19. 02. 2016 | Sie zweifeln, dass die internationale Kampagne zur Bargeldabschaffung wirklich auf eine von der Harvard Universität und der Group of Thirty ausgehende Verschwörung von Lobbyisten der Finanzbranche zurückgeht, wie ich in „Die Summers-Draghi-Rogoff-Verschwörung“ schrieb? Dann sei Ihnen die „Studie“ von Peter Sands (Harvard) empfohlen, auf die sich Larry Summers (Harvard) mit seiner jüngsten Forderung beruft, die 100-Dollar-Note abzuschaffen. Peter Sands ist nicht irgendwer.
Peter Sands war bis Juni letzten Jahres Chef der britischen Großbank Standard Chartered. Dann verlor er durch einen Aktionärsaufstand diesen Job. Doch er hat Freunde. Der Anti-Bargeld-Aktivist Larry Summers, ehemaliger Präsident der Harvard University und heute Direktor einer ökonomischen Fakultät dort, nahm ihn in dieser Fakultät als Professor auf, denn er hatte Arbeit für ihn. Auch Simeon Djankow, der von seinem Job bei der Weltbank, wo Summers Chefvolkswirt gewesen war, zum bulgarischen Finanzminister geworden war und dort gleich eine strenge Obergrenze für Barzahlungen eingeführt hatte, bekam in Harvard eine Professor, als ihn die Empörung des bulgarischen Volkes über seine Politik aus dem Amt fegte. Aber zurück zu Sands.
Seine Befähigung zum Amt des Ökonomieprofessors ist nicht erkennbar. Seine Harvard-Seite ist entsprechend spartanisch. Sein Gesellenstück als Wirtschaftsforscher, mit dem er sich offenbar seit seiner Aufnahme durch Summers beschäftigt hat, ist die Studie „Making it Harder for the Bad Guys:The Case for Eliminating High Denomination Notes“, die Anfang Februar veröffentlicht wurde, und sich so wunderbar für die gerade laufende Kampagne von Summers und Co. zur Abschaffung von Banknoten mit hohem Nennwert eignet. Mario Draghi, auf dessen Initiative die EZB angekündigt und so gut wie beschlossen hat, die 500-Euro-Noten abzuschaffen, war 1984 bis 1990 italienischer Executive Director bei der Weltbank und 1991 Harvard-Fellow, bevor er 2002 zu Goldman Sachs ging.
Ich habe das Wort „Studie“ absichtsvoll jeweils in Anführungszeichen gesetzt, denn es ist ein oberflächliches Pamphlet ohne jeden wissenschaftlichen Anspruch. Sie arbeitet ganz überwiegen mit der Auflistung oberflächlicher Zusammenhänge, wie etwa dem, dass diejenigen, die illegal Geld transferieren oder Geld für illegale Zwecke ausgeben, bevorzugt Banknoten mit hohem Wert nutzen, weil diese weniger wiegen und weniger Volumen haben als solche in kleinerer Stückelung (Überraschung!). Das soll beim Leser den affektiven Schluss erzeugen, dass es ohne die großen Stückelungen weniger Verbrechen gäbe. Die „Studie“ versucht aber nicht einmal ansatzweise, mit wissenschaftlichen Methoden die hauptsächlich interessierende Frage zu beantworten, ob und um wie viel man durch Abschaffung der wertvollsten Banknoten tatsächlich die Kriminalität reduzieren kann. Schließlich gibt es ja Alternativen. Gold im Wert von 20.000 Euro beult kaum die Jackentasche aus und ist nach internationalen Zoll-Usancen eine Ware, die nicht einmal anmeldepflichtig ist.
Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, sich wissenschaftlich die Tatsache zu nutze zu machen, dass außerhalb Europas Dollars immer noch die hauptsächlich genutzten Banknoten der Geldwäscher und Kriminellen sind, obwohl die größte Euro-Note mehr als fünfmal so viel wert ist. Ein guter und kreativer Wissenschaftler könnte daraus wahrscheinlich etwas darüber ableiten, wie groß, oder eher wie gering, die Bedeutung der Stückelung der Banknoten ist. Das Ergebnis wäre wohl eher nicht schmeichelhaft für die Argumente der Anti-Bargeld-Aktivisten aus der Finanzszene, zu denen Summers übrigens auch gehört. Er hat neben seinem Engagement bei Harvard viele Millionen für Nebenjobs und Reden bei Finanzinstituten verdient.
Die wichtigsten Argumente gegen die Zurückdrängung des Bargeld kommen in der Studie auf Seite 49 von 55 kurz vor. Der bis-vor-kurzem-Top-Banker Sands räumt ein, dass es „womöglich schon legitimes Horten oder Sparen geben könnte, das durch Angst vor Kalamitäten wie einen Kollaps des Bankensystems, Zusammenbruch der Gesellschaft oder Cyber-Verbrechen geben könnte“ und erwähnt dabei auch, dass es in Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 eine erhöhte Nachfrage nach großen Banknoten gab. (Man beachte allgemein bei Beiträgen zum Bargeld die Begrifflichkeit. Die Bargeld-Gegner nehmen regelmäßig den negativ besetzten Begriff „horten“, wenn jemand sein Geldvermögen in Form von Bargeld (oder Gold) aufbewahrt, aber den positiv besetzten Begriff sparen, wenn sie sich stattdessen mit einem Eintrag in den elektronischen Büchern einer Geschäftsbank zufrieden geben.)
Das Argument der Insolvenzgefährung von Bankengeld im Gegensatz zu Bargeld wischt der Ex-Banker weg mit der rhetorischen Frage, ob das Drucken von großen Banknoten wirklich eine vernünftige Reaktion auf solche Befürchtungen sei. Wenn etwa die Menschen große Banknoten horteten, um sich gegen das Risiko eines kollabierenden Bankensystems abzusichern, wären doch sicherlich eine Einlagensicherung und gute Regulierung die besseren Alternativen. Damit deutet der Ex-Banker perfider Weise einfach den Verzicht auf die Wegnahme einer Möglichkeit, Geld außerhalb des Bankensystems zu halten, um in eine Politik, die mit dem Drucken von großen Banknoten auf Sorgen um das Bankensystem reagiert. Was wohl die Zyprer, denen die Sparguthaben weggenommen wurden, oder die Griechen, die seit einem dreiviertel Jahr höchstens 420 Euro ihres Geldes pro Woche ausgezahlt bekommen, von Sands scheinheiligem Argument halten würden, Regulierung sei die richtige Antwort.
Misstrauen gegen den Überwachungs-Staat verunglimpft er schon bei Einführung des Arguments als „libertäre Antipatie gegenüber Institutionen wie den Banken oder der Regierung“. Man beachte die Verbindung und die Reihenfolge. Seine kurze Entgegnung ist bezeichnend. Schon heute seien Finanztransaktionen, die über Banken und sonstige Finanzdienstleister laufen, überwachbar und würden überwacht. „Wenn aber die Gesellschaft entschieden hat, dass das etwas ist, was wir tolerieren um Finanzverbrechen zu begegnen, dann würde es widersinnig erscheinen, diese Überwachung nicht auch auf die selbst-selektierte Gruppe derer auszudehnen, die große Geldscheine nutzen, um Transaktionen zu tätigen und zu sparen.“
Das ist das totalitäre Gedankengut, auf das sich Summers und Draghi in ihrer Kampagne gegen große Banknoten und Bargeld insgesamt stützen.