Brief aus Athen: Der Kanzler Österreichs versteht Tsipras und Putin und kritisiert Angela Merkel deutlich

Markus Barth, Athen. Die griechische Presse hat einen neuen Bündnispartner entdeckt: den Bundeskanzler Österreichs Werner Faymann. Noch rechtzeitig vor dem anstehenden EU-Gipfel wird Alexis Tsipras kommenden Montag Faymann in Wien besuchen. Die Postionen, mit denen dieser in das Gespräch geht , hat er in einem Interview mit der heimischen Presse vom Samstag bereits recht ausführlich erläutert. Auch über ein

bereits erfolgtes Telefongespräch berichtet Faymann freimütig. Und in der Tat sieht der Bundeskanzler das griechische Anliegen neu zu verhandeln mit Verständnis.

So sei er zwar dagegen dem Land Geld zu schenken, unterstütze aber Verhandlungen über technische Kreditkonstruktionen, damit das Land künftig mehr Spielraum habe aus der Krise zu kommen. Dass es keinen Schuldenschnitt geben könne habe auch Tsipras verstanden. Er wolle aber die Chance haben vorzuschlagen wie Griechenland seine Verpflichtungen gegenüber den EU-Partnern einhalte.

 

Tsipras’ Vorschlägen steht Faymann durchaus positiv gegenüber: „Es ist ihm (Tsipras) ein grosses Anliegen, Korruption und Steuerbetrug zu bekämpfen. Das ist logischer als zu sagen man muss kürzen oder in der Krise privatisieren“ sagt Faymann „Jetzt kommt es darauf an, wie Tsipras seine Reformpläne umsetzen will. Die Option eines Euro-Austrittes sollte man Europa und Griechenland ersparen.“

Und weiter mit einer beachtlichen Portion Selbstkritik: „Griechenland zeigt,dass traditionelle Parteien keine Antworten mehr auf neue Herausforderungen haben, deshalb wurde Syriza auch gewählt. Dieser Trend zeigt sich auch in anderen Ländern.“ Faymann zeigt sich als ein Sozialdemokrat, dem das Debakel der Schwesterpartei PASOK ernsthaft zu denken gegeben hat ganz im Gegensatz zu seinen deutschen Genossen.

Wärend also Tsipras mit einem freundlichen Empfang rechnen kann, übt Faymann deutliche Kritik an seiner deutschen Amtskollegin. Deutschland unterschätze die mittelfristig negativen Auswirkungen von Kaufkraftverlusten. Ein Katalog von Massnahmen und Reformen sei nötig, den aber Angela Merkel durch ihren „Plan des Abwartens“ verhindere. „Würde Deutschland offensiver reagieren, wäre das auch für Österreich ideal.“ betont Faymann.

Auch was die Sanktionen der EU gegen Russland angeht liegt Faymann näher an der griechischen als an der deutschen Position: Sanktionen bewirkten einen Teufelskreis aus dem man schwer wieder herauskomme. Er betont: „Ich möchte den Fokus auf Friedensverhandlungen legen und auf einen Plan, der Putin zeigt, dass die EU für eine faire Zusammenarbeit ist, wenn bestimmte Regel, wie die Souverenitätsrechte, eingehalten werden.“

Auch der neue griechische Aussenminister Kotzias hatte nach seiner ersten Teilnahme an der Konferenz der Aussenminister berichtet, dass er durchaus nicht so isoliert gewesen sei, wie das insbesondere die deutsche Presse dargestellt habe. Auch zahlreiche andere Staaten hatten in der Tat ernsthafte Bedenken gegen neue Sanktionen.

Man darf auf die offiziellen Stellungnahmen am Montag gespannt sein. Es werden ein wenig Erinnerungen geweckt an eine Zeit in der es vergleichbare Bündnisse in Europa durchaus gab. Bruno Kreisky und Andreas Papandreou waren mit Felipe Gonzales, Olof Palme und Francois Mitterand die sozialistischen Premiers der achtziger Jahre.

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