Weil Migration gut fürs Geschäft ist, wie das Weltwirtschaftsforum titelte, haben sich auch wirtschaftsnahe deutsche Stiftungen früh der Schaffung einer Willkommenskultur verschrieben und für eine entsprechende Ausrichtung der deutschen Regierungspolitik gesorgt (siehe Dossier). Auf Initiative der Stiftung Mercator betreiben sie als Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) u.a. pseudowissenschaftlich verbrämte Migrationsförderung. Wie das geht zeigt eine aktuelle „wissenschaftliche“ Umfrage, für die die Stiftung Mercator bezahlt hat.
Die Überschriften in den Medien lauten, wie sie sollen: „Studie: Mehr Zustimmung zu Willkommenskultur“ (Deutsche Welle) oder „Deutsche Zustimmung zur Willkommenskultur wächst“ (HAZ). Konzipiert und ausgewertet hat die zugrundeliegende Umfrage das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, wie schon 2014 und 2016. Die Stiftung Mercator schreibt als wichtigste Lehre aus der Umfrage:
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„dass trotz der deutlich verschärften öffentlichen und politischen Debatte über die Zuwanderung und Integration seit 2014 keine kontinuierliche Verschlechterung des Integrationsklimas in der Bevölkerung eingetreten ist.“
Kenner übersetzen das in: Es ist zwar eine Verschlechterung eingetreten, aber sie war nicht kontinuierlich. Von 2016 auf 2018 schaffte man nämlich, einige leichte Verbesserungen zu präsentieren, nach dem starken Einbruch der Willkommensfreude von 2014 auf 2016.
So stellt die Stiftung heraus, dass, „klar ausschließende Kriterien für die gesellschaftliche Zugehörigkeit wie die Anforderung, in Deutschland geboren zu sein (Zustimmung 15,4 Prozent), oder die christliche Religionszugehörigkeit (Zustimmung 14,0 Prozent) noch einmal an Bedeutung verloren haben“.
Wie man das gemacht hat, ist nicht ganz klar. Denn die genaue Fragestellung wird dem Publikum bei dieser Frage vorenthalten. Das macht deshalb besonders stutzig, weil ALLE angebotenen Kategorien für Zugehörigkeit geringere Zustimmung erfuhren als 2016. So sank auch die Zustimmung zum Kriterium „die deutschen politischen Institutionen und Gesetze zu achten“ um irritierende zehn Prozentpunkte, „sich für die Allgemeinheit einzusetzen“ sogar um elf Punkte. Die Aussage von Autor und Autorin „Insgesamt zeigt sich, dass sich das Zugehörigkeitskonzept der Befragten in 2018 noch stärker an prinzipiell erwerbbaren Kriterien orientiert als in 2014 oder 2016“ erscheint in diesem Lichte als Falschbehauptung.
Ob die bei allen Kriterien gleichzeitig gesunkenen Zustimmungswerte daran liegen, dass eventuell die Fragestellung geändert wurde? Man weiß es nicht. Die genaue Frage wird ja nicht mitgeteilt. Oder daran, dass die Häufigkeiten „gewichtet“ wurden? Man weiß es nicht. Denn wie da gewichtet wurde, und ob immer gleich, wird in der 35-seitigen Broschüre mit den Umfrageergebnissen nicht mitgeteilt. Eine Mail mit Fragen an die Ko-Autorin vom 4.2. blieb bisher unbeantwortet.
Kluge Konzeption ist bei einer Umfrage das A und O für ein erwünschtes Ergebnis. Das haben Autor und Autorin beherzigt. Sie stellten nicht nur suggestive, wertende und oft zweideutige Fragen. Sie statteten diese auch noch mit fünf Antwortmöglichkeiten aus, von stimme sehr zu, über weiß nicht/egal bis stimme überhaupt nicht zu. Weil viele Fragen doppeldeutig oder überladen sind, entfällt ein sehr großer Anteil der Antworten auf die neutrale Kategorie. Das erlaubt dann ein Fazit wie:
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„Zivilgesellschaft wie auch die Politik können sich in ihrer Gestaltung der längerfristigen Integration auf eine gegenüber Vielfalt positiv oder neutral eingestellte Mehrheit in der Bevölkerung stützen.“
Man hätte ebensogut schreiben können, … müssen eine negativ oder neutral eingestellte Bevölkerungsmehrheit umstimmen.
Wo man niedrige Zustimmungswerte haben und plakatieren will, formuliert man die Aussagen so hart, dass man nur von eingefleischten Pegida-Sympathisanten Zustimmung erwarten sollte: „Wir sollten stärker darauf achten, nicht von den Migranten überrannt zu werden“, lautet eine solche Frage. Dass trotzdem fast 40 Prozent der Befragten (irgendwie gewichtet) dieser Aussage zustimmen, straft den künstlich positiven Tenor der Auswertung in Sachen Willkommenskultur Lügen.
Wo man hohe Zustimmungswerte haben will, wird mit positiv besetzten Begriffen gearbeitet, wie etwa bei: „Ich freue mich, dass Deutschland noch vielfältiger und bunter wird.“
Antworten schwer gemacht
Aber wie soll man eigentlich auf solche multiplen Fragen antworten. Was, antworte ich, wenn ich gar nicht sehe, dass Deutschland bunter und vielfältiger wird? „Freue mich“, weil ich es schön fände, wenn es so wäre, oder „freue mich nicht“, weil ich es entweder nicht sehe oder mich an der Begriffswahl störe?
Wie antwortet man auf folgende Frage?: „Ich freue mich darüber, wenn sich immer mehr Migranten in Deutschland zu Hause fühlen.“ Antworte ich damit auf die Frage: Sollen immer mehr Migranten sich Deutschland als Zielland aussuchen? Oder auf die Frage: Freue ich mich, wenn von denjenigen, die da sind, sich immer mehr zu Hause fühlen? Oder: Freue ich mich, dass es mehr Zuwanderer in Deutschland gibt als früher?
Kein Wunder, dass rund 30 Prozent die weiß-nicht-Kategorie wählen.
Wer solche Fragen stellt, und die Umfrage ist voll davon, ist kein Wissenschaftler, weil multiple, zweideutige und lenkende Fragestellungen gegen elementare wissenschaftliche Prinzipien verstoßen. Es hat aber den Vorteil maximaler Flexibilität in der Interpretation und guter Steuerbarkeit der Ergebnisse. Und an welchen Ergebnissen sie Interesse haben, machen Autor und Autorin ebenso wie die Auftraggeber nur allzu deutlich.
So trägt man nicht zur Versachlichung der Debatte bei. So schürt man Misstrauen. [6.2.2019]
Nachtrag (8.12.): Von der Ko-Autorin der Studie kam zwischenzeitlich folgende Erläuterung.