Trotz seines offenbar riesigen Einflusses gelingt es dem Global Disinformation Index fast gänzlich unbemerkt von der Öffentlichkeit sein Unwesen zu treiben. Einen Wikipedia-Eintrag gibt es nicht. (Wenn jemand versuchen mag, einen anzulegen, möge er mir von seinen Erfahrungen berichten. Nachtrag 23.4.: Derzeit ist der Entwurf eines Wikipedia-Eintrags vorhanden, der noch nicht von Editoren begutachtet wurde.) Der Name taucht, selbst wenn es um Zensur geht, so gut wie nie auf. Es gibt eine Netzseite des GDI für die Kundschaft, aber die verschleiert mehr als sie über die Organisation offenbart.
Wir erfahren zwar detailliert wie sich die Beschäftigten aufschlüsseln nach Alter (jung), Geschlecht (v.a. weiblich), Hautfarbe und Region (Hälfte Europa, meiste übrige Nordamerika, aber auch andere Kontinente), aber nicht einmal ansatzweise, wie groß die Belegschaft ist.
GDI gibt an, zwischen Gründung 2018 und Juni 2023 mehr als 700 Millionen Netzseiten in mehr als 40 Sprachen analysiert zu haben. Die künstlich intelligente Software analysiere Inhalte in mehr als 13 Sprachen, darunter Deutsch. In den anderen mehr als zwei Dutzend Sprachen werde „von Hand“ analysiert“.
Trotzdem sollen wir glauben, dass GDI eine „kleine, unabhängige Organisation“ ist. Wie klein kann man sein, um so etwas zu bewerkstelligen? Es sei denn, man hat große befreundete Organisationen, wie vielleicht die CIA oder die Open Society Foundations von George Soros, die die Programme schreiben und optimieren und einen Großteil der Arbeit erledigen.
George Soros und Geheimdienste
Dass dieser Gedanke nicht ganz abwegig ist, zeigt sich schon an den beiden Gründern der Organisation.
Das interessanteste über die Gründerin Clare Melford liest man nicht in ihrer Kurzbiographie bei GDI, sondern in der beim Weltwirtschaftsforum. Dort steht, sie habe zuvor „den Übergang des European Council on Foreign Relations vom Status einer Untergliederung von George Soros‘ Open Society Foundation in den Status der Unabhängigkeit“ geleitet.
Der zweite Gründer, Daniel Rogers, firmiert in seiner Kurzbio offen als Geheimdienstler. Er habe erst für die Geheimdienst-Community gearbeitet, dann Terbium Labs gegründet und geleitet, ein Informationssicherheits- und Darknet-Aufklärungs-Startup, bevor er GDI gründete. Außerdem ist er Security Fellow des Truman National Security Project, einer militaristischen Organisation, die die Sichtweisen und Vorlieben des Geheimdienstsektors in Politik und Gesellschaft trägt.
Über das Budget von GDI erfährt man nichts. Geldgeber werden „selektiv“ aufgeführt. Neben der Open Society Foundation und Luminate (von Ebay-Gründer Pierre Omidyar) sind darunter auch die EU und die Bundesregierung. Außerdem bei den Geldgebern die britische Regierung, sowie eine Organisation namens „Disinfo Cloud“, die vom US-Außenministerium gegründet wurde und finanziert wird.
Dass Regierungen mit zu den Geldgebern gehören, begründet GDI vor allem damit, dass Russland so eine Bedrohung in Sachen Desinformation darstelle, die abgewehrt werden müsse.
Haupteinnahmequelle seien aber Lizenzgebühren, die GDI dafür bekommt, dass Werbetreibende, bzw. deren Dienstleister, das Hauptprodukt von GDI nutzen, eine „Dynamische Ausschlussliste“ (Dynamic Exklusion List). Dazu später mehr.
Als Zwischenfazit können wir festhalten, dass wir bereits sagen können, dass der Anspruch von GDI, man arbeite auf der Basis der drei Prinzipien Neutralität, Unabhängigkeit und Transparenz, in keinem Punkt der Wahrheit entspricht.
Die Dynamische Ausschlussliste
Gestoßen bin ich auf GDI über ein Youtube-Video von Freddie Sayers, Chef der britischen Nachrichtenseite UnHerd. Darin beschreibt er, was UnHerd und den von UnHerd beauftragten Werbeagenturen widerfuhr, als das Magazin letztes Jahr anfangen wollte, Werbung auf der Netzseite auszuspielen. Die Buchungen waren nur ein Bruchteil dessen, was die Agenturen in Anbetracht der sehr großen Nutzerzahlen von UnHerd in UK und USA erwartet hatten.
Von einer der drei beteiligten Agenturen erfuhr Sayers schließlich den Grund. Die Agentur nutzte eine technische Plattform namens grapeshot (die von Oracle gekauft worden war), die wiederum die Ausschlussliste von GDI benutzte. Diese soll (angeblich) Werbende davor bewahren, Werbung auf toxischen Netzseiten zu schalten und dadurch den eigenen Ruf zu schädigen.
