Die ePA, unverzichtbar fürs pflichtversicherte Fußvolk, unzumutbar für Beamte und Hochverdiener

Nachtrag 28.11. | 26. 11. 2023 | Die Antwort eines privaten Krankenversicherers auf die Anfrage einer Leserin, wie das mit der Pflicht zur elektronischen Patientenakte (ePA) sei, wirft viele Fragen auf. Etwa warum die knapp neun Millionen Privatversicherten, also die Staatsdiener und Gutverdiener, keine ePA aufgezwungen bekommen und über ihre Beiträge bezahlen müssen, die sie genauso wenig wollen wie die gesetzlich Versicherten?

Eine Antwort werde ich nicht versuchen, weil das als „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung von demokratisch legitimierten Verantwortungsträgern des Staates“ ausgelegt werden könnte.

Aber es können sich ja alle selbst ihren Teil zum folgenden Antwortbrief denken. Wenigstens die Gedanken sind ja noch frei, solange man sie nur denkt.

„Sehr geehrte Frau (…),
schon seit einiger Zeit bieten gesetzliche Krankenkassen die elektronische Patientenakte (ePA) an, nachdem der Gesetzgeber sie zu entsprechenden Services verpflichtet hat. Die Bundesregierung plant darüber hinaus, in der nächsten Zeit eine „obligatorische“ ePA für alle gesetzlich Versicherten einzuführen und so die Nutzerzahlen deutlich zu erhöhen. Der/Die gesetzlich Versicherte muss die ePA dann nicht mehr aktiv beantragen, sondern aktiv widersprechen, wenn er/sie diese nicht nutzen möchte. Eine generelle Pflicht zur Nutzung der ePA ergibt sich somit nicht.

Für private Krankenversicherer wie uns gilt: Der Versicherer entscheidet selbst über die Einführung einer elektronischen Patientenakte. Ein gesetzlicher Zwang wie bei einer Krankenkasse besteht für uns nicht. Bisher haben auch nur sehr wenige private Krankenversicherer die ePA für ihre Kunden realisiert. Die (…) wartet noch ab. Der Grund: Das Interesse an der ePA ist sehr gering und steht derzeit in keinem Verhältnis zu dem sehr hohen Aufwand ihrer Einführung. Zudem gelten die Überlegungen der Bundesregierung zur obligatorischen ePA nicht für die private Krankenversicherung.

Daher haben wir nicht vor, die ePA zukünftig für alle unsere Kunden standardmäßig einzurichten. Ein ausdrücklicher Widerspruch ist somit nicht erforderlich und natürlich ergeben sich auch keine Nachteile für lhr Versicherungsverhältnis, wenn Sie keine ePA haben möchten.“

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) möchte allerdings erstaunlicherweise, dass die ePA-Pflicht mit Opt-Out auch für Privatversicherte eingeführt wird.

Nachtrag (28.11): Gesundheitsministerium erklärt sich

Das Amt für Bürgerangelegenheiten hat einer Leserin auf deren Frag-den-Staat-Anfrage hin folgende Erklärung für das Ausklammern der Privatversicherten gegeben:

„Die PKV ist nicht Bestandteil des 5. Sozialgesetzbuches und kann somit nicht verpflichtet werden. Alle GKV Versicherer unterliegen der Regelung des 5. Sozialgesetzbuches. Es wären aber schon viele PKV Versicherer bereit dieses Angebot umzusetzen.“

Sonderbar nur, dass der Interessenverband der Privatversicherer ,PKV, das anders sieht und fordert, dass die Opt-Out-Lösung auch für Privatversicherte gesetzlich vorgeschrieben wird. Es wäre mir auch völlig unplausibel, dass der Gesetzgeber solche Regelungen nicht auch für die Privatversicherer treffen können sollte. Es muss ja nicht im 5. Sozialgesetzbuch sein.

Unterdessen stimmten die federführenden Ausschüsse des EU-Parlaments heute für die Schaffung eines „Europäischen Raums für Gesundheitsdaten“. Eine Widerspruchsmöglichkeit der Bürger gegen die verpflichtende elektronische Patientenakte gibt es darin nicht.

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