Die Abschottung des Paul-Ehrlich-Instituts durch die Gerichte kippt ins Groteske

21. 12. 2025 | Seit Jahren nimmt das Verwaltungsgericht Darmstadt Klagen gegen das dortige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) an und schiebt sie auf die sehr lange Bank. Nun gelangte ein Eilverfahren vor den Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser urteilte, Darmstadt sei gar nicht für das PEI zuständig und gab der Behörde gleich noch einen Vorwand, sich bei Informationsfreiheitsanfragen für unzuständig zu erklären.

Es war einmal, da sahen Verwaltungsrichter ihre vordringliche Aufgabe darin, Bürgern zu ihrem Recht gegenüber der Verwaltung zu verhelfen. Das ist vorbei. Heute sehen sie ihre Berufung darin, die Verwaltung gegen lästige Anfragen und sonstige Begehren der Bürger abzuschotten. Die Hemmschwellen dabei sinken in dramatischem Tempo.

Anfang November hatte ich berichtet, wie das Verwaltungsgericht Darmstadt das PEI gegen Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz und dem Presserecht abschottet, indem es entsprechende Verfahren seit Jahren nicht terminiert. Keine einzige von 15 zum Teil seit Jahren anhängigen Klagen war zu diesem Zeitpunkt terminiert.

Die nächste Instanz, der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel, setzt dieser Verweigerung von rechtlichem Gehör nun die Krone auf. Er erklärte den Eilrechtsschutzantrag der Anwältin Franziska Meyer-Hesselbarth, den das Verwaltungsgericht Darmstadt abgelehnt hatte, für von vorne herein unzulässig. Heesselbarth hatte gegen den Ablehnungsbeschluss des VG Darmstadt Beschwerde eingelegt. Der Verwaltungsgerichtshof urteilte, Darmstadt sei gar nicht zuständig gewesen. Denn der Klagegegner Bundesrepublik Deutschland werde in Sachfragen, die das PEI betreffen, prozessual nicht vom PEI vertreten, sondern vom Bundesgesundheitsministerium. Zuständig sei deshalb die Berliner Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Auch die Tatsache, dass es um Herausgabe von Daten des PEI nach dem Informationsfreiheitsgesetz ging, ändere daran nichts, meinte der Verwaltungsgerichtshof. Bei der Gelegenheit erklärt er es auch gleich noch für ungeklärt, ob man derartige Informationsfreiheitsanfragen an das PEI oder an das Bundesgesundheitsministerium richten müsse. Mehr als in die Luft werfen, wollte das Gericht diese Frage aber nicht. Eine Entscheidung hierüber sei im verhandelten Fall nicht notwendig.

Das ist eine Einladung an PEI und Ministerium, die nächsten paar Jahre mit IFG-Anfragen Ping-Pong zu spielen, bis ein Gericht sich bemüßigt fühlt zu klären, an wen diese Anfragen zu richten sind.

Kassel wirft mit seiner Entscheidung klagewillige Bürger und deren Anwälte auf den Stand von vor etwa vier Jahren zurück, als die Klagewelle gegen das PEI anrollte. Damals war weit offen, welches Gericht für solche Klagen zuständig ist. Ich führte selbst ein solches Verfahren. Dieses wurde vom Verwaltungsgericht Frankfurt an das in Darmstadt verwiesen und dort mit dem absurden Ergebnis entschieden, dass ich kein Recht hätte, am öffentlichen Leben teilzunehmen, weil mangels gültiger Ausnahmen vom Verbot niemand mehr ein Recht hierzu habe. Darmstadt als Gerichtsstand für Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das PEI, etablierte sich im Verlauf von 2022 als die Norm, wenn gegen das hoheitliche Handeln des PEI geklagt wurde.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschied dabei nicht etwa, die Klage an das Verwaltungsgericht in Berlin zu verweisen, sondern er erklärte sie für unzulässig. Das ist an dreister Bürgerverachtung kaum noch zu überbieten. Gerichte sind sich nicht einig, wer zuständig ist. Der Gerichtshof fragte sogar extra noch beim PEI nach, wie die verwaltungsinterne Aufgaben- und Kompetenzverteilung im Verhältnis zum Bundesgesundheitsministerium sei. Dann urteilte es entgegen dem Votum des PEI, das sogar noch angeboten hatte, bei Bedarf eine Prozessführungsermächtigung vom Ministerium vorzulegen.

Aber Bürger oder deren Anwälte sollen wissen, wer im Innenverhältnis zweier Behörden Prozessvollmacht hat. Und wenn sie falsch tippen, dann ist ihre Klage unzulässig, sogar wenn das angerufene erstinstanzliches Gericht sich für zuständig hält. Das ist grotesk.

Für Juristen und Feinschmecker, hier noch die Begründung der Gerichte für ihre konkurrierenden Zuständigkeitsentscheidungen:

Das Verwaltungsgericht Frankfurt erklärte in meinem Fall das Verwaltungsgericht Darmstadt (4 L 210/22.DA) für zuständig:

„Das Paul-Ehrlich-Institut ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem zugrundeliegenden Verpflichtungsbegehren nach § 52 Nr. 2 VwGO oder, sofern man in dem Antrag der Antragstellerin ein Feststellungsbegehren zu erkennen vermag, nach § 52 Nr. 5 VwGO. Dies ist letztlich unerheblich, da nach beiden Vorschriften zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit auf den Sitz des Beklagten bzw. Antragsgegners abzustellen ist. Wird der Staat verklagt, ist grundsätzlich auf die Behörde abzustellen, die für den Staat gehandelt hat. Der Amtssitz des Paul-Ehrlich-Instituts befindet sich in Langen und damit im Bezirk des Verwaltungsgerichts Darmstadt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HessAGVwGO).“

