Bundesbank traut sich nicht, das Euro-Bargeld zu verteidigen

Als die Bundesbank noch für die D-Mark zuständig war, da hat sie wenn nötig wie eine Löwin für ihr Schutzbefohlenes, das von ihr herausgegebene gesetzliche Zahlungsmittel gekämpft. Heute brüllt sie zwar noch, klemmt aber, wenn es ernst wird, und sie sich mit EZB und Finanzministerium anlegen müsste, den Schweif zwischen die Hinterbeine und schleicht sich.

 
Es gab Zeiten, da hat die Bundesbank jedem, der keine D-Mark-Banknoten zur Bezahlung annehmen wollte, auf die Finger geklopft und notfalls ein Bußgeld verhängt. Schließlich waren D-Mark unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel und es herrschte Annahmezwang. Heute sind in der Währungsunion laut EU-Vertrag (Artikel 128) die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken, also auch der Bundesbank, herausgegebenen (Euro-)Banknoten gesetzliches Zahlungsmittel. Auch in §14 des Bundesbankgesetzes steht das so.

Wenn allgemein über die Abschaffung des Bargelds diskutiert wird, dann brüllt die Bundesbank, vornehmlich, hauptsächlich in Gestalt des zuständigen Vorstandsmitglieds Carl-Ludwig Thiele. Zu den aktuellen Angreifern gehört etwa Ken Rogoff, der Harvard Ökonom, der öffentlich für die allmähliche Abschaffung des Bargelds eingetreten ist und damit eine lebhafte Diskussion ausgelöst hat. Darauf weiß Thiele viele schlagkräftige Argumente zu erwidern:

 „Menschen haben gute Gründe, Geld bar aufzubewahren. So ist Bargeld das liquideste Zahlungsmittel; außerdem sind Banknoten Zentralbankgeld. Dies ist insbesondere in Zeiten erhöhter Unsicherheit von Bedeutung, in denen die Bevölkerung physisch greifbares Geld einer Notenbank halten möchte, anstatt Forderungen gegenüber einer Geschäftsbank zu haben.“

Gut gebrüllt Thiele. Er erinnert auch daran:

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Menschen in Zypern (die) Erfahrung gemacht haben, …(dass)  ich nicht weiß, ob ich am nächsten Tag noch Bargeld von meiner Bank abheben kann, ob ich aus dem Buchgeld in Bargeld komme.

 Und er zählt eine Reihe von „einzigartigen“ guten Eigenschaften von Bargeld auf:

 

  • „es ist für jedermann verfügbares Zentralbankgeld,
  • es hinterlässt keine Datenspuren und schützt die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger,
  • es kann ohne technische Hilfsmittel zum Bezahlen genutzt werden und dient daher als Ausfalllösung für unbare Zahlungsinstrumente und
  • es garantiert die sofortige und vollständige Vertragserfüllung am Point-of-Sale – Ware gegen Geld.
  • die Verwendung von Banknoten und Münzen (gibt den Menschen) einen guten Überblick über ihre Ausgaben liefert.“

 Den Argumenten der Bargeldgegner hat Thiele einiges zu entgegenen:

Ich bin der festen Überzeugung, dass schattenwirtschaftliche oder kriminelle Aktivitäten ohne Bargeld vielleicht schwieriger, aber noch lange nicht unmöglich würden. Ich denke, dass bei der Abschaffung von Bargeld Ausweichmöglichkeiten gefunden würden. Eine effektive Eindämmung der Schattenwirtschaft wird ohnehin nicht über die Abschaffung von Bargeld erreicht, und das organisierte Verbrechen käme auch ohne Euro-Bargeld aus. Es könnte auf andere Währungen, Edelmetalle oder Naturalwährungen ausweichen.“

 Und auch:

„Auch die Abschaffung hoher Nominale, wie zum Beispiel der 200 €- und der 500 €-Scheine, die nach Ansicht der Bargeld-Gegner hauptsächlich für kriminelle Zwecke und zur Steuerhinterziehung genutzt werden, würde lediglich zu einer Verschiebung auf andere Nominale oder ein Ausweichen auf alternative Zahlungsmittel führen. Eine signifikante Reduktion krimineller Aktivitäten in Staaten, die auf die Emission größerer Stückelungen verzichten, wie zum Beispiel die USA, konnte ich bisher nicht feststellen.“

 Und was das Kostenargument angeht, so spricht er von tendenziösen Studien und mahnt: „es ist bei derlei Veröffentlichungen immer von Interesse, wer diese Untersuchungen in Auftrag gibt oder finanziert.“

 Am 5. Mai schließlich fand Thiele sehr deutliche Worte:

Staatliche Stellen haben nicht das Recht, den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie bezahlen sollen.

Sehr gut gebrüllt, Löwe.

Und die Praxis?

Gesetzliche Verbote, bestimmte Rechnungen bar zu begleichen, greifen in Europa immer mehr um sich. In Frankreich darf ab Herbst nur noch bis 1000 Euro mit Banknoten bezahlt werden, in Italien gilt das schon seit 2011. In Spanien liegt die Grenze bei 2500 Euro, in Griechenland sogar bei nur 500 Euro. Im US-Bundesstaat Louisiana darf man Gebrauchtwaren nicht mehr bar bezahlen.

Die Verweigerung der Bargeldannahme durch staatliche Stellen ist verbreiteter als man in Anbetracht der Tatsache, dass der Staat ja selbst – über die Notenbank – die Banknoten herausgibt und sie zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt hat, vermuten sollte. In Deutschland akzeptieren die Finanzämter unter Verweis auf § 224 Abs. 3 der Abgabenordnung kein Bargeld zur Begleichung einer Steuerschuld. Um ein Auto anzumelden muss man eine Bankeinzugsermächtigung für die KfZ-Steuer erteilen. Auch die Rundfunkgebühren kann man nicht bar bezahlen.

