Die EZB möchte, dass Sie ihr die Meinung sagen. Tun Sie es bitte!

21. 03. 2020 | Die Europäische Zentralbank (EZB), die mächtigste Institution in Europa, überprüft ihre geldpolitische Strategie und bittet sie, bis 24. April Fragen zu beantworten, was sie von der bisherigen Strategie halten und was die EZB besser machten könnte. Ich habe als Anregung für Sie einige PolitikwissenschaftlerInnen und Ökonomen unterschiedlicher Ausrichtung gebeten, den Fragebogen öffentlich zu beantworten.

Der Fragebogen der EZB ist etwas einseitig formuliert und zielt darauf ab, den Teilnehmern bestätigende Präferenzen zu entlocken, oder solche, die in Richtung der ohnehin von den EZB-Oberen erwogenen Änderungen von der derzeitigen Strategie abweichen. Um den Bogen der in Frage kommenden Optionen etwas weiter zu spannen, habe ich fünf Ökonomen und zwei PolitikwissenschaftlerInnen gebeten, den Fragebogen öffentlich auszufüllen. Vier Ökonomen und ich selbst haben die Fragen beantwortet.

Es handelt sich um den ordo-liberalen Vorsitzenden des Vereins „Monetative“, Joseph Huber, der sich für staatliches Geldschöpfungsmonopol einsetzt, den konservativ-liberalen (Österreichische Schule) ehemaligen Chefvolkswirt der Deutschen Bank und Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute, Thomas Mayer, den linksökologischen Professor für plurale Ökonomik, Helge Peukert, und den keynesianischen Ökonomen und Finanzstaatssekretär unter Oskar Lafontaine, Heiner Flassbeck.

Bitte nehmen Sie an dieser sehr wichtigen Umfrage teil, auch und gerade wenn Sie sich haben einreden lassen, Sie verstünden nichts von Geldpolitik. Jede(r) versteht etwas davon. Die Antworten, die in unterschiedliche Richtung gehen, sollen Ihnen helfen, das zu sehen.

Was Sie erwartet: Im ersten Themenkomplex geht es um die Preisstabilität. Hier weisen die Antwortenden auf den von der EZB unter den Tisch gekehrten Zusammenhang von Preisen und Gehältern/Einkommen hin und kritisieren den engen Fokus der EZB auf Preisstabilität. Im zweiten Komplex geht es um Sorgen und Nöte zur Wirtschaftsentwicklung und Niedrigzinsen. Hier wird aus den Antworten unter anderem deutlich, dass die Politik der EZB vor allem den Vermögenden nützt. Im dritten Themenbereich wird gefragt, was sonst noch wichtig ist, was naturgemäß weit gefächerte Antworten produziert. Im letzten Komplex zur Kommunikation bekommt die EZB heftigen Tadel für dieselbe und für ihre tendenziöse Art ihrer Befragung.

Hier nun der Fragebogen und die Antworten. (Text der EZB ist kursiv; Heiner Flassbeck hat jeweils gesammelt für jeden Fragenkomplex geantwortet).

1. Was bedeutet Preisstabilität für Sie?

Der beste Beitrag, den Zentralbanken zur Verbesserung des Wohlstands aller leisten können, ist Preisstabilität. Diese ist gegeben, wenn die Inflationsrate (also die Rate, um die die Verbraucherpreise durchschnittlich von einem Jahr zum nächsten steigen) niedrig und stabil ist. Zurzeit strebt die EZB eine Inflationsrate von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht an.

Wie wirken sich Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus auf Sie/Ihre Organisation und deren Mitglieder aus?

Joseph Huber: Ich frage mich, ob meine Einkünfte mit den Preissteigerungen Schritt halten.

Thomas Mayer: Das kommt darauf an, was man unter Preisniveau versteht. Ich bin in einer Vermögensverwaltung tätig. Unsere vermögenden Kunden profitieren, wenn die Verbraucherpreise stabil bleiben und die Vermögenspreise steigen. Dafür hat die EZB gesorgt.

