Deutsche Post DHL und der von digitalen Dilettanten ausgeübte Digitalzwang

23. 11. 2024 | Angestachelt von einem Digitalminister, der sich erklärtermaßen als Digitalzwangminister versteht, zwingt Deutsche Post DHL Sendungsempfänger rechtswidrig zur Nutzung von Smartphones. Dabei versagt das Unternehmen selbst auf vielfache Weise bei der effektiven Nutzung der Informationstechnologie und macht seinen Kunden damit das Leben schwer.

Der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, hat erklärt, dass er die Digitalisierung voranbringen will, indem er analoge Alternativen beseitigt. Das betreibt er mithilfe der Bahn und des teilstaatlichen Postunternehmens DHL, und zwar auf rechtswidrige Weise, wie (fast nur) auf diesem Blog berichtet.

Seit Juli ist DHL aufgrund einer neuen Regelung im Postgesetz verpflichtet, eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen die Auslieferung an eine Packstation, für die man ein Smartphone braucht, einzuräumen. Auf diese Widerspruchsmöglichkeit muss DHL laut Postgesetz auf seinen Benachrichtigungskarten hinweisen. Mir liegen Benachrichtigungskarten bis 13. November vor, auf denen dieser Hinweis fehlt.

Obwohl schon Anfang März über die neue Regelung im Postgesetz berichtet wurde und DHL sicher noch deutlich früher Bescheid wusste, bekam ich auf Nachfrage noch Ende September die Antwort:

„Selbstverständlich beachten wir alle Vorgaben des Postgesetzes und sind bereits dabei, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.“

Bis Mitte November ist es dem Digitalzwang-Konzern immer noch nicht gelungen, seine IT entsprechend umzuprogrammieren.

Selbst jetzt, Ende November, enthält nicht einmal die Netzseite von DHL zur App-gesteuerten Packstation einen Hinweis auf eine Widerspruchsmöglichkeit, auch nicht in den „Fragen und Antworten“. Es gibt eine versteckte Widerspruchseite, auf die man manchmal hingewiesen wird, wenn man es schafft, telefonischen Kontakt zu DHL aufzubauen. Aber das Ausfüllen des Formulars dort führt sehr oft zu einem technischen Fehler oder führt auf andere Weise nicht zum gewünschten Ergebnis.

Wie verkehrt es ist, die Auslieferung der Menschen an digitale Prozesse mutwillig zu steigern, zeigt gerade die Unfähigkeit von DHL, die eigenen Algorithmen in den Griff zu bekommen. Das betrifft nicht nur die Unfähigkeit, eine funktionierende Widerspruchlösung zu implementieren und die gesetzlich vorgeschriebene Information darüber zu leisten. Ich bekommen viel Post von Lesern, die sich darüber beklagen, dass sie Sendungen nicht bekamen, weil etwas bei DHL nicht funktionierte, meistens in der IT. Das Internet ist ebenfalls voll von diesen Berichten. Nur ein Beispiel: Im Oktober streikte einen Tag lang die DHL-App, ohne die man in den App-gesteuerten Packstationen seine Sendungen nicht mehr abholen kann. Ein Beispiel, in wie vielfacher Weise der Digitalzwangkonzern dabei versagt, zweckmäßige IT-Prozesse aufzusetzen, kann ich aus aktueller Erfahrung mit einer Paketabholung berichten.

Am Sonntag den 17.11. beauftragte ich eine Paketabholung bei DHL. Außer der Bestätigung des Auftrags kam keine weitere Benachrichtigung und das Paket wurde am Montag nicht abgeholt. In der Sendungsverfolgung von DHL sah ich am Dienstag den Hinweis:

„Di 19.11.2024 00:00 Uhr: Der Abholauftrag wurde zur Zustellung am nächsten Werktag an den Zusteller übermittelt.
Mo 18.11.2024 00:00 Uhr: Der Abholauftrag wurde zur Zustellung am nächsten Werktag an den Zusteller übermittelt.“

Welcher Tag jeweils mit dem „nächsten Werktag“ gemeint ist, ist wegen der Uhrzeit 00:00 Uhr für mich nicht eindeutig. Jedenfalls wurde das Paket auch am Dienstag und Mittwoch nicht abgeholt.

