Heiko Maas und die Aufrüstung Deutschlands im Dienste Trumps

10. 06. 2018 | Heiko Maas hat der Süddeutschen ein Interview gegeben. Da ich Maas als den Mann Washingtons an der Spitze des Außenministeriums klassifiziert habe (hier und hier), bietet es sich an, anhand dieses Interviews meine These zu prüfen, dass das Zerwürfnis mit dem US-Präsidenten, nur ein Trick ist. Deutschland und Europa sollen dazu gebracht werden, den USA einige Weltordnungs- und Kriegsaufgaben abzunehmen. (Das Interview der Bundeskanzlerin bei Anne Will ging in die gleiche Richtung, schreibe ich im Post-Will-Scriptum.)

Als Indiz gegen meine These würde ich werten, wenn Maas irgendetwas Konkretes sagen oder ankündigen würde, was Washington ärgern würde. Wenn das mit der Entfremdung ernst gemeint wäre, müsste man das erwarten. Es wäre ja naiv anzunehmen, dass Amerika seinen Schutzschirm über Europa ohne Gegenleistung ausbreitet. Wenn man sich, wie Maas behauptet, nun nicht mehr auf diesen Schutzschirm und generell auf Washington verlassen kann, dann sollte man annehmen, dass bisherige Gegenleistungen in Frage gestellt werden.

Stattessen sagt Maas im Interview:„Die USA bleiben unser wichtigster Bündnispartner außerhalb der EU.“ Und: „Um unsere Partnerschaft mit den USA zu bewahren, müssen wir sie neu justieren.“

An einer Stelle behauptet Maas zwar, er ginge nun wenigstens diplomatisch auf gleiche Distanz zu Washington wie zu anderen Mächten.

„„Wir brauchen auch in der Diplomatie eine klare Sprache – untereinander, aber auch um den Menschen Orientierung zu geben. Es gibt Differenzen, die können wir nicht mehr unter den Teppich kehren. Das gilt in Richtung Westen, wie in Richtung Osten Ich beziehe (das) auf die USA genauso wie auf Russland.“

Gut gebrüllt Löwe. Und in der Praxis? Als der neue US-Botschafter Grenell als erste „Amtshandlung“ per Twitter den europäischen Unternehmen befahl, ihre Geschäfte mit Iran einzustellen, kommentierte Maas das laut Zeit  folgendermaßen: „Außenminister Heiko Maas (SPD) wollte die Äußerung Grenells nicht kommentieren.“ Als Grenell dann sogar noch per Breitbart verkündete, er wolle sich zugunsten der systemkritischen Rechten in die hiesige Politik einmischen sagte Maas, als Schweigen nicht mehr ging:  „Ich habe das registriert.“ Als aber in London Anfang März der Doppelagent Srkipal vergiftet wurde, ein Fall in dem bis heute keine bekannten schlüssigen Indizien auf den Täter oder Drahtzieher hindeuten, war Maas sofort dabei, öffentlich den Kreml zu beschuldigen, und ließ sogar russische Diplomaten ausweisen. Auch als der ukrainische Geheimdienst vor kurzem die Ermordung eines kreml-kritischen russischen Journalisten vortäuschte, verlangte Maas umgehend von Moskau Aufklärung und lenkte den Verdacht dorthin. So sieht also gleichermaßen klare Sprache in Richtung Osten und Westen für diesen Meister des orwellschen Doppelsprech aus. Er hat sich bisher mit keinem öffentlichen Wort in bei Moskau für seine haltlosen Vorverurteilungen und seine völlig überzogenen Reaktionen entschuldigt. Grenell hat lediglich bedauert, dass die Deutschen so beschränkt sind, dass sie ihn falsch verstehen. Aberdas scheint okay zu sein.

An Bekundungen, künftig das mehr zu tun, was Trump (und seine Vorgänger) von uns und Europa verlangen, nämlich „Verantwortung zu übernehmen“, fehlt es dagegen in Maas Interview nicht.

„„Wir Deutschen müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir in Zukunft einen größeren Einsatz für Frieden und Sicherheit bringen müssen.“

Könnte von Trump sein.

