Ein Mindestlohn führt dazu, dass in Niedriglohnsektoren Beschäftigung verschwindet. Das ist das Kernargument der Gegner eines allgemeinen Mindestlohns. Folgendes meldete die Nachrichtenagentur Reuters vor kurzem über die Zahl der offenen Stellen (interessant ist vor allem, wo Stellen offen sind): „Die Zahl der offenen Stellen auf dem deutschen
Arbeitsmarkt ist im Frühjahr auf gut eine Million gestiegen…,wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am mitteilte. Engpässe konzentrierten auf bestimmte Wirtschaftszweige – etwa technische und soziale Berufe sowie den Gesundheitssektor.“ Die technischen Berufe sind ein spezielles Problem, das nichts mit dem Mindestlohn zu tun hat. Aber sonst: „Um mehr als 50 Prozent stieg die Nachfrage (gemeint sind offene Stellen, N.H.) in den Bereichen Verkehr und Lagerei, Kunst, Unterhaltung und Erholung sowie bei Zeitarbeitsfirmen, Wachdiensten oder Call Centern.“ Für die ausgeprägten Niedriglohntätigkeiten Lageristen, Krankenpflege und Call Center wird es also immer schwieriger, Personal zu finden. Die Arbeitgeber verzichten also lieber darauf, die vorhandene Nachfrage nach ihren Dienstleistungen voll zu befriedigen, als ihren Mitarbeitern den Marktverhältnissen angemessene und zum Leben ausreichende Löhne zu zahlen, weil sie so dank ihrer Marktmacht mehr Gewinn machen. Dabei heißt Marktmacht nicht, dass sie nicht in Konkurrenz mit anderen Anbietern stünden. Aber sie haben auf dem jeweiligen lokalen Arbeitsmarkt Marktmacht in dem Sinne, dass die Löhne, die sie zahlen müssen, davon abhängen, wie viele Arbeitskräfte sie nachfragen. Die Gegner des Mindestlohns gehen in ihrer Argumentation von vollkommenen Konkurrenz und Markträumung aus. Dann kann jeder Arbeitgeber zum Marktlohn plus ein Cent beliebig viele Arbeitnehmer einstellen, Die Auswertung des IAB hat gezeigt, wie weltfremd das ist. Um alle Stellen besetzen zu können, müssten die Arbeitgeber in den extremen Niedriglohnbranchen deutlich mehr bezahlen. Ein Mindestlohn, der sie zwingt, mehr zu bezahlen, könnte daher die Beschäftigung in diesen Branchen steigern statt senken.