Helge Peukert: Ich würde zunächst bezweifeln, dass Preisstabilität zwangsläufig der beste Beitrag ist und v.a., dass es der EZB tatsächlich darum geht und nicht eher um die Aufrechterhaltung eines völlig instabilen Geld- und Finanzsystems. Auch finde ich die Argumentationen, warum zwei Prozent Inflation gleich Preisstabilität ist fadenscheinig.

Norbert Häring: Das hängt stark davon ab, wie stark mein Einkommen relativ zur Veränderung des Preisniveaus steigt.

Was bereitet Ihnen mehr Sorgen: eine zu hohe Deflation oder eine zu hohe Inflation?

Huber: ‚Zu hoch‘ sollen weder Deflation noch Inflation sein. Deflation betreffend das allg. Preis- und Lohnniveau lässt grundsätzlich nur Unerfreuliches erwarten.

Mayer: Die größte Sorge bereitet mir eine Schuldendeflation, d.h., eine Situation serieller Bankrotte. Die EZB wird dafür sorgen, dass dies nicht geschieht, auch wenn der Preis dafür Inflation ist.

Peukert: Rein theoretisch hat das eine wie das andere jeweils positive und negative Seiten. Da man das System über Geldflutung und weiter sich auftürmende Schuldenberge am Leben erhält, ist natürlich die Deflation der Dämon, weil dann das Schuldenkartenhaus zusammenbräche, da dann die Schulden gleichbleiben, die Preise und Einnahmen aber sinken.

Häring: Wenn mein Einkommen konstant bleibt, bereitet mir eine hohe Inflation Sorgen, wenn mein Einkommen mit den Preisen sinkt, dann eine Deflation.

Bei welchen Waren und Dienstleistungen sind Preisänderungen Ihrem Gefühl nach am stärksten spürbar?

Huber: Grundstückspreise, Baukosten, Mieten, Mietnebenkosten, Lebensmittel, Qualitätsprodukte.

Mayer (+Häring): Beim Wohnen.

Peukert: Die Politik der EZB hat dazu geführt, dass die Vermögenswerte (Immobilien, Aktienkurse usw.) in die Höhe schießen: Prima für eher Wohlhabende, schlecht z.B. für Mieter. Typisch, dass Sie nicht nach der Inflation der Vermögenswerte fragen.

Wie relevant ist Ihrer Meinung nach der Anstieg der Wohnkosten für die Inflation?

Huber: Aktuell höchst relevant, in anderen Zeiten ggf auch die Energiepreise. Das sind die ‚Leitpreise‘, die auf alle Preise durchschlagen. Zudem: Ein langfristig überproportionaler Anstieg der Preise von Vermögenswerten bringt eine Abspaltung gehobener Konsumklassen nach oben (Tendenz: neue Klassengesellschaft). Die jetzige Inflationsmessung erfasst das nicht.

Mayer: Sehr relevant. Aber in der Verbraucherpreisstatistik spielen sie nur eine bescheidene Rolle.

Peukert: Er ist auf jeden Fall relevanter als die Gewichtung im Verbraucherpreisindex. Würde man die Gewichtung wie in anderen Ländern einbeziehen und auch selbstgenutztes Wohneigentum angemessen berücksichtigen, bräche das Märchen zusammen, wir kämpften gegen eine potentielle Deflation.

Häring: Die Kosten des Wohnens sind der größte Posten in den Lebenshaltungskosten und daher entscheidend.

Heiner Flassbeck: Ob die Notenbanken in erster Linie für Preisstabilität sorgen sollten, ist eine durchaus offene Frage. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Lohnstückkostenvariation und Inflationsraten, ist es viel eher die Lohnpolitik, die in einem rationalen Arrangement für die Preisstabilität zuständig ist. Damit erübrigen sich eine Reihe der obigen Fragen. Die Festlegung eines Inflationsziels ist wichtig, weil das Inflationsziel der entscheidende Anker für die Lohnpolitik ist. Das Inflationsziel sollte im niedrigen einstelligen Bereich liegen, was bedeutet, dass Deflation auf jeden Fall ausgeschlossen sein sollte. Die Definitionen, die derzeit dafür benutzt werden, finde ich angemessen, jedenfalls führt die Diskussion darüber nicht wirklich weiter.

