Was ich hier beschreibe, ist kaum zu glauben, aber wahr. Es geht um das neue Nato-Hauptquartier in Rostock, das von der Bundeswehr, der Nato und den Medien anfangs so geannnt wurde, dann aber in nationales Marinehauptquartier umbenannt wurde, nachdem eine Diskussion entbrannt war, ob das nicht den Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen den Siegermächten, der BRD und der DDR verletze. Dieser Vertrag verbietet die Stationierung oder Verlegung ausländischer Streitkräfte in oder nach Ostdeutschland. Die Medienberichte wurden danach ohne Änderungshinweis an die neue Srpachregelung von Nato und Bundeswehr angepasst. Die Pressemitteilung der Nato wurde einfach gelöscht.
Hier soll es um einen sogenannten Faktencheck des NDR vom 23.10. gehen, in dem, wie berichtet, grob falsch behauptet wird, die Stationierung ausländischer Streitkräfte in Ostdeutschland oder deren Verlegung dorthin sei durch den Vertrag nur bis 1994 ausgeschlossen worden. Diese zeitliche Begrenzung findet sich in Art.5 Abs.1 des Vertrags. In Abs.3 wird dann jedoch die Stationierung oder Verlegung ausländischer Streitkräfte auf Dauer ausgeschlossen: „Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert, noch dorthin verlegt.“ Ich musste am 30. Oktober zu meiner Überraschung feststellen, dass der NDR den Bericht mit dem Unsinn über den 2+4-Vertrag immer noch nicht gelöscht oder korrigiert hatte. Hielt er ihn tatsächlich für korrekt?
Also fragte ich den vom NDR zitierten Sebastian Bruns, Experte für maritime Sicherheit und transatlantische Beziehungen an der Universität Kiel, ob er richtig zitiert worden sei, und wenn ja, wie seine Behauptung mit Abs.3 von Art.5 in Einklang zu bringen sei. Er war zitiert worden mit:
„In Artikel 5 des Vertrags heißt es, dass bis zum Abzug der sowjetischen Truppen keine ausländischen Streitkräfte in Ostdeutschland stationiert werden dürfen. Dieser Abzug war jedoch bereits 1994 abgeschlossen, und der Vertrag sieht nach dieser Frist keine dauerhafte Beschränkung vor. „Ich empfehle allen, den Zwei-plus-Vier-Vertrag selbst zu lesen“, so Bruns zu NDR MV. „Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen gibt es keine Verpflichtung mehr, die Stationierung ausländischer Kräfte grundsätzlich zu verbieten. Deutschland hat sich aus Rücksicht auf Russland viele Jahre daran gehalten, aber rechtlich ist dieses Verbot nach 30 Jahren nicht mehr bindend.““
Bruns antwortete mir, er sei richtig zitiert worden. Allerdings habe der Sender den Nachsatz weggelassen, wonach er „als Politikwissenschaftler und Marineexperte diese Beurteilung ganz gerne den Völkerrechtsexperten überlasse“. Der Hauptexperte den der NDR für seinen Faktencheck in dieser Völkerrechtsfrage heranzieht, hat sich also dem Sender gegenüber selbst als Nichtexperte eingestuft.
Aber es kommt noch wilder. Bruns teilte mir nämlich auch mit, dass die Basis für seine Aussage ein Faktencheck der Deutschen Welle (DW) zum Thema gewesen sei. Der vom NDR in Anspruch genommene Nichtexperte für Völkerrecht gibt also in seiner groß verbreiteten Antwort nur das wieder, was er bei den öffentlich-rechtlichen Faktenchecker-Kollegen des interviewenden Senders gelernt zu haben glaubt. Außerdem habe er „Gespräche mit Rechtswissenschaftlern geführt, die mir näherbrachten, dass es in der Wissenschaft eine emotionale Auseinandersetzung über das Für und Wider der Klauseln im Vertrag gibt“. MIt anderen Worten: klare Warheiten gibt es hier offenbar nicht.
Die Faktenchecker von DW haben aber gar nicht behauptet, was Bruns meint, von ihnen gelernt zu haben. Sie haben nur durch sehr kunstvolles Arrangement der ebenso kunstvollen Formulierungen beim oberflächlichen Leser sehr stark den Eindruck erweckt, dass das Stationierungsverbot nicht mehr gelte. Zu ihrem Unglück gehören die NDR-Kollegen und Nichtexperte Bruns in die Kategorie der oberflächlichen Leser, die sich dadurch haben täuschen lassen.
