, dass diese Information kommt. Immerhin ist ja denkbar, dass sie wegen eines Laborfehlers eingesperrt wurden.
Es ist auch der Tag, in dem eine ganze Reihe von Spitzendverbänden der deutschen Ärzteschaft in einem gemeinsamen Forderungspapier (Link repariert) ein Umsteuern in der Covid-Eindämmung fordert und einen neuen Lockdown als unnötig, unverhältnismäßig und vielleicht sogar in Sachen Epidemiebekämpfung schädlich bezeichnen.
Jetzt kann man natürlich wieder das Totschlagargument führen, ohne Lockdown wäre alles außer Kontrolle geraten und viel schlimmer geworden. Aber dafür spricht nichts. Mit 18 Menschen mit Covid im Krankenhaus, davon 3 in Intensivbehandlung und drei gestorbenen hochbetagten PatientInnen ist die echte Krankheitsinzidenz im Berchtesgadener Land ohnehin im Deutschlandvergleich voll im normalen Bereich.
Ein valideres Argument ist die Inkubationszeit von 5 bis 10 Tagen, bis Krankheitssymptome auftreten. Das bedeutet, dass viele derjenigen, die sich in den ersten Tagen des Lockdowns wegen Krankheitssymptomen testen ließen, schon vor dem Lockdown angesteckt wurden. Insofern muss man noch einige Tage warten, um halbwegs verlässlich einschätzen zu können, ob und wie viel der Lockdown im Hinblick auf die Anzahl der positiven PCR-Tests gebracht hat. Anzeichen dafür gibt es bisher nicht.
Änderungshinweis (29.10.2020): Obigen Absatz auf Hinweis eines Lesers eingefügt. Überschrift und Vorspann entsprechend abgewandelt.
Verräterisch ist der Appell von Landrat Bernhard Kern von heute:
„Mein eindringlicher Appell an alle Bürgerinnen und Bürger im Landkreis: Halten Sie, halten wir weiter durch! Halten Sie sich an die Hygienevorschriften. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können wir es schaffen, dass die Zahlen wieder auf ein normales Maß sinken und wir wie geplant am 3. November die KiGas und KiTas und ab 9. November die Schulen mit einem entsprechenden Hygienekonzept wieder öffnen können.
Die Zahlen müssen sinken, damit die Menschen sich wieder frei bewegen dürfen. Welche Zahlen? Nicht die ohnehin schon nicht hohen Zahlen der Hospitalisierten. Nein. Es geht nur um die positiven PCR-Tests. Der Gott PCR wird im Landratsamt Berchtesgadener Land ebenso wie in Berlin angebetet, unter völliger Hintanstellung von Sinn und Verstand.