Statistikamt will Bürger rechtswidrig zur Auskunft per Online-Fragebogen nötigen

9. 06. 2025 | Die Statistischen Landesämter fragen derzeit Bürger, bei denen sie sich nicht sicher sind, welches deren Hauptwohnsitz ist. Antworten ist gesetzliche Pflicht. Angeboten wird dafür jedoch nur ein QR-Code oder eine komplizierte Code-Kombination für das Internet, ohne Rücksicht darauf, dass Millionen Deutsche das Internet gar nicht nutzen und viele mehr keinen eigenen Internetzugang haben.

Mir liegt ein aktueller Brief des Statistischen Landesamts von Nordrhein-Westfalen vor. Dieser fordert die Adressatin auf, zur eindeutigen Bestimmung ihres Wohnsitzes einen Online-Fragebogen innerhalb von gut zwei Wochen auszufüllen. Der Fragebogen ist nicht angehängt, sodass die Adressaten, wenn sie die Fragen entgegen den Anweisungen brieflich beantworten möchten, dies nicht tun können.

Stattdessen sollen sie entweder einen QR-Code scannen, wofür sie ein Smartphone brauchen, oder eine Adress-Code-Kombination wie die folgende in einen Internetbrowser eingeben: „www.idev.destatis.de – Kennung: 00X99P8SFRW – Passwort: XK#wst881#b9“. Selbst viele, die einen Online-Zugang haben, werden an diesem Anmeldeprozess scheitern.

Das Statistikamt geht durch dieses Vorgehen nonchalant darüber hinweg, dass sechs Prozent der erwachsenen Bundesbürger das Internet überhaupt nicht nutzen. Das sind rund vier Millionen Menschen. Es dürften Millionen weitere hinzukommen, die das Internet nur gelegentlich nutzen und keinen eigenen Anschluss haben. Gerade bei Menschen mit für die Ämter unklarem Hauptwohnsitz dürfte der Anteil derer ohne Internetanschluss besonders hoch sein. Ein typischer Fall dürfte sein, dass jemand, der im Altersheim wohnt, gefragt wird, ob dies nun seine Hauptwohnung ist. Diese Menschen nur antworten zu lassen, indem sie einen QR-Code scannen oder lange Zeichenfolgen in einen Internet-Browser eingeben, den sie sich erst noch organisieren müssten, ist nicht im Sinne einer möglichst genauen Statistik.

Das Vorgehen des Amtes zeugt nicht nur von hemdsärmeliger Gedankenlosigkeit. Es dürfte darüber hinaus rechtswidrig sein. Als Rechtsgrundlage wird in dem Schreiben §8a Registerzensuserprobungsgesetz in Verbindung mit §15 Absatz 1 Bundesstatistikgesetz angegeben. Letzterer verlangt nur, dass jedes Gesetz über eine konkrete Statistik, in diesem Fall das Registerzensuserprobungsgesetz, festlegt, ob eine Antwortpflicht besteht. Der angeführte §8a Registerzensuserprobungsgesetz bejaht diese Pflicht zur Antwort.

Auf welchem Kommunikationsweg die Antwort zu übermitteln ist, wird in einem anderen Absatz des Paragraphen 15 festgelegt, der im Schreiben des Amtes – wohlweislich? – gar nicht genannt ist, nämlich in Absatz vier. Dort heißt es:

Die Pflicht zur elektronischen Antworterteilung darf nur unter den Bedingungen des § 11a oder aufgrund eines Bundesgesetzes vorgegeben werden.“

Besagter §11a des Bundesstatistikgesetzes wiederum bietet nur eine Basis um „Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen“ und „Betriebe und Unternehmen“ zur Antwort auf elektronischem Wege zu verpflichten. Ein anderes Bundesgesetz als alternative Rechtsgrundlage ist im Schreiben des Statistikamts nicht genannt. Sehr wahrscheinlich gibt es ein solches auch nicht. Es fehlt mithin an einer Rechtsgrundlage, die Bürger zur Auskunft auf elektronischem Wege zu verpflichten. Somit entfällt aus meiner Sicht auch die Pflicht zur Antwort. Ob die anderen Statistischen Landesämter ebenso hemdsärmelig und mutmaßlich rechtswidrig vorgehen, ist mir nicht bekannt. Es ist in Anbetracht der von der Bundesregierung ausgerufenen Digital-only-Agenda und der beim Statistischen Bundesamt zentralisierten Antwort-Netzseite zu befürchten.

Es wäre von hohem erzieherischem Wert, wenn viele der Angeschriebenen eine Antwort davon abhängig machen würden, dass das Amt oder die Ämter mitteilen, wo genau die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur elektronischen Antwort zu finden ist, wo doch die vom Amt angeführten Vorschriften nichts zum Antwortweg enthalten und §15 Absatz 4 Statistikgesetz ausdrücklich festlegt, dass die Pflicht zur elektronischen Antworterteilung nur unter den nicht erfüllten Bedingungen des §11a vorgegeben werden darf. Am verbindlichsten ist ein briefliche Anfrage.

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