„„Und wir verstärken unseren Einsatz international. Wir beteiligen uns an einer Vielzahl von UN-Friedensmissionen.“

Trump freut sich. Und nicht nur an UN-Friedensmissionen beteiligen wir uns, könnte man hinzufügen, aber das tut Maas nicht, weil es wohl zu auffällig wäre.

Damit man die Amerikaner ernsthaft bei der Weltordnung entlasten kann, muss man aber mehr Gewicht auf die Waage bringen als Deutschland allein das kann. Das muss man schon europäisch angehen. Also:

„„Darüber hinaus wollen und müssen wir in Europa verteidigungspolitisch enger zusammenarbeiten. In Zukunft müssen auch Mehrheitsentscheidungen möglich sein. Das Einstimmigkeitsprinzip sollten wir aufbrechen. Wir brauchen hier Veränderungen, um handlungsfähig zu sein und besser und schneller reagieren zu können.“

Nun ist es ja nicht so, dass man in Europa keine Einigkeit herstellen könnte, wenn Europa oder ein Teil davon bedroht würde. Aber für Kriegseinsätze überall auf der Welt, um unsere Rohstoffzufuhr und offene Märkte zu sichern, ist Einstimmigkeit ein ernsthaftes Hindernis. Hier will Maas schon vor der Europawahl Pflöcke einschlagen. Vielleicht fürchtet er, dass danach die große Koalition der Weltordnungsbegeisterten aus traditionellen Konservativen, Sozialdemokraten und Grünen zu einer ziemlich kleinen Koalition zusammengeschrumpft sein wird. Dass seine SPD bei der Europawahl eine weitere schwere Abreibung bekommen wird, hat er sicher bereits einkalkuliert.

Maas will „überlegen, in welchen Gebilden wir noch etwas durchsetzen können.“ In Sachen Syrien will er dabei mit den Amerikanern und den Saudis zusammenarbeiten. Er traut sich zu, „eine Brücke zu bauen, zwischen den Russen und Iranern auf der einen und den Amerikanern, Europäern und Saudis auf der anderen Seite.“ Wie er sich als vertrauenswürdiger Brückenbauer zwischen zwei Seiten betätigen will, wenn er sich so fest der einen Seite zurechnet, bleibt sein Geheimnis. Viel mehr kommt nicht zum Thema „Durchsetzen in anderen Konstellationen“, jedenfalls nichts, was nicht amerikanischen Interessen entsprechen würde. Es scheint tatsächlich eher darum zu gehen, die geopolitischen Interessen der Führungsmacht auch in anderen Konstellationen, ohne die offensichtliche Beteiligung dieser Führungsmacht, durchzusetzen.

Anstatt eines Resümees seien daher nochmal an die Worte von Chatham House-Direktor Robin Niblett im Beisein der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen überdie „internationalen Erwartungen an Deutschland“ erinnert. In den USA wie auch in Großbritannien sei der nationale Zusammenhalt durch die Kriege in Afghanistan und Irak substanziell zerstört worden. Aufgrund der Zurückhaltung bei diesen Kriegen habe Deutschland im Gegensatz dazu noch die Kapazität, breite Zustimmung zu mobilisieren, „falls es entscheidet zu handeln“. Das scheint zu sein, was Herr Maas tun soll und will.

„Quelle: Wir dürfen uns nicht wegducken.“ Süddeutsche Zeitung. 8. Juni 2018, S. 7.

P.S. Das Interview der Bundeskanzlerin bei Anne Will am Sonntagabend passte genau zur Botschaft von Herrn Maas. Es war ganz viel von „Wir müssen uns selber kümmern“ die Rede. Angela Merkel will wie Maas eine gemeinsame europäische Militär- und Außenpolitik, will deutsche Beteiligung an einer Interventionsarmee und will, dass Europa „ergänzend zur Nato“ zusätzliche Fähigkeiten auf militärischen Gebiet entwickelt. So als wäre ihr Hauptanliegen, Trump eine Freude zu machen, und das alles vorgetragen in einem Tonfall als ginge es gegen Trump. Wir werden zum Narren gehalten wie selten.

[10.6.2018]

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