Auf eine Beschwerde bei der Sendungsverfolung hin kam die Antwort, ich würde am Donnerstag zwischen 10 und 14 Uhr angerufen. Der Anruf kam, und der Anrufende sagte nach Beschreibung des Problems, dafür sei nicht die Sendungsverfolung zuständig, sondern die Online-Frankierung. Unter der von ihm angegebenen Telefonnummer antwortete ein nerviger Rede-Roboter mit einem albernen Frauennamen. Dieser stahl mir weitere Zeit, bis er schließlich die Sendungsnummer entgegennahm und mich an einen „menschlichen Kollegen“ weitergab. Diesem musste ich die Sendungsnummer noch einmal durchgeben. Er versuchte damit, das Problem zu lösen. Nach ca. fünf Minuten musste ich noch eine Warenkorbnummer finden und durchgeben. Nach weiteren fünf Minuten verband er mich mit einem Kollegen einer höheren Kompetenzstufe.

Nachdem ich diesem den Vorgang nochmals beschrieben hatte, einschließlich der Tatsache, dass nach einem Tag der Nichtabholung erneut die Abholung am nächsten Werktag angekündigt worden sei, sagte er, das könne nicht sein. Wenn die Abholung nicht am angekündigten Tag erfolgt sei, müsse man von sich aus aktiv werden, damit die Abholung an einem anderen Tag stattfinde. Er beauftragte eine neue Abholung für den Freitag. Am Donnerstag kam jedoch zufällig eine DHL-Sendung bei mir an und der Bote nahm anstandslos das Abholpaket mit. Er scannte den Barcode, ich bekam eine Quittung und kurz darauf auch per Mail eine Abholbestätigung. Trotzdem kam am Freitag ein anderer DHL-Bote und wollte das Paket abholen.

Wir haben hier also ein Unternehmen, das es nicht schafft, digitale Technik zum eigenen Nutzen und vor allem dem der Kunden einzusetzen. Bei Beschwerden aus der Sendungsverfolung eines Paketabholungsauftrags heraus wird man mit einer Abteilung in Verbindung gesetzt, die dafür nicht zuständig ist. Eine dem Rede-Roboter mitgeteilte Sendungsnummer wird an den menschlichen Kundendienst-Mitarbeiter nicht weitergegeben. Und unter dieser Sendungsnummer finden sich nicht alle nötigen Informationen zu einer Sendung. Um diese aufzufinden ist eine weitere Nummer nötig. Außerdem ist DHL angeblich nicht in der Lage oder bereit, den Abholstatus von elektronisch beauftragten Abholungen zu überwachen und eine am vorgesehenen Tag nicht erfolgte Abholung am nächsten Tag von sich aus nachzuholen. DHL ist auch nicht in der Lage automatische Benachrichtigungen zu generieren, die eindeutig, verständlich und korrekt sind. Wenn ein Abholauftrag vorzeitig von einem anderen Boten erledigt wird, wird das zwar elektronisch registriert, aber dem ursprünglich beauftragten Boten nicht mitgeteilt.

Ausgerechnet ein Unternehmen mit derart digital-dilettantischem Management hat sich der Digitalzwangminister ausgesucht, um die Menschen in die komplette Abhängigkeit von digitalen Prozessen zu nötigen. Der Bundeskanzler lässt nach Austritt der FDP aus der Regierung ohne Not ausgerechnet diesen Minister im Amt. Und die zuständige Regulierungsbehörde Bundesnetzagentur aus dem Ressort des Wirtschaftsministers, schaut dem rechtswidrigen Treiben dieses Unternehmens ungerührt zu.

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