Auf seine Beschwerde hin bekam UnHerd nach Wochen die Antwort von GDI, dass die Einstufung als toxisch nicht geändert werde, weil es dort Anti-LGTBQI+-Narrative zu lesen und zu sehen gäbe. Das bezog sich auf Interviews mit und Texte von Menschen, die leichten Zugang zu Geschlechtsumwandlung bei Kindern kritisieren oder die Meinung vertreten, das biologische Geschlecht sei real und habe eine Bedeutung und nicht jeder solle beliebig selbst festlegen und wieder ändern können, welches Geschlecht er habe. Das sind Positionen, die Umfragen zufolge sehr große Teile der britischen (und der deutschen) Bevölkerung teilen.
Hier geht es also um Meinungen zu einem umstrittenen Thema, nicht um Desinformation. Für GDI fällt aber auch das unter Desinformation, denn ganz ähnlich, wie die Grünen-Fraktion uns jüngst erklärt hat, können auch Wahrheit oder Meinung Desinformation sein, wenn sie konfrontativ sind und dadurch gesellschaftliche Konflikte verstärken (könnten). Ob die Grünenfraktion sich wohl deshalb so gut dabei auskennt, wie breit Desinformation inzwischen zu definieren ist, weil das grün geführte Außenministerium zu den staatlichen Geldgebern von GDI gehört?
Publikationen aushungern
Der selbst gestellte Auftrag von GDI lautet: „Das Geschäftsmodell von Online-Desinformation zu zerstören, indem entsprechende Publikationen finanziell ausgehungert werden.“
Ausgesucht werden Kandidaten für das Aushungern vor allem aufgrund eigener Recherchen von GDI (GDI’s intelligence monitoring), aufgrund von Hinweisen von fremden Diensten (third party intelligence sources) und via Kontaktschuld, indem geschaut wird, wer auf indexierten Netzseiten als Leser zu Gange ist, und welche Netzseiten diese Leser sonst noch besuchen.
Besonders kritisch ist bei dieser Zensurunternehmung die Definition von Desinformation. Einerseits behauptet GDI zu Beginn seiner Definition:
„Desinformation, wie wir den Begriff verwenden, bezeichnet keine Informationen, über die vernünftige Parteien unterschiedlicher Meinung sein können, wie etwa unterschiedliche politische Ansichten.“
Wenn die Definition damit aufhören würde, wäre alles viel weniger perfide. Doch es geht lange weiter, und was danach kommt, verneint den vernünftigen ersten Satz.
„Das GDI betrachtet Desinformation durch die Linse des konfrontativen narrativen Konflikts.“
Derartige konfrontative (man könnte auch sagen: kritische) Narrative werden anhand folgender Merkmale identifiziert:
- „sie haben die Absicht, in die Irre zu führen;
- sie sind finanziell oder geopolitisch motiviert;
- sie zielen darauf ab, langfristige soziale, politische oder wirtschaftliche Konflikte zu schüren;
- sie bergen das Risiko, gefährdeten Personen, Gruppen oder Institutionen Schaden zuzufügen.“
Die Absicht, in die Irre zu führen, ist eine Unterstellung, kein objektives Kriterium, ebenso meist die geopolitische Motivation. Hier bewegen wir uns in das Stammgebiet der Geheimdienste, die am ehesten herausfinden können, ob fremde Mächte die Hände im Spiel haben. Das dritte Kriterium, finanzielle Motivation, sollte eigentlich für ein professionell betriebenes Medium als Selbstverständlichkeit gelten, nicht als anrüchig.
Bleiben das Schüren von Konflikten, also eine regierungskritische Haltung, und das Risiko (es reicht das Risiko!) einer Gefährdung von „gefährdeten Personen, Gruppen und Institutionen“. Wie man aus der Antwort von GDI an UnHerd ablesen kann, gefährdet man Gruppen wie LGBTusw. schon, wenn man anderer Meinung ist als deren Für- und Lautsprecher.
Ein hohes Risiko, auf dem Index zu landen, haben folglich erfolgreiche Nachrichten- und Kommentarseiten, auf denen Regierungskritik geübt wird, verschärft dann, wenn es auch um geopolitische Themen geht oder um Identitätspolitik oder Migration. Das sind alles politisch umstrittene Themen, zu denen verständige Menschen leicht unterschiedlicher Ansicht sein können.
Wer auf diesem globalen Index steht, ist mit einem Werbeboykott konfrontiert, von dem die werbetreibenden Unternehmen und offenbar auch die Werbeagenturen oft gar nichts wissen. Denn die Verbindung der automatisierten Ausspielung von Werbung zu dem Index findet versteckt im dunklen Maschinenraum des Online-Werbemarktes statt, dort wo selbst die Profis kaum hinschauen.
Boykotte schaden auch den Boykotteuren
Für die Verantwortlichen in werbetreibenden Unternehmen und Werbeagenturen ist es wichtig, zu prüfen, ob Fachabteilungen oder externe Kooperationspartner wissentlich oder unwissentlich, direkt oder indirekt, bei der Ausspielung von Online-Werbung den GDI-Index berücksichtigen.
