12. 04. 2016 | Eine „Better Than Cash Alliance“ unter Schirmherrschaft einer UN-Organisation hat das erklärte Ziel, das Bargeld in den armen Ländern Afrikas und Asiens zugunsten digitaler Zahlungsmethoden zurückzudrängen. Das Ziel ist also das gleiche, wie es bei uns verfolgt wird. Die vorgeblichen Motive und Argumente sind ganz andere. Schockierend, wie sich internationale Organisationen vor den Karren der Finanz- und IT-Branche der USA spannen lassen.
Suum cuique, jedem das seine, sagt der Lateiner so schön. Wenn es dem Bargeld an den Kragen gehen soll, dann bekommt jeder Adressat die Begründung, die er gerade am leichtesten schlucken kann. Bei uns ist das die Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche. Das zieht grad so schön. In Ökonomenkreisen wird auch gern mal damit argumentiert, dass man Bargeld abschaffen müsse, damit die Geldpolitik ihr Gotteswerk noch besser und wirksamer erledigen könne. Und für die unterentwickelten Länder Afrikas und Asiens haben die Anti-Bargeld-Kämpfer nochmal ein anderes Argument im Ärmel, auf das sie sich dort konzentrieren: „finanzielle Inklusion“, die Verbesserung des Zugangs der Armen zu Finanzdienstleistungen.
Das Argument, die Aufzeichnung aller Transaktionen des bargeldslosen Zahlungsverkehrs helfe bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus wird im Entwicklungsländer-Kontext transformiert in das Argument, die Totalüberwachung helfe den Anbietern, ihren unterversorgten Kunden genau die richtigen Finanzdienstleistungen anzubieten.
Seit 2012 gibt es diese Better Than Cash Alliance (BTCA) Ihr Sekretariat stellt der United Nations Capital Development Fund (UNCDP) in New York. Financiers sind die großen US-Institutionen, die am meisten von der Abschaffung des Bargelds profitieren würden, Visa und Mastercard, sowie die US-Organisationen, die in Büchern über die Geschichte des US-Geheimdienstes besonders häufig vorkommen, wie die Ford Foundation und die Entwicklungshilfebehörde US-AID, außerdem die US-Großbank Citi (ihr Chefvolkswirt Willem Buiter trommelt bei uns aus anderen Gründen für die Abschaffung des Bargelds), sowie ganz vorne die illustre Bill and Melinda Gates Foundation. Auch das Omidyar Network des eBay-Gründers Pierre Omidyar ist bei den Sponsoren, die auf der Website vornehm “Ressource Partner” genannt werden.
Kurz zum Vergleich: In den Industrieländern tun sich Larry Summers (Harvard, früherer US-Finanzminister, früher Weltbank), Ken Rogoff (Harvard, früherer IWF-Chefvolkswirt) und Willem Buiter (Citi) als diejenigen hervor, die aus anderen (und wechselnden) vorgeblichen Gründen besonders früh und lautstark für die Abschaffung des Bargelds getrommelt haben. In den Entwicklungsländern sind es ebenfalls US-Organisationen aus der Finanzbranche (und der IT-Branche), die die Kampagne treiben.
Wem nützt es?
Um das zu verstehen, muss man sich nur fragen, wem es nützt, wenn wir alle gläsern und umfassend kontrollierbar sind, wenn man uns zwingt, alles über den elektronischen Zahlungsverkehr abzuwickeln. Wer überwacht den weltweiten elektronischen Zahlungsverkehr und kann ihn manipulieren? Wer gewinnt also am meisten Macht, wenn alle wirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Globus darüber abgewickelt werden müssen?
Amerikanische Unternehmen kontrollieren das Internet. Die NSA kontrolliert den internationalen Datentransfer. Die amerikanischen Geheimdienste haben offiziell Zugang zu den Daten des Zahlungsverkehrsabwicklers SWIFT in Belgien. Der US-Dollar ist die Weltwährung. Wenn zwei Währungen getauscht werden, geschieht das in aller Regel, indem die eine in den Dollar und die Dollar dann in die andere Währung getauscht wird.
Wer war in der Lage, Wikileaks vom Zahlungsverkehr weitgehend abzuschneiden, indem er ein paar amerikanische Kreditkartenorganisationen und Paypal anrief? Wer konnte das gleiche mit ausländischen Anbietern von Poker- und Backgammon-Websites tun? Wer kann jedes Finanzinstitut auf der Welt anklagen, das im internationalen Geschäft tätig ist, weil es angeblich gegen amerikanische Sanktionen gegen Drittstaaten oder irgendwelche US-Gesetze verstößt, nur weil solche Transaktionen eine logische Sekunde den Dollar tangieren und damit als in New York stattfindend behandelt werden? Die US-Regierung.
Wer beherrscht den Löwenanteil des internationalen unbaren Zahlungsverkehrs? Visa, Mastercard, Paypal, Citi und Co. Wer will dort künftig auch groß mitspielen: US-Datenkraken wie Google, Apple, Microsoft.