2. Welche Erwartungen und Sorgen haben Sie in Bezug auf die Wirtschaftsentwicklung?

Welche wirtschaftlichen Faktoren bereiten Ihnen/Ihrer Organisation und deren Mitgliedern zurzeit Sorgen?

Huber: Sorgen bereitet die sich selbst nährende Verselbständigung von umfangreichen Segmenten der Finanzwirtschaft, die nicht zur Finanzierung der gesamtwirtschaftlichen Produktion beitragen; damit einhergehend die wieder zunehmende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen.[Geschrieben als die Corona-Krise noch weniger weitreichend schien N.H.]

Mayer: Mit dem Corona Virus betrat der sprichwörtliche schwarze Schwan die Bühne und traf auf eine fragile Konjunktur und einen Finanzsektor mit Vorerkrankungen. Wie tief wird der konjunkturelle Einbruch? Was bleibt?

Wie haben sich in den letzten zehn Jahren die sich verändernden wirtschaftlichen Bedingungen auf Ihr Leben ausgewirkt (zum Beispiel auf Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt)?

Huber: Meine Vermögensbildung hat trotz der durch die Anleihekäufe der EZB nach oben getriebenen Aktienkurse nicht wie langfristig geplant funktioniert.

Mayer: Da ich im Finanzsektor arbeite, bin ich ein Profiteur der von den Zentralbanken mit ihrer Niedrigzinspolitik vorangetriebenen Finanzialisierung der Wirtschaft. Ich sollte ihnen täglich ein Dankesgebet widmen.

Peukert: Stellen sie solche Fragen eigentlich, um andere Fragen, die direkt die (Noten)Bankpolitik betreffen und vielen Menschen auf den Nägeln brennen, übergehen zu können? Ob wir mit der zunehmenden Finanzialisierung ein Problem haben, was wir von der Bankenunion halten, ob wir die Verteilungswirkungen ihrer Politik für fair halten, warum wir den Eindruck einer großen Koalition zwischen Staatsapparaten, Big Business und (Zentral)Banken haben, ob etwas dagegen getan werden müsste, dass die Finanzinstitute zu groß und zu verwoben sind, als dass man sie Pleite gehen lassen könnte?

Wie wirken sich die niedrigen Zinsen und die Geldpolitik ganz allgemein auf Sie/Ihre Organisation, deren Mitglieder und die Wirtschaft insgesamt aus?

Huber: Die Geld- und Zinspolitik seit über 10 Jahren stützt allein die Banken und den sonstigen Finanzsektor, einschl. überschuldeter Staatshaushalte. Bei den Arbeits- und Sozialeinkommen ist davon wenig angekommen.

Mayer: Ich erlebe eine Scheinblüte und fürchte, dass sie der schwarze Schwan Corona schnell platzen lassen wird.

Peukert: Sicherheitsorientiertes Geldanlegen mit kleiner Rendite ohne Spekulationsabsicht ist out und unmöglich. Wer nicht ins Casino eintritt ist selber schuld, so die Ratschläge aus Politik und Finanzwelt.

Häring: Die niedrigen Zinsen treiben die Kurse und Preise von Aktien, Anleihen und Immobilien nach oben und sorgen für Instabilität an den Finanzmärkten. Sie helfen den Unternehmen durch Senkung der Fremdkapitalkosten, Gewinne zu erzielen oder Verluste zu vermeiden.

Flassbeck: Auch hier spiegeln die Fragen die herrschende Lehre in der Ökonomik, die ich, wie oben schon gesagt, so nicht für richtig halte. Ist die EZB konsequent darauf ausgerichtet, die wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, ist es unumgänglich, dass sie in Zeiten wie heute die Zinsen extrem niedrig hält. Entscheidend ist hier, dass die Unternehmen die Rolle als wichtigster Schuldner in der Volkswirtschaft schon lange nicht mehr ausfüllen. Die wichtigste Aufgabe der Notenbank ist es folglich, dafür zu sorgen, dass der Staat seine Rolle als wichtigster Schuldner angemessen wahrnehmen kann.

