In einem Beitrag vom 12. Februar gibt die Pharmazeutische Zeitung den Inhalt eines Gesprächs mit Ralf Denda wieder, dem Stabstellenleiter Politik bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Autor ist Chefredakteur Alexander Müller. Diesem gegenüber hat Denda ausgeplaudert, wie die Verbände mit Fragerecht ausgewählt wurden. Die Parteien des Kartells wollten das eigentlich geheim halten. Gegenüber Netzpolitik.org, die am 10. Januar über das Parteien-Informationsverhinderungskartell berichteten, hatte nur die SPD auf die Frage geantwortet, wie die Liste zustandegekommen ist, und zwar mit der Auskunft, das sei vertraulich. Auch wer auf der Liste steht, scheint vertraulich.
Von Apothekenlobbyist Denda erfährt man nun über Chefredakteur Müller:
„Im verkürzten Wahlkampf zur Bundestagswahl haben sich die Parteien auf ein besonderes Verfahren verständigt. Jeder durfte fünf Organisationen benennen, die dann Wahlprüfsteine an alle schicken konnten. Das betrifft CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und die Linke, denn AfD und BSW wollten Denda zufolge bei dieser Art der inhaltlichen Auseinandersetzung nicht mitmachen. Die ABDA wurde von der CSU ’nominiert‘. Angesicht von rund 6.000 registrierten Lobbyorganisation unter den 30 ausgewählten zu sein, ist laut Denda ein wichtiges Signal für die ABDA.“
Danach haben die Kartell-Parteien nicht etwa versucht, gemeinsam besonders wichtige Organisationen auszuwählen, die einen breiten Querschnitt der Bevölkerung abdecken. Stattdessen haben sie ganz banal Organisationen ausgesucht, die sie für wohlmeinend halten, oder denen sie sich – aus welchem Grund auch immer – verpflichtet fühlen.
Die Liste der 30 Organisationen, die Netzpolitik.org im Januar veröffentlicht hat (siehe Anhang), enthält 14 Branchen-, Berufs- und Unternehmensverbände, mutmaßlich von Union und FDP „nominiert“, drei Gewerkschaften und drei Sozialverbände, mutmaßlich von SPD und Die Linke nominiert, zwei Naturschutzverbände und sogar den Hanfverband, vier Verbände aus dem Bereich Migration / internationale Solidarität, mutmaßlich überwiegend von der Linken nominiert, sowie den Frauen-, den Fußball und den Mieterbund.
Ausgeschlossen hatten die Altparteien, wenn die Liste stimmte, dagegen die Interessenvertreter der Senioren und Rentner, der Familien, der Verkehrsteilnehmer, der Kinder, der Behinderten, der Verbraucher und vieler weitere großer und sehr großer Bevölkerungsgruppen mit spezifischen Interessen.
Inzwischen ist die Liste vom 10. Januar, wenn sie stimmte, veraltet. Sie enthielt den Apothekerverband nicht, der es offenkundig auf Vorschlag der CSU in die Liste geschafft hat. Auch die damals nicht vertretene Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) hat inzwischen einen Wahlprüfstein mit Antworten der Parteien veröffentlicht Mutmaßlich haben einige Verbände auf die Ausübung des ihnen angebotenen Fragerechts verzichtet und wurden durch nachnominierte Organisationen ersetzt.
Die Apothekerlobby ABDA hat nur den sechs am Informationskartell beteiligten Parteien eine Bühne gegeben, nicht aber AfD und BSW. Auch der Seniorenverband BAGSO hat die AfD außen vor gelassen. Das BSW hat er allerdings befragt. Ob die Nichtberücksichtigung der AfD im Zuge von Gesprächen über die Aufnahme auf die Liste vereinbart oder angeboten wurde, ist eine Frage, die sich hier aufdrängt.
Mindestens einige der Parteien scheinen die Vereinbarung als Vorwand zu verwenden, um selektiv Fragen von Interessenvertretungen abzuwehren, bei denen sie einen schweren Stand haben, während sie denen antworten, bei denen sie vermuten gut wegzukommen. So haben zum Beispiel FDP und Linke auf Wahlprüfsteinfragen zum Bargeld geantwortet. Das ist ein Thema, bei dem Union, SPD und Grüne noch schlechter aussehen als diese beiden Parteien.
Fazit
Die Demokratie- und Wählerverachtung, die die sich „demokratisch“ nennenden Parteien an den Tag legen, wird immer atemberaubender. Erschütternd ist auch, was Medien und Öffentlichkeit inzwischen ohne Aufschrei tolerieren. Vor einer Bundestagswahl bilden alle Altparteien ein Kartell, mit dem sie dafür sorgen wollen, dass nur von ihnen ausgewählte, wohlmeinende Organisationen ihnen Fragen zu den Anliegen ihrer Klientel stellen können. Dagegen schließen sie Organisationen aus, die teilweise die Interessen von Millionen Wählern vertreten, weil sie sich schlechte Karten bei deren Wahlprüfsteinen ausrechnen. Und abgesehen von einem einzigen kritischen Beitrag in einem Spartenmagazin gehen Medien und Öffentlichkeit schweigend über diese Dreistigkeit hinweg.
Transparenzhinweis: Der Autor ist BSW-Mitglied
Anhang
Liste der Frageberechtigten laut Netzpolitik.org vom 10.1.2025
- Deutscher Bauernverband DBV
- Handelsverband Deutschland HDE
- Kassenärztliche Bundesvereinigung
- Bundesverband Deutscher Volks- und Raiffeisenbanken
- Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (VBW)
- Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA Bundesverband)
- Deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK)
- Zentralverband des Deutschen Handwerks
- Verband der chemischen Industrie (VCI)
- Die Familienunternehmer
- Bundesverband der Freien Berufe
- Zentraler Immobilienausschuss (ZIA)
- Gesamtmetall
- VDA
- Deutschland Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
- Polizeigewerkschaft
- Arbeiterwohlfahrt (AWO)
- Sozialverband VdK
- Der Paritätische Gesamtverband
- Deutscher Naturschutzring (DNR)
- BUND/Nabu
- Deutscher Hanfverband
- Pro Asyl
- VENRO (Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V.)
- Oxfam
- Seebrücke
- Deutscher Frauenrat
- Mieterbund
- Deutscher Fußball-Bund (DFB)