Normalerweise gehört so etwas wie die Behandlung einer Minderheit in einem weit entfernten Teil der Welt nicht zu den Themen, mit denen ich mich auf diesem Blog befasse. Dass ich es trotzdem tue, liegt an meiner zunehmenden Sorge wegen des Konfrontationskurses der Atommacht USA gegenüber der Atommacht China, den wir, angestachelt von intensiver Propaganda, als treue Verbündete Washingtons mitmachen. Wir unterstützen ihn unter anderem durch Aufrüstung der Armeen West- und Mitteleuropas, damit sich das US-Militär verstärkt China zuwenden kann.
In den letzten Tagen stieß ich – ohne zu suchen – gleich auf zwei Beispiele, wie sehr die vorgebliche Sorge um die Uiguren für die aus anderen Gründen gewollte Konfrontation mit Peking instrumentalisiert wird und wie unglaubwürdig diese Sorge ist.
Kampagne gegen Genfirma BGI
Bei der Auswertung des Schlussberichts der National Security Commission on Artificial Intelligence (NSCAI) von Mai 2021 las ich die Empfehlung an das Außenministerium, eine „strategische Informationskampagne“ zu starten, um Besorgnis über die Verbindungen des chinesischen Biotechnolgoiekonzerns BGI zur chinesischen Regierung zum Ausdruck zu bringen. Die vom US-Kongress gestellte Aufgabe der NSCAI war, Mittel und Wege zu finden, damit die USA auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz gegenüber China die Nase vorne behalten und so ihre ökonomische, politische und militärische Vorherrschaft auf der Welt bewahren können.
Die Begründung für die Empfehlung in Sachen BGI, in der das Wort Uiguren nicht auftaucht, bestand darin, dass BGI die Vorherrschaft der USA auf dem Gebiet der Biotechnologie bedrohe, insbesondere bei der Genomsequenzierung. Die USA müsse die erste Weltklasse-Biobank für genetische Daten errichten, wofür die Regierung dringend Geld bereitstellen müsse. Die globale Reichweite des chinesischen Genomikriesen BGI stelle im Biotechnologiesektor eine ähnliche Bedrohung für die US-Ambitionen dar wie Huawei im Kommunikationssektor.
Wenige Monate später war in der Washington Post zu lesen:
„Die US-Spionageabwehr hat damit begonnen, Unternehmen und Universitäten vor den Risiken zu warnen, die sich aus der Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen im Bereich neuer Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz, Biotechnologie und Quantencomputer ergeben.“
Ziel sei es, auf die Absicht Pekings hinzuweisen, auf diesen Gebieten eine Führungsrolle zu erringen und die USA als internationale Supermacht in den Schatten zu stellen. Der nationale Beauftragte für Spionageabwehr für neue und disruptive Technologien, Edward You, verwies dem Bericht zufolge auf Chinas größtes Genomikunternehmen BGI, das in amerikanischen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen Fuß gefasst habe und kostengünstige DNA-Sequenzierungen im großen Stil anbiete. Dadurch erhalte BGI Zugang zu großen Mengen an genetischen Daten der Amerikaner. Und weiter:
„You sagte, das Risiko bestehe nicht nur für die Privatsphäre, sondern auch für die nationale Sicherheit. Wenn China solche genetischen Datensätze, einschließlich der Daten, die die Behörden bereits im Inland sammeln, mit künstlicher Intelligenz und Quantencomputern kombinieren kann, könnte es in der Lage sein, als erstes Land Heilmittel für Krankheiten auf den Markt zu bringen.“
Wenn ein chinesisches Unternehmen Heilmittel auf den Markt bringen sollte, um Krankheiten von Amerikanern zu behandeln, dann wäre das eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.
Im Januar 2021 machte eine Studentengruppe in Großbritannien die Zusammenarbeit dortiger Universität mit BGI und die Nähe von BGI zur chinesischen Regierung zu einem nationalen Nachrichtenthema. Tochtergesellschaften von BGI wurden auf eine US-Sanktionsliste gesetzt, mit dem Vorwurf, sie würden bei der Unterdrückung der Uiguren helfen. Im März dieses Jahres wurden drei weitere Tochterfirmen von BGI auf die Sanktionsliste gesetzt, weil sie eine erhebliches Risiko der Beförderung des Überwachungsprogramms der chinesischen Regierung darstellten, das zur Unterdrückung der Uiguren eingesetzt werde.
Um es klarzustellen: Ich finde globale Gendatenbanken übergriffig und gefährlich, gleich ob sie von den USA oder China errichtet werden, solange Biowaffenforschung mit Viren (Gain of function) von diesen Ländern weiterhin betrieben wird. .
