NDR zeigt Vasallentreue und löscht Falschaussage zu Rostock und dem 2+4-Vertrag heimlich

30. 12. 2024 | Der für die Tagesschau zuständige ARD-Sender NDR hat einer Serie grotesker Fehlleistungen zum möglicherweise völkerrechtswidrigen (Nicht-)Nato-Hauptquartier in Rostock die Krone aufgesetzt, indem er mit acht Wochen Verspätung eine falsche Behauptung zum 2+4-Vertrag stillschweigend löschte.

Im NDR-Beitrag „Maritimes Hauptquartier in Rostock: Experten weisen Kritik aus Russland zurück“ vom 23.10.2024 stand knapp zwei Monate lang die offensichtliche Falschbehauptung zum 2+4-Vertrag der Weltkriegs-Siegermächte mit der Bundesrepublik und der DDR:

„Verbietet der Vertrag NATO-Streitkräfte in Ostdeutschland?
Ja, aber nur bis zum Abzug der sowjetischen Truppen im Jahr 1994. In dieser Übergangsphase war es verboten, ausländische Streitkräfte – also auch NATO-Truppen – in Ostdeutschland zu stationieren oder militärische Aktivitäten durchzuführen. Nach 1994 endete diese Beschränkung. Seither dürfen deutsche Truppen in Ostdeutschland stationiert werden, auch solche, die NATO-Strukturen angehören. Ein generelles Verbot für NATO-Streitkräfte in diesem Gebiet gibt es nach 1994 nicht mehr.“

Der letzte Satz ist offenkundig falsch, weil nur die Regelung im ersten Absatz des einschlägigen Artikels Fünf des Vertrags behandelt und der ebenso einschlägige dritte Absatz ignoriert wird. Darin wird die Stationierung oder Verlegung ausländischer Streitkräfte auf Dauer ausgeschlossen: „Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert, noch dorthin verlegt.“ Seit dem 20.12. enthält der Artikel die Passage mit dem falschen Satz nicht mehr. Das gesamte „FAQ zum Zwei-plus-Vier-Vertrag“ am Ende des Artikels wurde gelöscht und durch einen Link zum Vertrag ersetzt.

Es ist bedenklich genug, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender zwei Monate braucht, um eine offensichtliche und bedeutsame Falschbehauptung zu korrigieren, auf die er vielfach hingewiesen wurde. Offenbar ist das Thema so politisch, dass nur der Intendant die Korrektur verfügen konnte, und nur nachdem das übliche Abwiegeln gegenüber Kritikern und Gremien wegen allzu offensichtlicher Fehlerhaftigkeit nicht mehr möglich war.

Noch bedenklicher ist, wie die Redaktion mit der Änderung des Artikels umgeht. Sie schreibt einfach unauffällig unten hin:

„20.12.2024 11:34 Uhr
Hinweis der Redaktion: Wir haben den Artikel aktualisiert.“

Mehr nicht. Der Artikel wurde aber nicht aktualisiert. Der dritte Absatz des einschlägigen Paragraphen steht seit 30 Jahren im Vertrag. Im Text gibt es keinerlei Aktualisierung. Alles ist noch wie vorher. Es ist ein eigenwilliges Verständnis von Fehlerkultur, wenn man die kommentarlose Streichung falscher Aussagen einfach summarisch als Aktualisierung bezeichnet. Der journalistische Ethos verlangt, zu Fehlern zu stehen und sie transparent zu korrigieren. Aber das geht wohl nicht, wenn ein möglicher Bruch des zwischenstaatlichen Vertragsrechts durch Bundesregierung und Nato im Raum steht.

Hätte man den Fehler eingestanden, hätte man nämlich den ganzen Artikel löschen oder gravierend ändern müssen. Und das wäre Wasser auf die Mühlen der russischen Gegenseite gewesen. Im verbleibenden Artikel verbreiten nämlich angebliche Experten (die sich selbst nicht für Experten halten), den gleichen Unsinn. Und da wird es dann noch grotesker. Im Artikel wird ein Sebastian Bruns von der Uni-Kiel zitiert:

„In Artikel 5 des Vertrags heißt es, dass bis zum Abzug der sowjetischen Truppen keine ausländischen Streitkräfte in Ostdeutschland stationiert werden dürfen. Dieser Abzug war jedoch bereits 1994 abgeschlossen, und der Vertrag sieht nach dieser Frist keine dauerhafte Beschränkung vor. Ich empfehle allen, den Zwei-plus-Vier-Vertrag selbst zu lesen. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen gibt es keine Verpflichtung mehr, die Stationierung ausländischer Kräfte grundsätzlich zu verbieten.“

Es geht dabei um eine „neue Kommando-Einheit der Nato in Rostock“, über die die Tagesschau am 21.10. berichtet hatte. Nach Protesten Russlands änderte die Bundesregierung ihre Sprachregelung und die öffentlich rechtlichen Sender folgten mit heimlichen Änderungen an ihren Beiträgen und Faktenchecks.

Auf meine Nachfrage stellte sich heraus, dass der angebliche Experte gar kein Experte war. Bruns teilte mir mit, der Sender habe seinen Nachsatz weggelassen, dass er „als Politikwissenschaftler und Marineexperte diese Beurteilung ganz gerne den Völkerrechtsexperten überlasse“.

Bruns hatte die eigene Empfehlung nicht befolgt, den Vertrag zu lesen, sonst hätte er seine Falschbehauptung leicht als solche erkannt. Er teilte mir mit, dass eine Basis für seine Aussage stattdessen ein Faktencheck der Deutschen Welle (DW) zum Thema gewesen sei. Liest man dort nach, so stellt man fest, dass dessen Autoren ihre Aussagen so raffiniert arrangiert haben, dass sie zwar nichts Falsches sagen, aber sehr gezielt den falschen Eindruck beim oberflächlichen Leser erwecken, dem Bruns und offenbar auch die NDR-Redaktion aufgesessen sind.

Wenn man das alles zur Vorgeschichte des Artikels weiß, entwickelt man Verständnis dafür, dass es der NDR-Redaktion unmöglich war, ihren Fehler transparent zu korrigieren, ohne damit eine Kettenreaktion von Korrekturnotwendigkeiten auszulösen und ihren Treueschwur zum transatlantischen Bündnis zu brechen.

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