31. 08. 2014 | Nachdem er im Wahlkampf noch Stimmen fing, indem er die Finanzbranche scharf kritisierte, gebärdet sich der SPD-Parteivorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun als regierungsinterner Cheflobbyist von Allianz und Co. Weil den Versicherern und sonstigen Finanzinstituten die attraktiven Anlagemöglichkeiten ausgehen, soll die Regierung deren Anlage suchende Gelder mit ebenso garantierter wie einträglicher Verzinsung versehen.
Wohgemerkt, es handelt sich hier um eine Regierung, die sich am Kapitalmarkt für 0,9 Prozent Geld für zehn Jahre holen könnte, zum Beispiel von Allianz und Co. Das wäre Geld also umsonst, denn die Inflationsrate liegt bei 0,8 Prozent. Selbst wenn sie in zehn Jahren nicht steigt, muss der Staat in konstanter Kaufkraft gerechnet, am Ende nur unwesentlich mehr zurückzahlen als er bekommen hat.
Das ist kein Geschäft, mit dem Allianz und Co. in der Lage sind, Gewinne für ihre Aktionäre zu erwirtschaften. Also soll die Regierung diesen staatstragenden Institution mehr Zinsen zahlen als dem gemeinen Anleihekäufer, fordert die Branche. „Allianz wittert Chancen bei der Infrastruktur“ titelte die Börsen-Zeitung am 28.8. Privates Kapital könne helfen, die Finanzlücke bei der Finanzierung staatlicher Infrastrukturmaßnahmen zu schließen, sagte der Leiter der Anlagestrategie des führenden deutschen Lebensversicherers, Andreas Lindner, dem Blatt. Das sei sehr attraktiv für die Assekuranz, denn deren Geschäftsmodell erfordere einen langfristigen Anlagehorizont und der Staat garantiere einen stabilen Cash-Flow. Übersetzung: Hohe Rendite, kein Risiko – auf Kosten des Steuerzahlers.
Sigmar Gabriel erkennt die Schlagkraft dieser Argumente rückhaltlos an. Wie noch jeder SPD-Grande in verantwortlicher Position den Wünschen der Allianz nachkam, wenn sie dringlich genug waren. Man denke nur an die staatliche Finanzierung des Kaufs der notleidenden Allianz-Tochter Dresdner Bank durch die bankrotte Commerzbank. Daran zahlt der Steuerzahler heute noch. Aber die Aktionäre der Allianz, in deren Dividendensäckel die Hilfen für die Commerzbank flossen, sind nicht satt. Und so berichtet prompt am gleichen Tag, ebenfalls am 28.8., das Handelsblatt, dass Gabriel einen Beirat aus Versicherungslobbyisten und Alibi-Wissenschaftlern einsetzt, um die entsprechenden Modelle zur Ausplünderung der Staatsfinanzen mit einem Mäntelchen der Legitimität zu umhüllen.
Vergessen, dass nicht zuletzt im Handelsblatt in letzter Zeit zu lesen war, welch schlechtes Geschäft die Privat-Öffentlichen-Partnerschaften bei der Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen für die öffentliche Hand regelmäßig waren. Jetzt wird stattdessen ein Projekt ausgegraben, bei dem ein Baukonzern draufzahlte, weil die Mauteinnahmen für eine Straße nicht so flossen wie geplant. Daraus wird der Schluss gezogen, dass künftig der Staat dieses Risiko tragen müsse. Im Sinne der von den Versichern geforderten stabilen und planbaren Einnahmen. Die privaten Finanzierer und Betreiber der Infrastruktur sollen nur noch danach bezahlt werden, ob diese Infrastruktur wie bestellt gebaut wird und verfügbar ist. Alles andere soll Risiko des Staates sein. Was der Staat von diesem Modell haben soll, außer Kosten und Risiken, bleibt offen.
Herr Gabriel, schämen sie sich! Und die „Wissenschaftler“, die sich für so eine volksverdummende Lobby-Veranstaltung hergeben, sollten sich auch schämen. Zutiefst.