Denn die Nutzung dieses Index schädigt die Interessen der meisten Werbetreibenden. Sie erreichen nur einen Teil der Bevölkerungsgruppen, die sie erreichen möchten, nämlich nur diejenigen, die nicht mit extremen identitäts-, minderheits-, klima- und migrationspolitischen Positionen über Kreuz liegen, wie sie George Soros und andere mächtige Kreise weiterhin vertreten und durchsetzen. Inzwischen sind es allerdings zunehmend diese Extrempositionen, deren Nähe man vermeiden sollte, wenn man seinen Ruf nicht gefährden will.
Dagegen verzichten Nutzer der Liste auf die Ansprache breiter Bevölkerungsgruppen, die Publikationen lesen, die sich kritisch mit der Regierungspolitik auseinandersetzen. Dabei wäre die Werbung in diesen Gruppen sehr kostengünstig, solange andere Unternehmen die Boykottliste von GDI berücksichtigen und damit die Nachfrage nach Werbeplätzen bei den boykottierten Publikationen senken.
Es gibt noch mehr solche Listen
Auf etwas ganz ähnliches stieß vor kurzem das Magazin Overton. Im Internetzugang der Bahn wurde die Netzseite des Magazins gesperrt. Nutzer bekamen den Hinweis, die Seite sei nicht erreichbar. Bei Recherchen stellte sich heraus, dass der Grund wohl eine von der Internet-Sicherheitsfirma McAfee genutzte Blockierliste für gefährliche Netzseiten war. Diese soll Internetnutzer vor Netzseiten schützen, bei deren Aufruf sie sich Trojaner und andere Schadprogramme einfangen können.
McAfee antwortete, anders als die Bahn, immerhin und nahm Overton von der Sperrliste, allerdings ohne sich zu entschuldigen oder zu erklären, wie es zu dieser Sperrung gekommen war. Möglicherweise konnte man es gar nicht, weil die Liste gar nicht bei McAfee selbst, sondern noch tiefer im Maschinenraum des Internets gepflegt wird.
Darauf deutet eine weitere Sperre hin. Auch bei der Stadtbibliothek in Rudolstadt, war auf den Computern, die Besucher benutzen können, Overton nicht erreichbar. Diese werden aber nicht durch den Filter von McAfee, sondern von UTM Web Protection der Firma Sophos vor gefährlichen Netzseiten geschützt. Es scheint also eine Sperrliste zu geben, die von beiden Unternehmen genutzt wird.
Es liegt auf der Hand, dass mit einer solchen Sperrliste auch zensorisches Schindluder getrieben werden kann, insbesondere, weil die Strukturen und Verantwortlichkeiten so undurchsichtig sind. Bemerken die Betroffenen irgendwann, dass etwas nicht stimmt, und finden heraus, woran es liegt und an wen sie sich wenden können, dann nimmt man sie halt von der Liste. Der bis dahin aufgelaufene Schaden bleibt.
Mir selbst, bzw. Lesern, die meine Beiträge per Facebook verbreiten wollten, passierte etwas, was in die gleiche Richtung geht. Mehrfach wurden regierungskritische Beiträge ohne jeden nachvollziehbaren sachlichen Grund als potentiell das Verbot von Gewaltdarstellung und drastischen Inhalten missachtend eingestuft und deshalb an der normalen Weiterverbreitung gehindert. Auf Proteste der Nutzer hin, korrigierte Facebook die falsche Einstufung, aber die Zensur mit dem grotesk falschen Argument ging auch danach immer weiter. Auch der Blog-Beitrag, in dem ich über diese Facebook-Zensur geschrieben habe, wurde bei versuchter Verbreitung über Facebook ausgebremst.
Da wenig plausibel ist, dass eine KI-Software so fehlerhaft programmiert ist, dass sie derart unsinnige Ergebnisse ausspuckt, nehme ich an, dass meine Beiträge zu viele Schlagwörter enthielten, die irgendwelche „Faktenchecker“ auf den Index gesetzt haben. Vielleicht sind das auch schon erste Ergebnisse des Projekts Hatedemics. Das ist ein von der EU mit einer Million Euro finanziertes Projekt zur Entwicklung von Software („Künstlicher Intelligenz“) zur Ausforschung des digitalen Raums nach oppositionellen Ansichten und Umtrieben. Die KI soll sogenannte zivilgesellschaftliche Organisationen und Regierungsstellen in die Lage versetzen, Hassrede, Verschwörungstheorien und Desinformation zu entdecken, und an Plattformen wie Facebook zu melden.
Ziemlich sicher aber ist es eine Konsequenz der vom Facebook-Mutterkonzern Meta angekündigten Absicht, auf den Plattformen des Unternehmens den Nutzern weniger Beiträge mit politischen Inhalt zuzumuten, weil diese das angeblich nicht wollen. Damit reagiert Meta mutmaßlich auf den starken Druck der Regierungen auf die Plattform-Anbieter, regierungskritische Meinungen und Informationen zu unterdrücken.