3. Welche anderen Themen sind Ihnen wichtig?

Das vorrangige Ziel d. h. die Hauptaufgabe der EZB ist die Gewährleistung von Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet. Ist die Stabilität der Preise sichergestellt, besteht die Aufgabe der EZB darin, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union zu unterstützen. Das bedeutet u. a., auf die nachhaltige Entwicklung Europas hinzuwirken. Diese soll auf einem ausgewogenen Wirtschaftswachstum basieren und auf einer sozialen Marktwirtschaft, die in hohem Maße wettbewerbsfähig ist und auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt. Außerdem sollen der Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität einen hohen Stellenwert haben.trotz

Sollte die EZB Ihrer Meinung nach mehr oder weniger Gewicht auf diese anderen Gesichtspunkte legen und warum?

Huber: Die Zentralbanken können zur Gesamtentwicklung von Preisen, Wirtschaft und Beschäftigung geldpolitisch durchaus beisteuern, im Guten wie Schlechten, sie können diese Entwicklungen aber nicht wirklich steuern. Sie sollten Inflation der Preise von Vermögenswerten in eigenem Recht gleich wichtig nehmen wie Verbraucherpreisinflation. Sie sollten die Kreditgeldschöpfung für nicht wertschöpfungswirksame Finanzaktivitäten steuern.

Mayer: Ich wäre zufrieden, wenn die EZB für stabiles Geld sorgen würde. Da ihr nicht einmal das gelingt, fürchte ich, dass mit der Erweiterung ihres Aufgabengebiets alles noch schlimmer würde.

Peukert: Schön, dass sie alles zusammen und gleichzeitig wollen, wie das tapfere Schneiderlein, und uns die Schlagworte gleich mit servieren. Leider haben auch sie nicht verstanden, dass das oberste Ziel in der Erhaltung der Biosphäre bestehen müsste, dann kommt der Rest.

Häring: Die EZB scheint bisher sehr wenig Gewicht auf diese Aspekte zu legen und sollte das künftig viel mehr tun. Insbesondere Vollbeschäftigung und eine positive Lohnentwicklung sollten eine größere Rolle spielen.

Gibt es außer den genannten noch weitere Aspekte, die die EZB Ihrer Ansicht nach bei ihren geldpolitischen Entscheidungen berücksichtigen sollte?

Huber: Der Bargeldanteil an der Geldmenge geht immer weiter zurück, ebenso ist die von den Banken benötigte Basis an Überschussreserven stark geschrumpft. Die Zentralbanken verfügen damit nicht mehr über einen wirksamen Mengenhebel für herkömmliche Geldpolitik (außer Geldmengenausweitung für den Finanzsektor). Dagegen hilft nur: in großem Stil digitales Zentralbankgeld in den allgemeinen Umlauf bringen.

Mayer: Die EZB kann die Augen vor digitalem Zentralbankgeld nicht mehr verschließen. Dessen Einführung könnte alles schlimmer oder alles besser machen.

Peukert: Mir gefällt nicht, dass Sie die Fragen so stark vorkanalisieren und auf im engeren Sinne geldpolitische Entscheidungen verengen. Tatsächlich spielen Sie doch auf viel größerer Bühne, indem sie die weiter oben genannten Strukturen absichern. Als Sie der griechischen Regierung die Bargeldversorgung abdrehten, Europas Süden soziale und gesundheitspolitische Kahlschlagsprogramme aufnötigten, haben Sie zum Beispiel eine hegemoniale Politik ohne jede demokratische Legitimation betrieben.

Häring: Sie sollte sich in ihrer Geldpolitik nicht so abhängig von den Banken machen. Es darf nicht sein, dass die EZB als Regulierer der Banken ständig davon redet und so handelt, als wären hohe Gewinne der Banken zentral für das Wohl der Volkswirtschaft. Dadurch befördert sie das Davonlaufen der exorbitanten Gehälter in der Finanzbranche und damit die Ungleichheit. Stattdessen sollte sie direkt etwas gegen die Ungleichheit tun, zum Beispiel mit Helikoptergeld. In normalen Zeiten hieße das, Schecks an alle Bürger. In Corona-Krisenzeiten hieße es, dass die EZB mit frischem Geld die Krisenbewältigung durch die Regierungen finanziert.