CIA-Folterhelferin als Menschenrechtsanwältin für Uiguren
Ein besonders drastisches Beispiel für Menschenrechtsheuchelei aus Washington liefert ein Tweet von Rushan Abbas vom 14.6., die sich als Gründerin der Organisation Campaign for Uighurs vorstellt, die den „Völkermord“ an den Uiguren stoppen wolle. Darin schrieb sie: :
„Stellen Sie sich vor, Sie werden mit Morddrohungen und Angriffen konfrontiert, und Ihre Angehörigen werden zur Zielscheibe, nur weil Sie es wagen, die Wahrheit über die Gräueltaten der Kommunistischen Partei Chinas aufzudecken.“
Aus einer kommentierten Weiterleitung des Tweets erfährt man von einer Ask-Me-Anything-Veranstaltung (Fragt mich alles) auf der Plattform Reddit von Dezember 2019, bei der die „uigurische Aktivistin und Überlebende chinesischer Unterdrückung“ sich als ehemalige Übersetzerin im völkerrechtswidrigen US-Foltergefängnis Guantanamo herausstellte, wo sie bei der Vernehmung uigurischer Inhaftierter half. Seither hat Abbas laut ihrem Beraterprofil von 2018 weiterhin für US-Behörden und den Propagandasender Radio Free Asia gearbeitet und sie kooperiert bei ihrer Tätigkeit als Menschenrechtsaktivistin „eng mit Kongressausschüssen, dem US-Außenministerium und mehreren anderen US-Regierungsstellen und -behörden“.
Auf Reddit schrieb sie seinerzeit, sie sei Vollzeitaktivistin, die um die Welt reist, um Reden zu halten und sich mit anderen pro-uigurischen Gruppen zu vernetzen. Zur Situation der Uiguren in China schrieb sie:
„Seit 2015 hat die chinesische Regierung Millionen ethnischer Uiguren (und anderer muslimischer Minderheiten) allein aufgrund ihrer ethnischen und religiösen Identität in Konzentrationslagern eingesperrt.“
Während ich wenig Zweifel habe, dass Uiguren als Volk in China unterdrückt werden, so habe ich doch gewisse Bedenken hinsichtlich der Anzahl der Internierten (Millionen), die von großen Medien bis hin zur Nachrichtenagentur Reuters übernommen wurde. The Greyzone hat aufgedeckt, dass es sich bei der Zahl von einer Million Uiguren in Lagern nicht, wie behauptet, um eine Zahl der UN handelt, sondern um amerikanische Propaganda. Auch die Wortwahl (Konzentrationslager, Völkermord) ist ausgesprochen fragwürdig.
Große Zweifel sind auch hinsichtlich der Aussage angebracht, dass in allen Fällen allein die ethnische und religiöse Identität Grund der Verfolgung ist, und nicht manchmal auch Separatismus bis hin zum Terrorismus. Sogar auf Wikipedia gibt es jedenfalls einen Eintrag zur „Uigurischen Unabhängigkeitsbewegung“, von der Teile durch „beispielsweise die chinesische, kasachische und kirgisische Regierung“ als terroristisch eingestuft seien.
Bei der Deutschen Welle konnte man lesen, dass von den 15 Uiguren (später war von 17 die Rede), die etwa ein Jahrzehnt lang im Foltergefängnis Guantanamo inhaftiert wurden, manche nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren, aber die meisten in pakistanischen Ausbildungslagern aufgegriffen worden seien, wo sie für den Kampf gegen China an der Waffe trainierten.
Nichts davon soll die mutmaßliche Unterdrückung eines Volkes rechtfertigen. Es soll nur zeigen, dass die Propaganda der für ihre illegalen Foltergefängnisse in aller Welt berüchtigten CIA in Sachen Uiguren heuchlerisch, interessengeleitet, übertrieben und verzerrt ist.
Nicht, dass es noch weiterer Beweise bedurft hätte, dass man Gräuelerzählungen gegen Feinde Washingtons nicht ungeprüft glauben sollte. Man denke nur an die Brutkastenlüge, mit der der erste Irakkrieg gerechtfertigt wurde, die Lüge von Saddams chemischen Waffen, mit der der zweite Überfall auf den Irak gerechtfertigt wurde, der Millionen Menschen das Leben kostete, und die Lüge von Viagra, das Gaddafi angeblich unter den libyschen Soldaten habe verteilen lassen, mit der die Bombardierung und Zerstörung Libyens propagandistisch unterfüttert wurde.
Gerade weil solche Gräuelmärchen, die Washington so gern über seine Feinde verbreitet, immer wieder in militärische Konfrontation gegen die vermeintlichen Monster münden, und weil diesmal zwei Atommächte die Kontrahenten wären, ist es mir wichtig, Misstrauen gegen derartige Propaganda zu säen.
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Ein sehr lesenswerter Beitrag von Infosperber aus dem Jahr 2021, „Der Konflikt in Xinjiang und seine Entstehung“, berichtet neben der Darstellung der Historie und Hintergründe des Konflikts auch davon, wie sich investigativ erlangte Fotos von vermeintlichen Umerziehungslagern manchmal als ganz normale Gefängnisse herausstellen und die vermeintlich neutralen Investigatoren tatsächlich vom militärisch-industriellen Komplex der USA finanziert werden.