Bei der Expertenanhörung im Landtag NRW am 3. Mai zu Barzahlungsobergrenzen, wie sie der NRW-Finanzminister und der Bundesfinanzminister gefordert hatten, gab es eine sehr einseitige Diskussion. Von den elf Sachverständigen aus neun Organisationen war nur einer für eine Barzahlungsobergrenze, und selbst der wollte nur eine Obergrenze von 10.000 Euro verteidigen, nicht die 2000 Euro bzw 5000 Euro, die die Finanzminister gefordert hatten.
Dass es bei der Anhörung fast nur Gegner, gab ist schon deshalb bemerkenswert, weil die Experten nach Kontingenten der Fraktionen CDU, SPD, Grüne, FDP und Piraten eingeladen wurden, also auch von der Partei des NRW-Finanzministers Walter-Borjans, SPD, und des Bundesfinanzministers Schäuble, CDU.
Sebastian Fiedler vom Landesverband NRW des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hatte entsprechend einen schweren Stand in der Diskussion. Nachdem er wegen Terminschwierigkeiten vorzeitig abgereist war, waren die Verteidiger des Bargeldes als unbegrenztem Zahlungsmittel ganz unter sich. Es waren dies Professor Max Otte vom Institut für Vermögensentwicklung, meine Wenigkeit, sowie Vertreter vom Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das Deutsche Steuerzahlerinstitut, der Steuerberater-Verband, die Deutsche Bundesbank, die Landesdatenschutzbeauftragte NRW und die Verbraucherzentrale Bundesverband.
„Wenn es eine Obergrenze für Barzahlungen gibt, dann gibt es kein unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel mehr“, sagte Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld der Bundesbank. Er sagte das aus Höflichkeit gegenüber der bargeldfeindlichen EZB-Linie zwar nicht ausdrücklich, aber in Zusammenhang mit der Feststellung in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass Bargeld das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland und dem Euroraum ist, folgt daraus direkt, dass eine Barzahlungsgrenze §14 Bundesbankgesetz und Artikel 128 EU-Vertrag zuwiderläuft, die den Status des unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittels begründen.
Hardt betonte außerdem, zusammen mit dem Steuerzahlerinstitut, dass es noch keinerlei systematische Überprüfung gäbe, ob die Barzahlungsobergrenzen, die es in vielen Ländern bereits seit Jahren gibt, eine positive Wirkung auf die erklärten Ziele hatten.
Des weiteren wiesen Hardt, die Verbraucherzentrale und weitere Experten darauf hin, dass Bargeld das einzige Zahlungsmittel sei, das Zug-um-Zug-Geschäfte mit sofortiger Erfüllung ermögliche. Bei allen anderen Zahlungsmethoden müsse – etwa beim Autokauf, insbesondere beim Gebrauchtwagenkauf – entweder der Käufer oder der Verkäufer in Vorlage treten und hoffen, dass der andere Teil danach noch seine Verpflichtung erfüllen will und kann.
Die Verbraucherzentrale wies außerdem darauf hin, dass die meisten Karten und Konten Zahlungslimite hätten und es den Kunden nicht zuzumuten sei, für jede größere Zahlung vorher das Limit erhöhen zu lassen. Oft gelinge das auch nur mit Verzögerung. Außerdem helfe Bargeld den Bürgern bei der Kontrolle des Ausgabenverhaltens und schütze sie so davor, zum eigenen Schaden, aber zum Wohle der Finanzbranche, in die Überziehungsverschuldung abzurutschen. Hinzu komme, wie viele andere Experten betonten, der Schutz vor einer Insolvenz der Kreditinstitute.
Bemerkenswerter Weise sprach Bundesbank-Zentralbereichsleiter Hardt von einem „Krieg gegen das Bargeld“, einem „War on Cash“, auf internationaler Ebene, den interessierte Finanzkreise führten.
Die Landesbeauftragte für Datenschutz, Helga Block, sieht „datenschutzrechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken“ gegen eine Barzahlungsobergrenze, die die Bürger zwinge, für größere Zahlungen den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu nutzen. Der Grund: „Bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein Bankkonto werden zwangsläufig Kontobewegungen der Bürger und Bürgerinnen registriert., anhand derer sich umfangreiche Persönlichkeitsprofile erstellen lassen.“
Sie äußerte auch starke Zweifel an der Erforderlichkeit der Maßnahme, die unter anderem deshalb schwierig nachweisbar sein werde, weil jemand, der sich ohnehin in der Illegalität bewegt, sich von einer in Rede stehenden Obergrenze wohl kaum von Barzahlungen abhalten lassen werde.
Es war weitgehend Konsens unter den Experten, dass eine Barzahlungsobergrenze unverhältnismäßig und wenig wirksam für die Bekämpfung von Schattenwirtschaft, Terrorismus und Geldwäsche wäre und neben oder gar anstatt diesen erklärten Ziele andere Motivationen für die geforderten Barzahlungsobergrenzen bedeutsam sind. Insbesondere die Interessenlage der Finanzbranche wurde dabei genannt. Weitgehend Konsens war ebenfalls, dass nach einer Einführung solcher Begrenzungen weitere und einschneidendere Begrenzungen folgen würden.
Selbst der einzige Kronzeuge der Anti-Bargeld-Anklage vom Bund der Kriminalbeamten brachte dieser nur geringe Unterstützung. Unter anderem auf die Vorhaltung der Datenschützer, das Verwehren einer anonymen Bezahlmöglichkeit sei ein erheblicher Eingriff, der um so schwerer wiege, je niedriger die Grenze, betonte Herr Fiedler, die Kriminalbeamten hätten ja nur ein Obergrenze von 10.000 Euro für Barzahlungen gefordert. Er betonte auch, eine Bargeldobergrenze könne nur ein Mosaikstein in einer Gesamtstrategie im Kampf gegen schmutziges Geld sein. Von ihr allein dürfe man nicht allzu viel erwarten. Dumm nur, wie mehrere der übrigen Sachverständigen bemerkten, dass außer der geforderten Barzahlungsgrenze wenig von dieser umfassenden Strategie in Sicht ist. Bemerkenswerter Weise kommt bei den Forderungen der Kriminalbeamten die Abschaffung der größten Banknoten und die Barzahlungsgrenze von 10.000 Euro an siebter und achter und damit vorletzter und letzter Stelle. Ganz vorne steht die „Etablierung einer effektiven Aufsichtsstruktur über den sogenannten Nichtfinanzsektor“. Es gibt nämlich, wie er ausführte, praktisch keine Kontrollen von Unternehmen daraufhin, ob dort Geldwäsche stattfindet.
Fazit: Die von den Finanzministern von NRW und in Berlin, sowie von der SPD-Fraktion geforderte Barzahlungsgrenze in Höhe von 2000 Euro bzw. 5000 Euro hat keine erkennbare Basis in den Einschätzungen von Sachverständigen. Sie kommt scheinbar aus dem Nichts. Sie lässt sich nur in Zusammenhang mit dem vom Bundesbankvertreter erwähnten seit Jahren von der internationalen Finanzbranche betriebenen „War on Cash“ verstehen.
Die schriftlichen Stellungnahmen sind auf der Landtags-Website einzusehen, ebenso wie später das Wortprotokoll der Anhörung.