Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am 13. Juni 2017 (22a 1351/16) durch Ablehnung einer Berufungsbeschwerde entschieden, dass der WDR Bargeld als Zahlungsmittel für den Rundfunkbeitrag ablehnen darf. Am 8. Juni befand das Oberlandesgericht Stuttgart (9 VA 17/16), dass das Amtsgericht Reutlingen die Barhinterlegung des Rundfunkbeitrags ablehnen durfte, weil der SWR als Gläubiger sich nicht in Annahmeverzug befunden habe. Die Beschlüsse haben teils skurrile, teils sich gegenseitig widersprechende Begründungen.
Es ging im Verfahren am Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster um die Beschwerde eines barzahlungswilligen Rundfunkbeitragsschuldners, dessen Klage beim Verwaltungsgericht Köln ohne Berufungsmöglichkeit abgewiesen worden war. Das OVG wies das Begehren nach einer Berufungsverhandlung ab. Hier die ebenso lesenwerte, wie den Glauben an den Rechtsstaat erschütternde Begründung aus der Pressemitteilung des Gerichts:
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Es sei bereits zweifelhaft, ob das Bundesbankgesetz das vom Kläger angenommene grundsätzliche Verbot enthalte, einen zwingend bargeldlosen Zahlungsverkehr anzuordnen. Jedenfalls stünden aber weder diese Vorschrift noch Grundrechte einer entsprechenden Anordnung im Bereich der Massenverwaltung entgegen. Sie sei vielmehr durch die Ziele der Verwaltungsvereinfachung und der Kostenminimierung gerechtfertigt. Es liege auch und gerade im Interesse des zahlungspflichtigen Bürgers, von ihm letztlich mitzutragende Verwaltungskosten möglichst gering zu halten. Diese im Steuer- und Sozialversicherungsrecht anerkannten Maßstäbe seien für die Einziehung von Rundfunkbeiträgen gleichermaßen einschlägig. (…) Ob die Anordnung, wie etwa bei der Kfz-Steuer, auf Bundesrecht oder wie beim Rundfunkbeitrag auf Landesrecht beruhe, sei entgegen der Auffassung des Klägers ohne Bedeutung.
Außerdem stelle das OVG fehlende grundsätzlicher Bedeutung fest. Das ist krass. Das OVG ist sich nicht sicher, was der Regelungsinhalt des §14 Bundesbankgesetz ist. Trotzdem fehle die grundsätzliche Bedeutung. Außerdem ist dem Gericht der Beschluss wichtig genug, um sofort per Pressemitteilung die Öffentlichkeit zu informieren. Das ist für eine simple Berufungsablehnung in einem Fall ohne grundsätzliche Bedeutung eher ungewöhnlich. Auch die Tatsache, dass aus einem Verbot einer landesrechtlichen Einschränkung der Bargeldannahme ziemlich direkt folgen würde, dass die in Deutschland diskutierte und in Teilen Europas bereits gültige Barzahlungsobergrenze gegen Europarecht verstoßen, konstituiert offenbar keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage.
Dem Kläger wird unterstellt, er gehe von einem grundsätzlichen Verbot aus, einen bargeldlosen Zahlungsverkehr anzuordnenden. Tatsächlich geht es darum, dass der LANDESgesetzgeber hierzu nicht befugt ist. Aber das OVG scheint ohnehin den Unterschied nicht zu machen, schreibt es doch, es komme nicht darauf an, auf welcher Ebene eine Ausnahme vom Bargeld-Annahmezwang gesetzlich festgelegt werde. Es reichten irgendwelche „anerkannten Maßstäbe“ der Verwaltungsvereinfachung für Massenverfahren, dann seien solche verfassungsrechtlichen Feinheiten wie Bundesrecht bricht Landesrecht unbeachtlich.
OLG Stuttgart: Mit dem BGH gegen den BGH
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart wiederum zitiert zwar in seinem Beschluss den Bundesgerichtshof (BGH) und einen Gesetzeskommentar, mit der Feststellung, dass ein Gläubiger Bargeld annehmen müsse, wenn das nicht durch vorherige Absprache ausgeschlossen worden sei. Das geht auf $14 Bundesbankgesetz und Artikel 128 EU-Vertrag (VAEU) zurück, die jeweils Euro-Bargeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklären. Eine Absprache zwischen dem Kläger und dem Rundfunk dahingehend habe es nicht gegeben.
Aber dann kommt das OLG auf geheimnisvollen Wegen zu dem dieser Erkenntnis diametral widersprechenden Befund, dass die Satzungregel des SWR,wonach er kein Bargeld annehme, nicht gegen übergeordnetes Recht verstoße.
Wie das?
Durch den Status von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel soll nicht etwa ein Vorrang von Barzahlungen gegenüber Buchgeldzahlungen begründet werden, behauptet das OLG in diametralem Widerspruch zur langjährig konsistenten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den es wenig vorher selbst zitiert hat. Der BGH und die ganz überwiegende geldrechtliche Kommentierung gehen sehr wohl davon aus, dass Bargeld höher steht und Buchgeld nur ein Anspruch auf Bargeld ist. Der BGH und Gesetzeskommentare sagen ganz deutlich, dass Buchgeldüberweisung nur „Leistung an Erfüllungs Statt“ ist, nicht Erfüllung einer Geldschuld. Wie sieht ein Vorrang von Bargeld aus, wenn nicht so.
Selbst die vom Kläger angeführte amtliche Begründung zum Bundesbankgesetz hat für das OLG nichts mit der Sache zu tun, denn es gehe nur um die unterschiedliche Annahmepflicht bei Scheinen und Münzen. Hallo! Es geht um ANNAHMEPFLICHT! Muss man OLG-Richter sein um nicht zu verstehen, dass „Annahmepflicht“ etwas mit der Frage zu tun haben könnte, ob der Rundfunk Bargeld annehmen muss? Aber weil hier eben OLG-Richter urteilen, denen sich dieser komplexe sprach- und sachlogische Zusammenhang nicht erschließt, folgt direkt, dass es keinen Konflikt mit Bundesrecht-bricht-Landesrecht geben kann. Die Satzung des SWR, die keine Bargeldannahme erlaubt, und der $14 Bundesbankgesetz, sowie Artikel 128 VAEU, die eine Annahmepflicht für Bargeld vorsehen, haben ja nichts miteinander zu tun. Und schon ist das Gericht bei der Abwägung zwischen dem Interesse des Rundfunks an Verwaltungsvereinfachung und der aus seiner Sicht geringfügigen Belastung der Beitragspflichtigen.
In dieser skurrilen Auslegung ist sich das OLG so sicher, dass es eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof ausscheiden lässt. Es genügt, sich an die obige Begründung des OVG Münster zu erinnern, das sich nicht sicher war, was aus der Eigenschaft des gesetzlichen Zahlungsmittels folgt, um zu zweifeln.
Auch das OLG Stuttgart erkannte keine grundsätzliche Bedeutung und lies daher Revision nicht zu. Somit ist sichergestellt, dass die Sache nicht vor dem bargeldfreundlichen BGH landet.
Für mich versuchen hier Gerichte die alleinige Macht und Aufgabe der Parlamente zu usurpieren und Recht zu setzen, statt Recht zu sprechen. Das ist demokratiefeindlich.
[2.7.2017]