Warum helfen Sie Allianz und Co, unsere Kommunen auszuplündern, Herr Fratzscher?

Lieber Herr Fratzscher*, Sie haben sich bereit erklärt, als Vorsitzender der von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ins Leben gerufenen Kommission „Stärkungvon Investitionen in Deutschland“ zu agieren. Herr Gabriel erwartet von der Kommission laut einer Presseerklärung „Ideen und Impulse, wie wir zu mehr privaten und öffentlichen Investitionen kommen.“ Es ist schlimm genug, dass der Wirtschaftsminister meint, eine mit Vorständen  großer Finanzinstitute wie Deutsche Bank, Allianz und Ergo

durchsetzte Kommission sei die richtige Instanz um Prinzipien dafür zu erarbeiten, welche Investitionen in diesem Land nach welchen Auswahlkritierien realisiert werden und vor allem wie diese finanziert werden sollen.

Das Eigeninteresse der Kommissionsmitglieder, die auf der verzweifelten Suche nach höher rentierlichen Finanzanlagen sind,  ist mit Händen zu greifen. Wenn Sie nun sagen würden, Sie verstünden Ihre Rolle darin, darauf zu achten, dass dies gerade keine Lobbyveranstaltung zugunsten großer Finanzkonzerne und einiger großer Industrieunternehmen wird, dann würde ich Ihnen das zunächst einmal glauben und hätte großen Respekt vor der sehr anspruchsvollen Aufgabe, die Sie sich zutrauen.

Nachdem ich allerdings den von Ihnen verfassten ersten Entwurf des Kapitels „Wege zur Stärkung Kommunaler Infrastrukturinvestitionen“ gelesen habe,  ist mir das nicht mehr möglich. Dieses Papier atmet die Förderung der kommerziellen Interessen der Gremienmitglieder aus allen Poren. Bevor ich hierauf im Einzelnen eingehe, erlaube ich mir zu fragen: Warum geben Sie sich dafür her,  Allianz, Ergo und Deutscher Bank zu helfen, unsere Kommunen auszuplündern? Sie sind als Präsident eines mit öffentlichen Mitteln finanzierten Leibnitz-Instituts und als Wissenschaftler der wissenschaftlichen Objektivität verpflichtet, nicht einem Wirtschaftsminister, der sich vor den Karren der Finanzbranche spannen lässt.

Wenn Sie im ersten Satz Ihres Kapitelentwurfs feststellen: „Eine wesentliche Ursache für niedrige Investitionen ist die schwache Finanzlage vieler Kommunen“  und zusätzlich schreiben, dass öffentlich-private Partnerschaften kein Heilmittel für fiskalische Probleme darstellen, dann verbietet es die wissenschaftliche Redlichkeit und der Anstand gegenüber den Steuerzahlern, die ihr Institut finanzieren, von dieser Ausgangsfeststellung ohne weitere Begründung  dazu überzugehen, eine Vielzahl von Lösungen und Scheinlösungen vorzuschlagen, mit denen man die ZUSATZKOSTEN der Einbindung privater institutioneller Investoren, wie Deutsche Bank, Allianz und Ergo, reduzieren kann. Die wissenschaftliche Redlichkeit würde es aus meiner Sicht gebieten, offen und deutlich einzuräumen, dass auch reduzierte ZUSATZKOSTEN zusätzliche Kosten sind, und nicht etwa ein Gewinn.  Warum also tun Sie das?

Ich will nur kurz die von Ihnen in dem Berichtsentwurf aufgeführten Nachteile referieren, und darlegen, dass Sie jeweils keine diese aufwiegenden Vorteile benennen. Jedenfalls steht an keiner Stelle auch nur annäherungsweise etwas wie ‚Dieser oder jener Vorteil dürfte die vielfältigen Nachteile einer Beteiligung privater Investoren mehr als aufwiegen.