Die Better Than Cash Alliance
Nach dieser Vorrede nun also zur Besser Als Bargeld Allianz BTCA. Der United Nations Fund for Capital Development UNCDF ist ein armes, illegitimes Kind der UN-Familie, das über spärliche freiwillige Beiträge finanziert wird. Das haben sich die Anti-Bargeld-Krieger offenkundig zu Nutze gemacht, um sich mit dieser Organisation den Anschein von Legitimität und Gemeinnnutz statt kommerziellem Interesse zu kaufen. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. war 2010 der größte Geldgeber des UNCDF die Gates-Stiftung, noch vor Schweden und Australien. 2011 war größter Geldgeber die Master-Card-Stiftung vor Schweden und Belgien. 2012 wurde die Anti-Bargeld-Allianz beim UNCDF gegründet.
Auch wenn der UNCDF nicht wirklich zur UN-Familie gehört, heißt es in der Selbstdarstellung der Besser als Bargeld Allianz:
„Angesiedelt bei der UN hat die Allianz über 40 Mitglieder und arbeitet eng mit anderen globalen Organisationen zusammen und ist ausführender Partner der G20 Globalen Partnerschaft für finanzielle Inklusion.“
Schauen wir uns ein paar dieser Organisationen an, mit denen die Anti-Bargeld-Allianz zusammenarbeitet und die auch ausführenden Partner der G20 sind.
Da ist etwa die 1995 zur Verbreitung und Durchsetzung marktbasierter Mikrofinanz in armen Ländern gegründete Consultative Group to Assist the Poor (CGAP) zu deren Sponsoren die alten Bekannten gehören, die Gates Foundation und das Omidyar Network, die Ford Foundation sowie Citi und Master Card, diesmal allerdings in Form von deren Stiftungen, sowie zusätzlich noch die Metlife Foundation und die Dell Foundation. Diese bei der Weltbank beheimatete Gruppe nimmt für die G20 quasi-regulatorische Aufgaben wahr. Die Lobbygruppe für innovative finanzielle Inklusion, der neben den privaten Stiftungen viele Entwicklungsministerien- Entwicklungsbanken und andere Organisationen angehören, hat die Aufgabe, im Sinne der G20 die Belange der finanziellen Inklusion (also das Geschäftsinteresse von Visa, Mastercard und Co.) bei den wichtigsten internationalen Standardsetzern zu verankern, etwa beim Basel Komitee für Bankaufsicht (BCBS) usw. Schon 2009 durfte diese von Finanzinteressen der Branche durchseuchte Gruppe zusammen mit einer Arbeitsgruppe der G20 die G20-Prinzipien zur finanziellen Inklusion ausarbeiten, die 2010 beschlossen wurden und sich danach, ganz im besten entwicklungshelferischen Anschein als Umsetzungspartner der G20 der Durchsetzung des Geschäftsinteresses der Sponsoren widmen. Die G20-Prinzipien, wen überrascht es, sind nämlich sehr marktorientiert und äußern an vielen Stellen ausdrücklichen Respekt für das dringende Gewinnerzielungsbedürfnis der Anbieter von Finanzdienstleistungen.
Machen wir weiter mit noch einer dieser Gruppen, der Alliance for Financial Inclusion (AFI), die ebenfalls die G20 Prinzipien als Beraterin mit erarbeiten durfte und nun zu den ausführenden Partnern gehört. Sie wird finanziert von, sie ahnen es, der Gates-Stiftung. Zu den Parnern gehören außerdem die spansiche Großbank BBVA, Master Card, Visa und die Omidyar Stiftung. Wieder die alten Bekannten. Gegründet wurde die AFI 2008 als „erstes globales Wissensaustauch-Netzwerk“ ausschließlich für Notenbanker und Regulierer von Entwicklungsländern. Natürlich, wie könnte es anders sein, mit dem Geld und auf Initiative der Gates-Foundation. De fakto wurde die Gruppe also von der Gates-Stiftung gegründet, damit man den Arbeitsgruppen der G20 als Feigenblatt ein paar Notenbanker aus den betroffenen Ländern als „Berater“ zuführen konnte, damit es nicht gar so offensichtlich werde, dass hier Regierungen von Industrieländern entscheiden, was für Entwicklungsländer gut ist, und dies sich auch noch zufällig zu 100% mit dem Geschäftsinteresse von deren großen Unternehmen deckt, insbesondere denen des Initiators, USA.
Ein Geflecht verbundener Gruppen
Eine inzestuöse Gruppe von Organisationen, die maßgeblich von der Gates Stiftung und anderen unternehmensnahen Stiftungen finanziert werden, erwirkt also mit Unterstützung von amerikanischen Behörden und US-dominierten internationalen Organisationen einen Beschluss der G20-Gruppe der mächtigsten Wirtschaftsnationen, wonach in den armen Ländern zur Armutsbekämpfung die finanzielle Inklusion der Ärmsten „auf innovative und marktkonforme Weise“ zu fördern sei.
Marktkonform bedeutet dabei insbesondere gewinnträchtig für die ausländischen Dienstleistungsanbieter. Innovativ heißt, unter Kontrolle der westlichen IT-Unternehmen. Nach diesem Beschluss werden die von Vertretern der profitierenden Finanz- und IT-Dienstleistern finanzierten Gruppen von den G20 als Partner für die Umsetzung dieser Strategie auserkoren. Nachdem anfangs vor allem elektronischer Zahlungsverkehr gepusht wurde, soll seit 2012 aktiv auch das Konkurrenzprodukt Bargeld weggedrückt werden. Dass das das vorgebliche Motiv der finanziellen Inklusion konterkariert und ad absurdum führt werden wir in einem Folgeblog noch sehen.