21.4. 2015 | Sascha Liebermann hat sich ausführlich und recht giftig mit meiner Kritik am Bedingungslosen Grundeinkommen auseinandergesetzt. Ein Teil seiner Argumente und insbesondere ein Tweet von Martin G. haben mich überzeugt, dass ich meine Argumentation ungenau und damit angreifbar formuliert habe. Das betrifft aber nicht den Kern meiner Kritik, hinter der ich weiter stehe. Ich sehe einen Widerspruch zwischen einem sehr individualistischen und einem sehr kollektivistischen Begründungsstrang, die im Bedingungslosen Grundeinkommen vereint werden.
Was ich klarstellen muss: Ich kritisiere die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens im Sinne von bedarfsprüfungsfreiem Grundeinkommen. Was ich nicht kritisiere ist ein Grundeinkommen, das im Sinne des Grundgesetzes das physische Überleben unter menschenwürdigen Bedingungen und eine würdige aber bescheidene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben all denen ermöglicht, die nicht über alternative Mittel verfügen, das sicherzustellen. Das soll ohne die Bedingung einer nachgewiesenen Bereitschaft zur Erwerbsarbeit gelten. Eine solche ist auch im Grundgesetz nicht vorgesehen.
Da das Grundgesetzt dies ohnehin schon garantiert, auch wenn das nicht befriedigend umgesetzt wird, habe ich als selbstverständlich vorausgesetzt, dass das Bedingungslose Grundeinkommen grundsätzlich hierüber hinausgeht. Das ist nach meinem Verständnis auch der Fall, aber ich muss die Kritik akzeptieren, dass ich versäumt habe, klarzustellen, dass ich nicht für grundsätzliche Arbeitsbereitschaftsprüfung argumentiere und schon gar nicht dafür, dass jeder Bedürftige jede schlecht bezahlte und womöglich ethisch anrüchige Arbeit annehmen muss, die man ihm oder ihr anbietet.
Eine Garantie des sozialen Existenzminimums ohne Arbeitswilligkeitsprüfung wirkt wie ein Mindestlohn. Meine Vorstellung wäre, dass zusätzlich ein Mindestlohn dafür sorgt, dass man durch Erwerbsarbeit regelmäßig merklich mehr Geld zur Verfügung hat als dieses Minimum.
Meine Vorstellung ist auch, dass es dabei robuste Regeln gegen Sozialbetrug gibt.
Was mich aber in keiner Weise überzeugt, ist die Kritik an meinem angeblich zu negativen Menschenbild, weil ich nicht davon ausgehe, dass jeder, der ein bedarfsprüfungsloses großzügiges Grundeinkommen bekommt und das nutzt um auf Erwerbsarbeit zu verzichten, die freie Zeit nutzt um wertvolle und unbezahlte Leistungen zu erbringen, wie etwa sich um seine Familienangehörigen oder Andere zu kümmern und niemand, um Karten zu spielen, zu trinken oder exzessiv am Computer zu hocken oder was auch immer. Beides wird es geben.
Was ich auch weiterhin nicht akzeptiere ist das Argument – jedenfalls verstehe ich es so -, dass die gesellschaftliche Wertschätzung unterschiedlicher Tätigkeiten nicht richtig und nicht legitim ist, und dass man das konterkarieren kann und soll, indem man ein Bedingungsloses Grundeinkommen gewährt und so das Individuum entscheiden lässt, welche Tätigkeit er oder sie für wie gesellschaftlich wertvoll hält. Wir leben nun mal in einer Gesellschaft und nicht in einer Ansammlung autarker Individuen. Deshalb ist es auch Sache der Gesellschaft, den gesellschaftlichen Wert von Tätigkeit, für welche die Gesellschaft einen Lohn bereithält, zu bestimmen. Das kann sie viel besser machen als derzeit, aber es ist legitim und nötig.
Und als kleines Detail zur Klarstellung. Wenn Liebermann mich zitiert mit:
„Warum halte ich die Bedingungslosigkeit eines Grundeinkommens für zu Recht nicht konsensfähig?”,
und dann kritisiert:
„Zuvor hieß es noch, das BGE sei nicht konsensfähig, hier nun hält es der Autor für nicht konsensfähig, das sind zwei Paar Schuh„,
dann hat er einfach den Satz nicht richtig gelesen. Das „ich halte für“ bezieht sich auf „zu Recht“, nicht auf „konsensfähig“. Ich möchte Herrn Liebermann bei allem Eifer auch bitten, mir nicht in jedem zweiten Satz bösen Willen zu unterstellen. Ich bin durchaus lern- und diskussionsbereit und habe keine versteckte Agenda.