Bilderberg: So geht Weltregierung – pardon, Global Governance

9. 06. 2015 | Ab Donnerstag 11. Juni treffen sich die Mächtigen der Welt in Österreich zum jährlichen Treffen der Bilderberger. Hochrangige Amtsträger und Vertreter der privaten Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft bevölkern die Separeees um zu besprechen, wie man die „großen Fragen der Welt“ angehen will. Es gibt einige Besonderheiten, die diese Treffen zur Besprechung von Weltregierungsfragen so wichtig für uns und so attraktiv für die Eingeladenen machen.

Die Teilnehmerliste macht die Bilderbergkonferenz öffentlich, seit die geheime Teilnehmerliste der Geheimtreffen immer wieder an die Öffentlichkeit geriet und manche Teilnehmer, vor allem aus dem vermeintlich linken Lager, in ungünstiges Licht setzte, sowie missgünstigen Publizisten erlaubte, den Geheimbundcharakter der Organisation zu betonen.

Auf ihrer Website erklärt die Konferenz Format und Ziele (meine Übersetzung):

Gegründet 1954 ist die Bilderberg Konferenz ein jährliches Treffen, das den Dialog zwischen Europa und Nordamerika fördern soll. Jedes Jahr werden 120 bis 150 politische Führer und Experten aus der Wirtschaft, der Finanzbranche, Forschung und Medien eingeladen, an der Konferenz teilzunehmen. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer kommen aus Europa, der Rest aus Nordamerika; rund ein Drittel kommt aus der Politik und Regierungen, der Rest aus anderen Gebieten.“

Für die wenigen handverlesenen und meist sehr hochkarätigen Medienvertreter attraktiv ist die Chatham House rule. Sie dürfen alles,was sie erfahren verwenden, wenn auch nicht konkreten Personen zuschreiben. Das schafft Wissensvorsprünge und Herrschaftswissen.

Für die Amtsträger interessant ist:

Dank der privaten Natur der Konferenz sind die Teilnehmer nicht durch die Konventionen ihres Amtes gebunden …es gibt keine Protokolle und keinen Bericht, außerdem werden keine Resolutionen verabschiedet, nicht abgestimmt und keine politischen Erklärungen abgeben.”

Das ist auch für uns interessant.

Die Bilderberg-Organisatoren haben also die Macht, die Amtsträger von den Konventionen ihres Amtes zu entbinden. Praktsich. Das sind so Konventionen, von denen man sich eingebildet hat, dass sie gelten, wie etwa die, dass Notenbankvertreter Infomationen über ihre Absichten und ihre Einschätzungen nicht regelmäßig mit interessierten Vertertern der privaten Finanzbranche teilen sollten, wie es bei EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeure jüngst aufflog. Er ist bei der Bilderberg –Konferenz dabei. Oder Konventionen, wie die, dass Zentralbanker ihr wertvolles Wissen über ihre Absichten nicht für eigene Geschäfte oder die von Freunden nutzen sollte, eine Konvention über die der ehemaligen Schweizer Notenbankchef Philipp Hildebrand stolperte. Er ist auf der Koferenz auch dabei. Bei dieser Konferenz gelten solche lästigen Konventionen per Ordre de Bilderberg also von vorneherein nicht. Praktisch. Man kann ganz ungeniert den hochvermögenden Vertretern von Goldman Sachs und Co. einen Wissensvorsprung verschaffen und dafür jede Menge Bauchpinselei oder die Aussicht auf einen späteren äußerst gut bezahlten Frühstücksdirektorenjob bei Balckrock oder Goldman Sachs. Dieser Karriereschritt ist für leitende Zentralbanker in Europa und Nordamerika die Norm. Er will vorbereitet werden. Bilderberg und andere “private” Geheimzirkel, wie die Group of 30, in denen Amtskonventionen vermeintlich nicht gelten und hemmungslos mit der gehobenen internationalen Finanzbranche fraternisiert wird, stellen für viele so etwas wie ein gehobenes Assessment-Center dar.

Wer wichtig ist auf der Welt, sieht man auf der Liste. Google ist das einzige Unternehmen mit drei Vertretern, dahinter Goldman Sachs mit zweien. Der französische Versicherungskonzern Axa stellt den Chairman. Die Harvard-University schickt zwei Leute, Das Carnegie Endowment for International Peace sogar drei. Das ist eine in Washington ansässige Stiftung, die zum Ziel hat, “das aktive internationale Engagement der USA zu fördern”.

Die USA haben 33 Teilnehmer, wenn ich richtig gezählt habe. Mit fünf Kanadiern sind es 38 Nordamerikaner, in der Tat knapp ein Drittel.

Aus Deutschland kommt mit neun das größte Kontingent in Europa, sollte man meinen, wäre aber gefehlt, Weiter vorne liegen noch Großbritannien mit 12 Teilnehmer und Gastgeber Österreich gleichauf mit Frankreich mit je zehn Teilnehmern. Die kleinen Niederlande stellen  sieben Teilnehmer. 