Dass den Faktencheckern von DW eine Aussage des Verteidigungsministeriums und Aussagen von zwei Angestellten der Universität der Bundeswehr genügen, um einen Vorwurf gegen ebendiese Institutionen als klar falsch einzustufen, ist eine bei dieser Art regierungshörigen Faktencheckern leider übliche Absurdität. Nicht viele Leute kämen ins Gefängnis, wenn es an Gerichten auch so zuginge. Der zusätzlich zitierte Terrorismusexperte einer schottischen Universität reisst es dann irgendwie auch nicht mehr heraus. Ein Rechtsexperte ist auch er nicht. Zum 2+4-Vertrag schreibt DW:
„In Artikel 5, Absatz 1 des Vertrags heißt es, dass bis alle sowjetischen Streitkräfte damals abgezogen sind, Streitkräfte anderer Staaten auf diesem Gebiet nicht stationiert werden dürfen oder andere militärische Tätigkeiten dort ausgeübt werden dürfen. Dieser Absatz bezieht sich also ausschließlich auf die damalige Zeit.“
Das ist soweit richtig. Dann geht es weiter mit Einlassungen des Terrorismusexperten zum historischen Kontext und der richtigen aber hier nicht relevanten Feststellung:
„Grundsätzlich gilt, dass Deutschland mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag souverän ist und somit auf seinem Gebiet mit seinen Streitkräften verfahren kann, wie es möchte, mit ein paar Ausnahmen hinsichtlich von Nuklearwaffen.“
Es ist richtig, dass Deutschland auf seinem Gebiet mit SEINEN Streitkräften seit 1995 verfahren darf, wie es möchte. Aber im Disput geht es um die internationalen Streitkräfte, die in Rostock eventuell stationiert sind oder dorthin verlegt worden sind. „Was die Stationierung der NATO-Truppen oder Raketen in Ostdeutschland angeht“ ergänzt DW diese irrelevanten, aber leicht in die Irre führenden Ausführungen, so besagt Artikel 5, Absatz 3 klar: „Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt“, und weiter: „Das ist bei der neuen Funktion der Kommandozentrale in Rostock auch nicht der Fall. Somit verstößt sie auch nicht gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag.“
Hier erklärt DW einfach mal so den 3. Absatz von Art.5 für irrelevant, weil keine ausländischen Streitkräfte stationiert würden, so als sei das offenkundig. Die Tatsache, das Abs.3 die zeitliche Begrenzung des Verbots der Stationierung ausländischer Truppen aus Abs.1 aufhebt, macht man so vergessen. Damit hat man es wohl geschafft, die Kollegen vom NDR und Sebastian Bruns in die Irre zu führen. Und so behaupten sowohl der Moderator als auch Bruns fälschlich, dass es nur bis 1994 ein Verbot der Stationierung internationaler Streitkräfte nach Ostdeutschland oder deren Verlegung dorthin gegeben habe. Wahrscheinlich glauben es die Leute beim NDR immer noch, weshalb sie ihren eklatant falschen Beitrag noch nicht korrigiert oder zurückgezogen haben.
Und so steht in den „FAQ zum Zwei-plus-Vier-Vertrag“ am Ende des sogenannten Faktenchecks des NDR weiterhin:
„Verbietet der Vertrag NATO-Streitkräfte in Ostdeutschland?
Ja, aber nur bis zum Abzug der sowjetischen Truppen im Jahr 1994. In dieser Übergangsphase war es verboten, ausländische Streitkräfte – also auch NATO-Truppen – in Ostdeutschland zu stationieren oder militärische Aktivitäten durchzuführen. Nach 1994 endete diese Beschränkung. Seither dürfen deutsche Truppen in Ostdeutschland stationiert werden, auch solche, die NATO-Strukturen angehören. Ein generelles Verbot für NATO-Streitkräfte in diesem Gebiet gibt es nach 1994 nicht mehr.“
Das ist falsch. Die Beschränkung, dass keine ausländischen Streitkräfte in Ostdeutschland stationiert oder dorthin verlegt werden dürfen, endete wegen des 3. Absatzes von Artikel 5 des Vertrags nicht und gilt auf unbegrenzte Zeit fort. Nur deutsche Nato-Truppen sind seither erlaubt.
Fazit
Deutsche Welle und NDR schaffen es in zwei Faktenchecks zu einem völkerrechtlichen Vertrag nicht, wenigstens einen Völkerrechtler oder auch nur Rechtswissenschaftler als Experten beizubringen. Stattdessen schafft es DW durch irreführendes Arrangement von Aussagen, die Kollegen vom NDR zu täuschen, Diese geben daraufhin eine selbst für Laien fast offenkundige Falschinterpretation des 2+4-Vertrags als Wahrheit aus und bezeichnen auf dieser Basis entgegenstehende Aussagen als falsch. Es ist wirklich an der Zeit, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihre staatstragenden Faktencheckerteams endlich auflösen, die sie mit so schöner Regelmäßigkeit blamieren und aller Welt die viel zu große Staatsnähe der Sender vor Augen führen.