Von Helge Peukert. Max Otte hat erneut eine Streitschrift verfasst. Dieses Mal geht es um die Verteidigung des Bargeldes. Die Überschriften machen auf eine klare Ansage gefasst: „Das
von Demokratie und Freiheit“, „Der Krieg gegen das Bargeld“, von der Herrschaft der Finanz- oligarchie ist die Rede und vor einem baldigen Endspiel wird gewarnt.
Der schneidig geschrieben Text enthält vier zentrale Aussagen und Thesen, die konträr zum offiziellen Diskurs von Seiten des Polit-, Medien- und Finanzestablishments stehen, aber den Kern der Bargelddiskussion treffen:
1. Otte belegt anhand der Äußerungen von Ökonomen, Politikern und Notenbankern und mittlerweile vieler Beispiele der Bargeldeinschränkung aus (nicht nur) europäischen Ländern, dass eine offenkundig abgestimmte Aktion gegen das Bargeld vorliegt, obwohl es laut deutscher und europäischer Gesetzgebung nach wie vor das einzig vollwertige gesetzliche Zahlungsmittel ist. „Eine mächtige Koalition aus vier Gruppen hat sich zusammengefunden, um dem Bargeld den Garaus zu machen: 1. Banken, 2. Anbieter von elektronischen Bezahlsystemen, 3. E-Commerce-Unternehmen und Datenkraken und 4. Politiker“ (S. 13). Diese Koalition ist bestens vernetzt, stark und gut organisiert.
2. Die häufig vorgebrachte Erklärung, die Bargeldabschaffung diene vor allem der Bekämpfung der Kriminalität, hält er für einen fadenscheinigen Vorwand, insbesondere von Seiten derjenigen Banken, die bei Panama-Leaks eine prominente Grauzonenrolle spielen. Für die Politik diene die Bargeldabschaffung zur dann leichteren Entschuldung der Staaten und zur Enteignung der Sparer. Sie führe zum gläsernen Bürger und ermögliche perfekte Sozialkontrolle durch staatliche und privatwirtschaftliche Datenauswertungen. Sie diene auch der weitgehend parasitären Finanzbranche, die heute alle anderen Wirtschaftsbereiche dominiere und die keinen Bank Runs mehr ausgesetzt und unabhängiger von Zentralbankgeld wäre. Denn Banken können zar selbst Giralgeld schöpfen, aber keine Banknoten drucken. Sehr zutreffend erklärt Otte die Macht der Finanzoligarchie wesentlich damit, dass die Kompetenz zur Geldemission in den meisten Ländern juristisch nicht klar geregelt ist und private Banken das Privileg der Geldschöpfung besitzen. Er spricht sich für eine Reform zugunsten eines Vollgeldsystems (Monetative) aus, in dem nur die Zentralbank Geld schöpfen darf.
3. Angesichts der privaten und öffentlichen Schuldenberge sieht er die Industrienationen vor einem Endspiel, das man unter anderem durch niedrige oder Negativzinsen nur hinausschiebt und etwas Zeit gewinnt. Zwangsmaßnahmen wie Negativzinsen, Schuldenschnitte oder sogar eine Währungsreform könnten vor allem der Mittelschicht einfacher aufs Auge gedrückt werden, wenn diese sich solchen Enteignungen nicht mehr durch die Flucht ins Bargeld entziehen kann.
4. Letztlich geht es Otte nicht nur um das Recht, bar bezahlen zu können, sondern um unsere Bürgerrechte und die Verhinderung eines (Public-Private-Partnership-)Kontrollstaates. Er ruft dazu auf, so oft wie möglich mit Bargeld zu bezahlen, es zum Teil abzuheben und zu verwahren, Einzugsermächtigungen zu widerrufen, Petitionen zu unterschreiben, auf entsprechende Demonstrationen und Veranstaltungen zu gehen und mit Bekannten und in der Öffentlichkeit darüber zu diskutieren.
Man kann übrigens noch ein rein praktisches Argument für das Halten eines im Vergleich zu heute höheren Bargeldbestandes anführen. Eine ausreichende Vorsichtskasse empfiehlt sich, da man bei einem Zusammenbruch des elektronischen Zahlungsverkehrs (z.B. durch Hackerangriffe) auf Bargeld als Resilienz erhöhende Sicherung zurückgreifen könnte.
Natürlich lässt sich über einige Aussagen Ottes streiten. So meint er, das dem Euro vorausgegangene Europäische Währungssystem habe fast 20 Jahre lang hervorragend funktioniert. Einige Leser mögen die Wortwahl Ottes an manchen Stellen zu kämpferisch finden. Hat er nicht auch etwas zu pessimistisch aufgetragen, wenn er sogar vor einem Endspiel und einer drohenden Währungsreform warnt? Unnötige Schwarzmalerei hatte man ihm auch nach Erscheinen seines Buches „Der Crash kommt“ vorgeworfen. Kurz darauf begann die große Finanzkrise, die ihm (leider) Recht gab. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, dem sei das von Otte mehrfach angeführte Buch von Norbert Häring über „Die Abschaffung des Bargeldes und die Folgen“ empfohlen.