Für den Währungsrechtler Helmut Siekmann sind das klare Verstöße gegen §14 des Bundesbankgesetzes, das Euro-Banknoten als „unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel“ ausweist. Gerade für hoheitliche Stellen, mit denen man ja keine freiwilligen Vereinbarungen treffe, gelte der Annahmezwang für das gesetzliche Zahlungsmittel.

Europäische Zentralbank (EZB) und Deutsche Bundesbank sind Hüter der Währung und Emittenten des Euro-Bargeldsl. Deshalb müssen Gesetze, die die Bargeldnutzung beschränken oder gar (für größere Beträge) verbieten, der EZB zur Stellungnahme vorgelegt werden. Bisher hat sich die Notenbank Bargeldverboten nicht entgegengestellt.

Die EZB sieht sich also nicht als Hüterin des Euro, jedenfalls nicht in Form der von ihr herausgegebenen Banknoten.

Aber die Bundesbank, die findet sicher deutliche Worte zu solchen Praktiken, wenn man sie fragt. Schließlich hat Thiele ja ganz klar gesagt: „Staatliche Stellen haben nicht das Recht, den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie bezahlen sollen.“

Doch wenn es gegen einen konkreten und mächtigen Gegner geht, wird das Brüllen sehr schnell zu einem leisen Miau.

Zur Ablehnung des Bargelds durch die Finanzbehörden schreibt die Bundesbank erst ausschweifend ausweichend und dann am Ende willfährig:

Die Bundesbank ist neutral hinsichtlich der Wahl der Bezahlform – Verbraucher und Händler entscheiden letztlich selbst, welche Zahlungsinstrumente sie nutzen und anbieten wollen. Wie ausgeführt, sind Euro-Banknoten und -Münzen gesetzliche Zahlungsmittel. Daher ist an sich jedermann gehalten, Zahlungen mit Euro-Banknoten als ordnungsgemäße Erfüllung einer Verbindlichkeit zu akzeptieren. Dieses Prinzip unterliegt allerdings Einschränkungen. Zum einen gilt nach deutschem Zivilrecht grundsätzlich das Prinzip der Vertragsfreiheit. Dieses Prinzip ermöglicht es den an einem Rechtsgeschäft Beteiligten, bei Abschluss eines Vertrages dessen Inhalt frei zu bestimmen. Daher ist es den Vertragspartnern auch möglich, eine bestimmte Art der Erfüllung zu vereinbaren oder auch auszuschließen. Zum anderen können auch gesetzliche Regelungen eine andere Möglichkeit der Erfüllung einer Geldschuld regeln, wie beispielsweise § 224 Abs. 3 AO, der vorschreibt, dass Zahlungen an Finanzbehörden unbar zu leisten sind.“

Eine Anfrage beim Bundesfinanzministerium zur Legalität der Praxis hatte ziemlich genau die gleiche Antwort ergeben.

Staatliche Stellen haben nicht das Recht, den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie bezahlen sollen“, klang besser.

Zu Bargeldverboten hat die Bundesbank auf konkrete Anfrage folgendes zu sagen:

Nach Art. 128 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Art. 16 des ESZB-Statuts und Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 über die Einführung des Euro haben Euro-Banknoten in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Der EZB-Rat hat zu einer Reihe nationaler Gesetzesvorhaben Stellung genommen, die Barzahlungen einschränken. Zu diesen Gesetzgebungsvorhaben hat der EZB-Rat regelmäßig ausgeführt, die Entwürfe seien mit EU-Recht vereinbar, insbesondere mit Erwägungsgrund 19 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 über die Einführung des Euro. Dieser Erwägungsgrund führt aus, von „den Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung eingeführte Begrenzungen für Zahlungen in Banknoten und Münzen [seien] mit der den Euro-Banknoten und Euro-Münzen zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels nicht unvereinbar, sofern andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestehen“. Beschränkungen von Barzahlungen seien danach zulässig, da in den betroffenen Mitgliedstaaten andere Zahlungsmöglichkeiten bestünden und der jeweilige Zweck des Gesetzentwurfs die Beschränkung von Barzahlungen rechtfertige.“

Das ist ziemlich genau die gleiche Antwort, welche die EZB auf die Frage gegeben hatte. 

„Staatliche Stellen haben nicht das Recht, den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie bezahlen sollen“, klang besser.

Währungsrechtler Helmut Siekmann weist darauf hin, dass zum einen eine Gesetzesbegründung, auf die sich EZB und Bundesbank berufen,  in der Rechtshierarchie nicht hoch steht und, dass zweitens, trotz diese Begründung in der Verordnung selbst allein der Annahmezwang für Münzen beschränkt wird:

Daraus, dass Banknoten bei dieser einschränkenden  Regelung nicht genannt werden, folgt für mich gerade,  dass die übrigen gesetzlichen Zahlungsmittel, also die Banknoten unbeschränkt akzeptiert werden müssen.“

Eine Antwort auf die Frage, ob ensprechende Bargeldverbote auch in Deutschland zulässig und wünschenswert wäre, vermeidet die Bundesbank tunlichst.

Mit fest zwischen die Hinterbeine geklemmten Schweif schleicht sich die Löwin davon und lässt ihr Schutzbefohlenes zurück.

 

Print Friendly, PDF & Email