Wie nicht anders zu erwarten, zeigt sich die globale Machtverteilung nach Funktionen auf der Einladungsliste. Es sind eingeladen (bitte die Zahlen mit plus minus ein oder zwei lesen, da die Zuordnung nicht immer eindeutig und irren menschlich ist):

26 Vertreter der Finanzbranche

24 amtierende Regierungsmitglieder, Militärs und vergleichbare Amtsträger

und 10 sonstige Politiker

22 aus der übrigen Wirtschaft (ohne Datenwirtschaft), darunter sechs Öl, Energie, Rohstoffe

19 Vertreter von Hochschulen, Think Tanks und Stiftungen

13 hochrangige Medienvertreter

9 Vertreter der IT und Datenbranche, teilweise mit Fokus auf Überachung, Terrorabwehr

9 Internationale Kanzleien und Consultancies, z.T. finanzorientiert, zum Teil Polit-PR

Aus Deutschland sind dabei, Springer´-Chef Mathias Döpfner und die Chefin von Gruner + Jahr, Julia jäckel, der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner, Siemens-Chef Joe Kaeser, Airbus-Chef Thomas Enders, Verteidigungsministerin Ursula von der Layen und ihre Staatssekretärin Katrin Suder, sowie Kurt Lauk von Globe Capital Partners, der auf eine lange Karriere im Who is Who der deutschen Industrie zurückblickt.

Cybersecurity soll ein Thema der Konferenz sein: da können sich die drei Google-Vertreter, Linkedin verschiedene Firmen, die Überwachungssoftware anbieten, die Chefs des französischen und dänischen Geheimdienstes und alle interessierten Regierungsvertreter und Militärs völlig zwanglos darüber austauschen, was geht und gehen könnte, ohne Protokoll, ohne Konventionen, in konstruktiver Athmosphäre.

Auch um Griechenland soll es gehen. Es sind auch drei Griechen dabei, aber natürlichlich keine von der derzeitigen Regierung, die hat sich noch nicht für so ein konstruktives Treffen qualifiziert. Ganz im Gegenteil. Eingeladen ist ein Ex-Richter, der schon einmal als Chef einer „technokratischen“ Übergangsregierung Neuwahlen organisiert hat, ein Industriemagnat  und ein früherer Berater des EU-Kommissionspräsidenten, nun Präsident der Hellenischen Stiftung für Europäische und Auswärtige Politik (ELIA;EP), die „Forschung betreibt zu Themen der Europäischen Integration und den internationalen Beziehungen mit besonderer Betonung der transatlantischen Beziehungen, Sicherheit, Migration …“ Zusammen mit Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und Benoit Coeure von der EZB, fände damit jeder, der über Möglichkeiten beraten möchte, wie man diese renitente griechische Linksregierung am elegantesten los werden und durch eine konstruktivere Regierung ersetzen könnte, die passenden Gesprächspartner. Ohne Protokolle, ohne Konventionen der Ämter, ganz konstruktiv und ergebnisorientiert.

Die europäische Strategie soll besprochen werden. Da wollen die vielen Vertreter der internationalen Finanzbranche und der Angelsachsen schließlich auch mitreden und gehört werden.

Und die Nato, und Russland, Iran und der mittlere Osten, alles Themen, die in diesem illustren Kreis aus erzkonservativen Think-Tanks, Militärstrategen a la Kissinger und Co., Nato-Chef, Industrievertretern, Finanzbranche und Überwachungsexperten viel besser diskutiert werden kann als in den üblichen Regierungszirkeln mit ihren Konventionen und der Presse und den Parlamenten, die jedes Wort auf die Goldwaage legen. Wie sagte doch der ehemalige Deutschlandchef von Morgan Stanley, Dirk Notheis jüngst im Handelsblatt: Investmentbanking sei eine Waffe „mit breiter Streuung in der digitalen real-time Welt des 21. Jahrhunderts.“ Die (kalte) Kriegsführung mit dieser Waffe muss schließlich irgendwo koordiniert werden. Wo ginge das besser als im Bilderberg-Format, ohne Protokolle, ohne Beschlüsse, ohne Konventionen, und mit handverlesenen Pressevertretern, von denen man erwartet, dass sie nicht konkret berichten, und hofft, dass sie ihre Informationen nutzen, um die passende Hintergrundmusik zu komponieren.

Wenn es die Bilderberg-Treffen nicht gäbe, man müsste sie erfinden. Denn so geht Weltregierung.

P,S. Bilderberg-Mitorganisator Rudolf Scholten von der Kontrollbank findet es gut, dass der Staat die beträchtlichen Kosten für die Abschrimung und den Schutz der Konferenz übernimmt, obwohl sie angeblich privat ist, und die Amtkonventionen für die Teilnehmer nicht gelten sollen. Er möchte nicht in einem Land leben, wo solche schönen Veranstaltungen nur stattfinden können, wenn sich Sponsoren finden, die voll dafür zahlen.

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