1. Sie stellen fest, dass es aufgrund einiger spektakulärer Misserfolge Misstrauen gegen die gemeinsame Realisierung von Infrastrukturprojekten mit privaten Investoren gibt. Sie referieren, dass die Rechnungshöfe von Bund und Ländern festgestellt haben, dass bei der Mehrheit (!) der geprüften gemeinsamen Projekte mit Privaten Investoren diese zu Stande kamen, weil die Verantwortlichen die Kosten der staatlichen Bereitstellung über- und die Kosten der gemeinsamen Bereitstellung untertrieben haben. Dies sei darauf zurückgeführt worden, dass die Verantwortlichen ein Interesse gehabt hätten, die wahren Kosten des Projekts zu kaschieren, und dass das mit derartigen gemeinsamen Projekten leichter geht, auch wenn die Kosten dadurch insgesamthöher werden. Außerdem hätten die Berater ein Interesse an diesen gemeinsamen Projekten gehabt und hätten entsprechend beraten. (Wer sind den diese Berater anderes als die Vertreter der Finanzbranche, die auch ihre Kommission durchsetzen?)

2. Wenn Fehler bei der Vertragsgestaltung gemacht werden, weil Risiken nicht vorausgesehen oder nicht richtig vergütet werden, kann das für eine der beiden Parteien „weitreichende negative Konsequenzen“ haben, stellen Sie fest. Mit anderen Worten: das Zusammengehen mit den privaten Finanziers schafft ein erhebliches zusätzliches Risiko, das es beim konventionellen Handeln der öffentlichen Hand nicht gibt. Sie räumen ein, dass über die in Rede stehenden langen Zeiträume „zwangsläufig unvorhergesehene Entwicklungen“ auftreten, und dass Nachjustierung in der Vergangenheit meist zu Lasten der öffentlichen Hand ging. Sie räumen auch ein, dass bessere Verträge, die das Vertragsrisiko reduzieren, mit erheblichen Beratungskosten verbunden sind.

3. Als weiteres Zusatzrisiko führen Sie an, dass man sich einen Partner hereinholt, der seinen Gewinnanteil abholen wird, aber wenn es schief geht, vielleicht Insolvenz anmeldet, sodass die öffentliche Hand letztlich doch auf dem Risiko sitzen bleibt.

4. Außerdem müssen die Kommunen auf Leistungen von Privaten Umsatzsteuer bezahlen, von der sie nur einen kleinen Teil wieder zurückbekommen.

5. Die Finanzierungskosten STEIGEN, wie sei einräumen, durch die Einbeziehung privater Investoren, weil diese, eine „Eigenkapitalrendite“ fordern, eine, die viel höher ist, als die Fremdkapitalrendite, die sie von der öffentlichen Hand bekommen, wenn sie ohne direkte Infrastrukturbindung in deren Anleihen investieren.

Lieber Herr Fratzscher, wissenschaftliche Neutralität und Fairness gegenüber dem Steuerzahler, der Ihr Institut finanziert, würden an dieser Stelle von Ihnen abverlangen, dass Sie die folgende Frage beantworten: Warum soll ein Staat dem private Investoren Geld zu Vorzugskonditionen für seinen allgemeinen Haushalt in jeder gewünschten Menge zur Verfügung stellen, stattdessen diese privaten Investoren stattdessen direkt an der Finanzierung einzelner Projekte oder Bündel von Infrastrukturprojekten binden, wenn das die Kosten erhöht und dazu noch Zusatzrisiken aufgrund der  schwierigen Vertragsgestaltung mit sich bringt? Diese Frage, Herr Fratzscher, stellen und beantworten Sie und Ihre Kommission nicht. Da Sie ein sehr kluger Mensch und Fachmann sind, sieht das für mich sehr danach aus, als vermieden Sie zum Schutz der kommerziellen Interessen der Kommissionsmitglieder eine Auseinandersetzung mit einer Frage, für die es keine Antwort gibt, die sowohl  im Sinne von Allianz, Deutscher Bank und Ergo ist, als auch die Steuerzahler und Wähler befriedigt.