Wie wird sich der Klimawandel auf Sie/Ihre Organisation, deren Mitglieder und die Wirtschaft auswirken?

Huber: Die Zentralbanken sollen die Geldbasis und quantitativ die Kreditgeldschöpfung kontrollieren, nicht die Geldverwendung jenseits der fundamentalen Gliederung in wertschöpfungswirksame und nicht zur Wertschöpfung beitragende Geldverwendungen. Umweltpolitik kann so wenig Sache der Zentralbanken sein wie konkrete Industrie-, Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Sozial-, Einkommens- oder Militärpolitik. Die Zentralbanken können und sollen nicht die Aufgaben der Regierung übernehmen. Sie könnten jedoch nach strikter Maßgabe rein monetärer Kriterien den Geldschöpfungsgewinn zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben einsetzen (Helikoptergeld, Bürgerdividende).

Mayer: Die Hypothese vom menschengemachten Klimawandel ist eine ernst zu nehmende, aber nicht unfehlbare wissenschaftliche Aussage. Klimapolitik ist daher Risikomanagement, bei dem das Verhältnis von Chance und Risiko von der Politik sorgfältig abgewogen werden muss. Dabei haben die Bürokraten der EZB nichts verloren.

Peukert: Der Klimawandel wird in den nächsten 10-20 Jahren zum Untergang unserer Zivilisation führen, sofern wir den Ressourcenverbrauch in den Metropolen nicht insgesamt um 80 Prozent reduzieren und pro Nase nicht mehr als 2,5 Tonnen CO2 pro Jahr verbrauchen. Mit zusätzlichen Billionen Euro in Green Investments und einem von Wachstum abhängigen Schuldgeldsystem wird das nicht gehen.

Häring: Der Klimawandel ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Problem, aber keines, mit dem sich die EZB befassen müsste. Es ist ein allgemeinpolitisches Problem, dass die demokratischen Institutionen dringend anzugehen haben, und das die EZB dann auf deren Wunsch unterstützen sollte, so gut sie kann.

Flassbeck: Meine bisherigen Antworten zeigen, wo und wie ich die Aufgabe der Geldpolitik sehe. Strukturelle Fragen, also auch Fragen des Umweltschutzes und des Klimawandels gehören nicht zu den Aufgaben des einzigen Bereichs der Volkswirtschaft, der makroökonomisch ausgerichtet ist. Fragen der Finanzaufsicht können von der EZB oder einer eigenen Institution behandelt werden, ich plädiere für eine Trennung.

4. Wie können wir am besten mit Ihnen kommunizieren?

Uns ist bewusst, dass es für Entscheidungen rund um das Ausgeben, Sparen oder Anlegen von Geld bzw. für die Kreditaufnahme hilfreich ist, zu wissen, wie die Geldpolitik funktioniert. Wir möchten gerne wissen, wie gut es uns bislang gelungen ist, unsere Maßnahmen und deren Hintergrund zu erklären.

Inwieweit fühlen Sie sich gut informiert über die EZB/Ihre nationale Zentralbank?

Mayer: Die EZB versteckt sich hinter Modellen, die sich dem gesunden Menschenverstand nicht erschließen. So kann man kein Vertrauen erwerben.

Peukert: Ich habe das Gefühl, dass die EZB ein geschlossener Monolith ist, was sich bereits im Gebäude und den Absperrungen zeigt (im Unterschied z.B. zur Bundesbank). Ich fühle mich manipuliert, wenn man immer behauptet, nur an Preisstabilität ausgerichtet zu sein und doch tatsächlich eine Art autokratische Ersatzpolitik betreibt, mit unkonventioneller Geldpolitik, Negativzinsen usw., die doch seit 10 Jahren eine Art monetäre Zentralverwaltungswirtschaft darstellt.

