Nach nur zwei anständigen Sendungen fast ohne faule Tricks und verächtlich gemachten Passanten fiel die Heute Show mit einem manipulativ zurechtgeschnittenen Video von Yanis Varoufakis bei Jauch wieder in alte Unsitten zurück. Eine Sequenz von ganzen vier Wörtern ließ man von Varoufakis in der Sekundeneinspielung hören. SCHNITT „Liquidiätsprobleme, unbedeutende kleine Liquiditätsprobleme“ SCHNITT.
Darüber konnte man sich angesichts der gar nicht kleinen Finanzprobleme Griechenlands natürlich trefflich und ausführlich lustig machen Geschenkt, dass deer Unterschied zwischen liquide und solvent in der Moderation verwischt wurde. Das mag noch unter Satirefreiheit fallen. Aber: Keine Chance für den Zuschauer zu erkennen, dass Varoufakis diese Formulierung im Zusammenhang mit der um sich greifenden „Grexit“-Diskussion gebraucht hatte, also dem vorgeblich „versehentlichen“ Rauswurf, pardon „Austritt“ Griechenlands aus der Währungsunion. Er hatte sinngemäß gesagt, es sei unverantwortlich, wegen der Probleme eines im europäischen Maßstab sehr kleinen Landes, im laufenden Monat die im europäischen Maßstab völlig unbedeutenden flüssigen Mittel aufzutreiben, um Überweisungen an den IWF zu leisten, die Währungsunion und das Projekt Europa zu gefährden. Aber wenn man das Video nicht so hart zurechtgeschnitten, sondern vorne und hinten zwei Sekunden mehr drangelassen hätte, hätte man den schönen Sketch mit der Medizin gegen Harndrang und Liquiditätsprobleme nicht bringen können. Da schnitt und manipulierte man lieber, als zu verzichten.
Ich hätte wirklich gedacht, dass der Lerneffekt für die Macher der Heute Show nach dem Desaster drei Wochen zuvor mit dem manipulativ zurechtgeschnittenen Video einer Lokalpolitikerin, die als Rechte dargestellt wurde, obwohl sie gegen Ausländerfeindlichkeit kämpft, länger anhalten würde als zwei Sendungen. Damals hatte Oliver Welke sich entschuldigt und erklärt, der Fehler sei passiert, weil Programmsichter das Video schon zurechtgeschnitten ins Archiv getan und nicht richtig beschrieben haben. Was war diesmal das Problem? Haben die Programmmacher wieder nichts gewusst? Bei der Aufmerksamkeit, die das Video des Auftritts von Varoufakis bei Jauch bekommen hat, und der Tatsache, dass man sich in der Sendung ironischer Weise so ausführlich über die Debatte um einen von Jauch aus dem Zusammenhang geschnittenen Stinkefinger mokiert hat, ist das eher unwahrscheinlich und auch nicht zu hoffen.
Da ist sie also wieder, die alte skrupellose Beliebigkeit, mit der man sich über jeden lustig und diesen verächtlich macht, bei dem man das irgendwie hinkriegt. Erst verteidigt man ihn gegen eine blöde Stinkefinger-Diskussion und dann macht man ihn mit einem zurechtgeschnittenen Video selbst lächerlich. Was für eine Haltung ist das denn.
Bitte, liebe Heute Show, verzichtet einfach auch mal auf einen Kalauer. Verzichtet bitte auch darauf, Leute mit dem Auftrag loszuschicken, beliebige Menschen, die vor eine Kamera treten oder davor geholt werden, durch Finden und Zurechtschneiden des entsprechenden Bildmaterials der Lächerlichkeit preiszugeben, einfach weil es geht und Lacher bringt. Es hilft dem Ansehen der Medien, wenn nicht jeder Passant, dem ein Mikro vorgehalten wird, befürchten muss, wochenlang zum Gespött der Nachbarschaft zu werden, wie die Dame, die unvorbereitet auf der Straße zu Griechenland interviewt wurde. Mir ist sie unbekannt, aber fast alle, die sie kennen, werden sich die Sendung anschauen.
Die Heute Show zieht die richtigen Konsequenzen