Sie sind einer Antwort aber nicht näher gekommen als zu der Feststellung, dass es auf jeden Fall gut ist, die KOSTEN der Einbindung von privaten Investoren für die Kommunen zu reduzieren, denn „manche Kommunen könnten dadurch mehr und besser investieren.“ Mit anderen Worten: Auch wenn es mehr kostet, Private einzubeziehen, die noch einen Extragewinn machen wollen, so ist es für den Fall, dass jemand es trotzdem macht – etwa weil er die Kosten seines Projekts in die Zukunft verschieben und verschleiern will – immer noch besser, die Zusatzkosten sind weniger hoch. Das ist aus meiner Sicht noch sehr, sehr weit weg von einer befriedigenden Antwort

Auf die einzelnen Arten, wie sie vorschlagen, die ZUSATZKOSTEN der Finanzierungsbeteiligung Privater zu reduzieren, will ich an dieser Stelle nicht ausführlich eingehen, weil es nur der Ablenkung dient, solange die Kernfrage nicht befriedigend beantwortet ist. Nur so viel: So wie ich sie lese, geht es immer nur um Finanzierungsbeteiligung, nicht darum, dass Allianz und Co. irgendwelchen überlegenen Sachverstand im Projektmanagement oder der Bauträgerschaft einbringen möchten, der dafür sorgt, dass die Infrastruktur besser und verlässlicher fertiggestellt und betrieben wird. Das machen andere. Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Bauträger oder sonstiger Experte für seine Dienstleistung einen guten Gewinn realisiert. Aber es muss eine Dienstleistung da sein, die einen entsprechenden Wert besitzt. Bei der bloßen Finanzierung, die der Staat billiger selber übernehmen kann, ist das nicht der Fall. Auch die Übernahme eines Teils des Gesamtrisikos, durch die privaten Finanziers wirkt in der nebulösen Form, wie sie diese immer wieder anführen, wie ein bloßes Feigenblatt. Dies zumal sie selbst eingeräumt haben, dass durch die sehr schwierige langfristige Aufteilung von Kosten und Erträgen beträchtliche Zusatzrisiken für die beiden Seiten entstehen.

Überraschend bis irritierend ist in dem Kapitel, dass ein Wissenschaftler Ihres Formats darauf verzichtet, jedweden Anschluss an unmittelbare vorangegangene Berichte und Empfehlungen eng verwandter Kommissionen herzustellen. Ich denke dabei insbesondere an die Daehre-Kommission, die Ende 2012 ihren Abschlussbericht zu Auswegen aus der chronischen Unterfinanzierung von Verkehrswegen in Deutschland vorlegte und darauf aufbauend an die Bodewig-Kommission, die die Finanzierungsvorschläge aus dem Daehre-Abschlussbericht in konkrete Maßnahmen umsetzen sollte. Und ihren Bericht im September2013 vorlegte. Wäre es nicht zwingend gewesen, sich mit den Empfehlungen dieser Kommissionen auseinanderzusetzen und damit, warum darin die Einbeziehung privater Investoren praktisch keine Rolle spielt.

Zusammenfassend also die Frage: Warum sollte der Staat derart die problematische Einbeziehung privater Investoren in die Infrastrukturbereitstellung favorisieren?

Sie haben auch, lieber Herr Fratzscher, den Entwurf für ein Kapitel zur Verkehrsinfrastruktur entworfen. Dieses ist aus meiner Sicht mindestens ebenso problematisch. Ich will aber diesen Brief nicht überfrachten und lieber gegebenenfalls später nochmals darauf zurückkommen, wenn sich meine Fragen nicht schon in Zusammenhang mit dem vorliegenden Kapitel klären.

Mit freundlichen Grüßen, Norbert Häring

*Der Adressat hatte Gelegenheit sich vor Veröffentlichung zu dem Inhalt dieses Briefes zu äußern. Eine öffentliche Stellungnahme lehnte er unter Verweis auf den vorläufigen, nichtöffentlichen Status des Berichts-Entwurfs ab.

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