Häring: Ich fühle mich nicht offen informiert, weil die EZB und die nationalen Zentralbanken, das, was sie wirklich tun, hinter Floskeln verstecken.

Wie könnte die EZB/das Eurosystem die Vorteile von Preisstabilität und die mit einer zu hohen oder zu niedrigen Inflation verbundenen Risiken besser erklären?

Huber: Preisstabilität ist wichtig, aber darauf einseitig herumzureiten bringt nichts, zumal die Zentralbanken das nicht wirklich unter Kontrolle haben können (außer durch Förderung extremen Über- oder Unter-Angebots an Geld und Kredit). Die Zentralbanken sollten sich an einem breiteren Kranz von Indikatoren orientieren; statt operativer Ziele zu setzen besser kritische Schwellenwerte bzgl dieser Indikatoren benennen.

Mayer: Indem sie dem gesunden Menschenverstand folgt, der Geld als Mittel zum Tausch und zur Wertaufbewahrung begreift und nicht als Instrument des „economic engineering“ mit extrem fragwürdigen Methoden.

Peukert: Das hätten sie wohl gerne, dass wir uns auf Ihr Inflationsgerede ablenken lassen und nicht z.B. überdehnte Schattenbanken, den Hochfrequenzhandel, das Geldschöpfungsprivileg der Privatbanken u.a. thematisieren, die ohne ihre permanenten Stützungsaktionen schon lange den Bach hinuntergegangen wären.

Häring: Das ist eine tendenziöse Frage, die voraussetzt, dass ich die Werturteile der EZB in dieser Hinsicht teile. Das ist nicht der Fall. Ich finde zum Beispiel, dass es für die Risiken der Inflation einen großen Unterschied macht, was die Quellen dieser Inflation sind, ob zum Beispiel die Marktmacht der Unternehmen steigt, oder ob die Gehälter steigen, und welche Gehälter. Inflationsbekämpfung darf nicht bedeuten, die Einkommensverteilung festzuschreiben.

Was können wir tun, damit Sie unsere Entscheidungen und deren Folgen für Sie besser verstehen?

Mayer: Weniger Expertenkauderwelsch auf der Grundlage ökonomischer Pseudowissenschaft und mehr klare Botschaften auf der Grundlage des gesunden Menschenverstands.

Peukert: Sie müssten ehrlich sagen, dass sie die Bank für die Banken und mit ihnen verbündeter Staaten sind, deren Überlebensinteressen vertreten und die Interessen des Durchschnittsbürgers wenig zählen. Das können sie aber nicht offen zugeben, da dann ihre Legitimation weg wäre.

Häring: Ehrlicher sein. Zum Beispiel davon reden, dass sie durch höhere Zinsen eine höhere Arbeitslosigkeit herbeiführen wollen, wenn Sie (zu hohe) Lohnsteigerungen und Inflation verhindern wollen. Davon reden, dass sie die Aktienkurse und die Bilanzen der Finanzinstitute stützen wollen, wenn das der Fall ist. Nicht von „Strukturreformen“ reden, wenn Deregulierung, Privatisierung und Abbau von Arbeitnehmerrechten gemeint sind.

Flassbeck: Die gesamte Kommunikation der Notenbanken und der Wirtschaftspolitik in Europa leidet darunter, dass sie sich implizit auf die neoklassische Lehre stützen, ohne das klar zu sagen und auch gegenüber der Öffentlichkeit zu kommunizieren, dass das nur eine Variante von Ökonomik ist. Wir leiden unter einer nahezu vollständigen Sprachlosigkeit der Politik und der Notenbanken, was unter informierten Menschen und denen, die selbst nachdenken wollen, eine große Frustration auslöst. Zur Sprachlosigkeit gehört auch die Unfähigkeit, die europäischen Probleme angemessen zu benennen, wo die EZB zwar immer wieder einmal Ansätze gezeigt hat, schließlich aber doch nicht bereit war, offen das deutsche Problem des Lohndumpings anzusprechen.

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