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (6 B 2271/24) dagegen schreibt zur Zuständigkeit für Klagen gegen das Handeln einer selbstständigen Bundesoberbehörde wie das PEI:

„1. Dabei ist nach Auffassung des Senats der Eilrechtsschutzantrag bereits nicht zulässig. Diesen hatte die Antragstellerin ursprünglich gegen das PEI gerichtet, wobei sie offenbar davon ausging, dass dieses beteiligtenfähig gemäß § 61 VwGO ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. (…)

Soweit der Eilantrag im Rechtsmittelverfahren durch die Antragstellerin – in Übereinstimmung mit der insoweit unzutreffenden Rubrumsberichtigung durch das Verwaltungsgericht – dahingehend umgestellt wurde, dass er in der Rechtsmittelinstanz nunmehr gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das PEI gerichtet ist, ist er ebenfalls unzulässig. Die Bundesrepublik Deutschland ist zwar Rechtsträgerin des PEI gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Eine passive Prozessführungsbefugnis des PEI für die Bundesrepublik Deutschland ist jedoch nicht ersichtlich. Darunter ist die Befugnis zu verstehen, den Prozess für den (beklagten) öffentlichen Beteiligten zu führen. Da juristische Personen des öffentlichen Rechts wie die Bundesrepublik als solche nicht handlungsfähig sind, müssen sie nach § 62 Abs. 3 durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln (vgl. Siegel a.a.O., § 62 Rn. 10).

Aus Art. 65 S. 2 GG folgt, dass im Rahmen der vom Bundeskanzler bestimmten Richtlinien der Politik der jeweils zuständige Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und eigenverantwortlich leitet. Hieraus folgt, dass der Bund durch die einzelnen Bundesministerien innerhalb ihres jeweiligen Ressorts vertreten wird. (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 15. Juni 1967 – III ZR 137, 64, NJW 1967, 1755). Passiv prozessführungsbefugt ist danach im konkreten Fall das Bundesministerium für Gesundheit. Eine eigene Prozessführungsbefugnis des PEI ergibt sich weder aus Gesetz, noch gibt es – so auch durch Nachfrage des Senats beim PEI bestätigt – eine ministerielle Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Gesundheit, wie es sie beispielsweise für das Bundesministerien der Justiz oder des Inneren gibt und aus welcher sich eine entsprechende Befugnis des PEI ergeben könnte.“

Dass das PEI sich auf Anfrage des Gerichts für zuständig und befugt hielt, und anbot, eine schriftliche Bevollmächtigung beizubringen, beeindruckte das Gericht nicht:

„Soweit das PEI eine Prozessführungsbefugnis aus der eigenen Geschäftsordnung vom 8. November 2022 ableitet so vertritt nach deren Punkt 2.3.1 dessen Präsident im Rahmen der Zuständigkeit des PEI den für Gesundheit zuständigen Bundesminister – so ergibt sich daraus weder eine Vertretungsbefugnis des PEI in Klageverfahren betreffend den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, noch könnte die Geschäftsordnung des PEI als Innenrecht insoweit eine ministerielle Anordnung ersetzen. Soweit die Vertreterin des PEI die Vorlage einer individuellen schriftlichen Bevollmächtigung des Ministeriums angeboten hat, würde dies am dargestellten Ergebnis nichts ändern, weil diese lediglich regeln könnte, dass sie für das (prozessführungsbefugte) Bundesgesundheitsministerium auftreten kann. An dem Fehlen einer entsprechenden Befugnis des PEI würde dies nichts ändern.“

Auch die Tatsache, dass die Daten, deren Herausgabe die Klägerin begehrt, beim PEI liegen, spielt für das Gericht keine entscheidende Rolle für die gerichtliche Zuständigkeit. Die Frage, an wen die Informationsfreiheitsanfrage zu richten ist, wirft das Gericht in die Luft und lässt sie ungeklärt fallen:

„Das Ergebnis einer fehlenden passiven Prozessführungsbefugnis des PEI steht auch nicht im Wertungswiderspruch zu § 7 Abs. 1 IFG, nach dessen Satz 1 diejenige Behörde über den Antrag auf Informationszugang entscheidet, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist.

Die prozessuale Frage der Prozessführungsbefugnis ist zum einen unabhängig von der materiellrechtlichen Entscheidungsbefugnis zu bewerten. Zum anderen ist es auch im Bereich des § 7 Abs.1 Satz 1 IFG nicht ausgeschlossen, dass die zur Verfügung berechtigte Behörde ausnahmsweise eine andere ist als die Behörde, bei der die Information tatsächlich vorhanden ist. Welche Stelle innerhalb der (Bundes-)Verwaltung entscheidet, bestimmt das Organisationsrecht. In der Regel ist dies auf Grund ihrer besonderen Sachnähe die federführende Behörde. Zwingend ist dies allerdings nicht (vgl. Schoch, IFG, 3. Aufl. 2024, § 7 Rn. 38, 39). Ob das PEI selbst über IFG-Anträge betreffend bei ihm vorhandene Informationen zuständig ist – wobei entsprechende organisationsrechtliche Bestimmungen für den Senat insoweit nicht ersichtlich sind – oder derartige Anträge an das Bundesgesundheitsministerium zu richten sind, bedarf für die Beurteilung der (fehlenden) passiven Prozessführungsbefugnis des PEI indes aus den oben genannten Gründen keiner Entscheidung.

Der Eilantrag wäre jedenfalls nicht unmittelbar gegen das PEI, sondern wohl vielmehr gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, zu richten gewesen, wobei im Zusammenhang mit der Sachentscheidungsbefugnis auch die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Darmstadt gemäß § 52 Nr. 2 Satz 1, Satz 2 VwGO zu überprüfen gewesen wäre.“