Warum Autobahnblockaden und Kurzduschaufrufe dem Klima schaden

3. 07. 2022 | Radikale Klimaschützer kleben sich auf Autobahnen, grüne Politiker fordern uns auf weniger zu duschen und stimmen uns auf kältere Wohnungen im Winter ein – zur Rettung des Weltklimas und gegen den Krieg. Tatsächlich schaden sie so dem Klima und dem Frieden, denn sie nähren die tieferen Ursachen von Umweltzerstörung und Konflikten.

Es ist kein Zufall, dass engagierte Umweltschützer und Politiker so radikale Maßnahmen wählen, um ihre Ziele zu erreichen. Wenn das Ziel wichtig genug ist, dann ist jedes Mittel recht. Das gilt, wenn die Welt unterzugehen droht ebenso wie wenn Krieg ist. Deshalb bemühen auch diejenigen, die radikale, eher unpopuläre  Maßnahmen durchsetzen wollen, so gern die Metapher des Krieges, wie etwa beim Krieg gegen den Terror und beim Krieg gegen alles mögliche sonst.

Beim Krieg gegen den Terror ist es besonders augenfällig geworden, wie kontraproduktiv es ist, den Teufel mit Beelzebub austreiben zu wollen. Kaum etwas hat radikalen Gruppen so viele Nachwuchsterroristen beschert wie Washingtons grausamer und ungerechter Krieg gegen den Terror. Er hat das Gefühl von Ungerechtigkeit und Machtlosigkeit in weiten Teilen der arabischen Welt massiv verstärkt, das man wohl als tiefere Ursache des arabischen Terrors betrachten darf.

Bei den Autobahnblockaden und den Kurzduschappellen tritt das gleiche Problem auf. Wer die Welt retten und Frieden auf Erden herbeiführen will, der tut das besser nicht mit Methoden, die Unfrieden und Frustration schaffen.

Das CO2, das für die Erderwärmung verantwortlich gemacht wird, fällt ja nicht vom Himmel. Es wird von uns Menschen und dem, was wir tun, freigesetzt. Dass so viel freigesetzt wird, liegt daran, dass wir so viel konsumieren und dabei so wenig auf die belebte und unbelebte Natur achten.

Das wiederum hat tiefere Gründe. Konsumerismus hat mit dem Versuch zu tun, unerfüllte Bedürfnisse durch materiellen Besitz und Verbrauch zu befriedigen. Unsicherheit, Vereinzelung, Fremdbestimmtheit und mangelnde Anerkennung führen zu Ersatzbefriedigung und übersteigertem Streben, die soziale Leiter emporzusteigen oder bloß nicht abzusteigen, auch indem wir das neueste i-Phone (oder wenigstens nicht das älteste Huawai), coole Klamotten und andere Statussymbole unser eigen nennen.

Wenn uns schon nicht genug Respekt und Selbstbestimmung zuteil wird, warum sollten wir die belebte oder gar die unbelebte Natur um uns herum respektieren? Wenigstens sie können wir uns untertan machen.

Das ist nur eine – zugegeben holzschnittartige – Möglichkeit, die tieferen Gründe der Umweltzerstörung zu identifizieren. Es gibt andere. Aber ich vermute, dass viele der Umweltbewegten sie der Richtung nach im Groben teilen. Wenn dem aber so ist, sollten sich diejenigen, die es richtig finden Autobahnen zu blockieren, fragen, ob das die tieferen Gründe der Umweltzerstörung beseitigt oder eher verstärkt?

Die Antwort ist ziemlich eindeutig. Die vielen Mitmenschen, die in den so herbeigeführten oft sehr langen Staus steckenbleiben, werden dadurch frustriert. Sie fühlen sich noch ohnmächtiger, fremdbestimmter unsicherer und vereinzelt.

Ähnlich ist es bei Appellen, weniger Energie durch Duschen zu „vergeuden“, die Duschscham hervorrufen sollen, und Ankündigungen, dass die Wohnungen im Winter zwangsweise kälter werden und weniger warmes Wasser zur Verfügung gestellt werden soll.

Für die Adressaten bedeutet das, Fremdbestimmung bis hinein in Details der privaten Lebensführung, mangelnden Respekt, Unsicherheit.

Wie es besser geht

Es mag durchaus sehr erstrebenswert, ja nötig sein, dass wir weniger Energie verbrauchen und für nicht essentielle Dinge wie überwarme oder stark klimatisierte Wohnungen und langes Duschen verwenden. Aber es wirkt und ist übergriffig, die Menschen hierauf zu verpflichten oder moralischen Druck von oben auszuüben. Das geht sehr leicht nach hinten los.

Stellen wir uns vor, ein Abgeordneter und Minister Habeck wäre, anstatt die Bürger zur Veränderungen ihrer ganz privaten Lebensgewohnheiten zu drängen, mit der Ankündigung an die Öffentlichkeit getreten: ‚Es ist sehr wichtig, dass wir weniger Energie verbrauchen. Deshalb werde ich mich an den Bundestagspräsidenten wenden und vorschlagen, dass die Klimaanlagen im Bundestag ausgeschaltet oder auf eine höhere Temperatur eingestellt werden. In meinem Ministerium habe ich das im Einvernehmen mit den Mitarbeitern bereits umgesetzt. Wir suchen auch laufend nach weiteren Einsparmöglichkeiten.‘

Ich bin sicher, das hätte mehr Sparwillen und Energiesparbewusstsein in der Bevölkerung geweckt als der Versuch, Dusch- und Heizscham zu erzeugen. Es blieb den Bürgern schließlich nicht verborgen, dass der Bundestag mit all den vielen Büros grüner Abgeordneter trotz Sparappellen aus der Politik und Gasdrosseldrohungen weiter auf 22 Grad heruntergekühlt wird. Das alles schafft Wut und Unfrieden, keinen Frieden.

Greta Thunberg hat mit ihrem ausdauerndem freitäglichen Schulschwänzen und Demonstrieren gezeigt, was man erreichen kann, ohne andere Menschen in ihrem täglichen Leben zu beeinträchtigen und zu nötigen. Kreativität, Fantasie, Leidensfähigkeit, Beharrungsvermögen und Glaube an das Gute im Menschen sind nötig, wenn man die Welt retten will. Abenteuerlust und Streitlust sind eher nicht hilfreich. (Ich weiß, ich weiß, es ist ein ziemlich streitlustiger Mensch, der diese Zeilen schreibt.)

Es gibt natürlich keine Erfolgsgarantie. Wenn engagierte Klimaschützer zu wenige sind und in der Bevölkerung keinen Nerv treffen, dann klappt es nicht. Aber dann frei nach Brecht nach der Maxime zu handeln ‚Ist der Mensch nicht gut, hau ich ihn auf den Hut, vielleicht wird er dann gut‘ ist alles andere als das Arbeiten an einer besseren Welt.

An Mahatma Gandhi sei erinnert. Seine Anhänger haben passiven Widerstand geleistet und sich schlagen lassen statt andere zu schlagen, und haben dadurch die Unabhängigkeit für ihr Heimatland gewonnen. Und zwar ohne gleichzeitig ein Schreckensregime zu errichten, wie das nach der französischen, russischen und vielen anderen weltverbessernden Revolutionen passiert ist.

Mehr

Besser als ich es kann, hat das (auf Englisch) schon vor Jahren Charles Eisenstein in Kapitel 8 „Climate“ seines Buches „The More Beautiful World Our Hearts Know Is Possible“ ausgedrückt. Das Buch ist umsonst oder gegen freiwillige Spende im Internet verfügbar und sehr lesenswert.

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